Samstag, April 20, 2024

Auch wenn es immer schon so war: Postenschacher ist eine Schweinerei

Auch wenn es immer schon so war:

Thomas Walach

Türkis und Blau bedienen sich mit einer derartigen Chuzpe am Futtertrog, dass es eine Unverschämtheit ist – sogar für österreichische Verhältnisse. Von wegen „neuer Stil“! Es ist nun wirklich „Zeit für Neues“.

Wien, 03. Juli 2020 | „Das System habe ich ja nicht erfunden,“ sagt Sebastian Kurz und nimmt das als Entschuldigung, warum er völlig ungeniert Postenschacher betreibt. Was bitte, soll das für eine Rechtfertigung sein? Hat der Lügner die Lüge erfunden, oder der Betrüger den Betrug?

Vor einem Monat hat zackzack den 2:1-Deal der türkisblauen Regierung aufgedeckt. Wir hatten ihn aus Zeugenaussagen von Verhandlern und Chats von HC Strache rekonstruiert. Am Donnerstag hat Norbert Hofer im Ibiza-U-Ausschuss zugegeben: Den 2:1-Sideletter, die geheime Nebenabsprache zum Regierungsprogramm, gab es und sein Architekt war Sebastian Kurz.

Die ÖVP schnappt sich die ÖBAG (ihr alleiniger Chef wird Thomas Schmid) und bekommt zwei Drittel der Aufsichtsräte bei OMV, Verbund, CASAG, Post usw. Die FPÖ bekommt das Infrastrukturministerium und damit ihrerseits zwei Drittel ÖBB, ASFINAG, Austrocontrol, etc. Na bravo!

Der dreifache Schutzwall: Ganz schön löchrig

Türkisblau verfolgt in ihrer Kommunikation derzeit drei Verteidungsstrategien:

1.: „Wir haben die Posten immer nur nach Qualifikation besetzt – sogar ein KPÖ-Mitglied hätte einen bekommen können“, sagt Hofer. Stimmt nicht. In die Aufsichtsräte kommen „top loyale Leute“. Das hat HC Strache an Harald Vilimsky geschrieben. Es geht um Loyalität, nicht um Qualifikation. Dasselbe gilt für ÖVP-Mann Thomas Schmid, der nicht nur Alleinvorstand der ÖBAG und damit Herr über rund 20 Milliarden Euro an Staatsbeteiligungen ist, sondern sich selbst gleich in den Aufsichtsräten einer ganzen Reihe von ÖBAG-Unternehmen installiert hat. Schmid hat dafür keinerlei Qualifikation. Er ist Pressesprecher von Beruf.

2.: Nur die Besetzung der Aufsichtsräte wurde ausgemauschelt, nicht die von Vorständen. Das soll wohl ein Witz sein! Die wichtigste Aufgabe von Aufsichtsräten ist… genau, die Bestellung von Vorständen. Wozu das führt, hat man bei den Casinos gesehen, als die Republik gemeinsam mit der Novomatic loyale ÖVP-Aufsichtsräte durchdrückte, die dann prompt den unqualifizierten Politgünstling Peter Sidlo in den Vorstand hievten.

3.: Als gewählte Vertreter des (Mit-)Eigentümers Staat haben die Regierungsparteien ein Recht, Aufsichtsräte in Staatsbetrieben mit Vertrauensleuten zu besetzen. Die Frage ist, wem die Parteien vertrauen. Den besten Leuten oder den hirnlosesten Parteisoldaten? Falls das erste zutrifft, könnte man ja öffentliche Ausschreibungen und Hearings veranstalten. Falls es das zweite ist, wäre das natürlich peinlich.

ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl sagt, leider, leider würden Ausschreibungen und Hearings zu lange dauern. Die Politik müsse eben schnell handeln. Das finden all jene, die seit Monaten auf ihre Coronaentschädigungen warten, sicher auch. Offenbar meint Gerstl, dass die Politik schnell handeln muss, wenn es darum geht, den eigenen Rachen zu stopfen. Bei Entschädigungen für die Bürger muss es nicht ganz so schnell gehen.

„Es war schon immer so“ ist kein Argument, sondern Faulheit

Viele Menschen in Österreich sagen dazu: Postenschacher hat es in Österreich doch immer schon gegeben. Stimmt. Und es war immer schon eine Sauerei. Seit den 1980ern führt die FPÖ Wahlkämpfe gegen diese „Tradition“, aber wenn sie einmal an der Macht ist, entlarvt sie ihre eigene Rhetorik stets als dreiste Lüge. So schnell kann man gar nicht schauen, wie sie am Trog alles ratzekahl leer gefressen hat.

Er hat euch immer belogen

Und die ÖVP? Sebastian Kurz ist an der Macht, weil er seinen Wählern vorgetäuscht hat, mit ihm käme ein „Neuer Stil“ in die Politik. Das, was die Türkisen da zeigen, ist aber der ganz alte Stil, genau der, den Rot und Schwarz und – wenn sie konnten, auch Blau – immer schon pflegten. Wem das egal ist, belogen und getäuscht zu werden, wer sagt: „Na mei, so ist das Land halt“, soll sich dann aber bitte auch nicht mehr beklagen und Demagogen nachrennen, die behaupten, sie würden alles anders machen.

Alles hat ein Ende. Auch der Proporz

Der Proporz hatte historisch seinen Zweck. Ohne ihn wären die buchstäblich bis aufs Blut verfeindeten Lager der Christlichsozialen und Sozialisten nicht in der Lage gewesen, einander genug zu vertrauen, um gemeinsam das Land zu regieren. Aber die Zeit der bewaffneten Kämpfe um die Republik ist nun bald hundert Jahre her. Es darf sich auch etwas ändern. Wolfgang Schüssel und nach ihm Sebastian Kurz zögern nicht, die positiven Seiten des Proporzes zu zerstören, indem sie die Gewerkschaften aus den Lohnverhandlungen und die Arbeitnehmervertreter aus den Sozialversicherungen drängen wollten und immer noch wollen. Und da sollen wir zögern, den Postenschacher in Staatsbetrieben abzuschaffen, weil der Tradition hat?

Wer das Land verändern will, darf sich mit „weil es immer schon so war“ nicht zufrieden geben. Es liegt an uns: Weiter wie bisher? Oder ein besseres Land mit einer besseren Politik?

Titelbild: APA Picturedesk

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