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Hongkong im Würgegriff: Peking-Gesetz macht Grundrechte zu Verbrechen

Peking-Gesetz macht Grundrechte zu Verbrechen

Am Mittwoch führte China das neue “nationale Sicherheitsgesetz” in Hongkong ein, mit dem das Parlament ausgehebelt und bisherige Grund- und Menschenrechte zu Verbrechen erklärt werden. Bei den Demokratie-Protesten der Hongkonger wurden am Mittwoch über 370 Menschen verhaftet.

Wien, 03. Juli 2020 | Die Hongkonger Polizei machte den Bürgern in der Sonderverwaltungszone schnell klar, was das neue nationale Sicherheitsgesetz für Hongkong bedeutet: Über 370 Menschen wurden bereits am Mittwoch, dem ersten Tag nach Einführung des Gesetzes, festgenommen. Darunter Menschen, die ein Transparent mit den Worten „Hongkong Independence“ oder einen Aufkleber mit dem Wort „Gewissen“ trugen.

Joshua Wong, Hongkonger Demokratieaktivist, protestierte trotz des neuen Gesetzes gemeinsam mit Tausenden anderen Hongkongern auf den Straßen der Stadt.

Jetzt sei nicht die Zeit aufzugeben: Mit „drakonischen Strafen“ hinge das neue „Sicherheitsgesetz“ wie ein Damoklesschwert über der Zivilgesellschaft, twitterte der 23-jährige Wong. Er ruft die Welt zum Handeln auf:

„Hongkong steht an der Schwelle zum Kollaps. Ich rufe die Welt auf, Peking dazu zu bringen, das Gesetz zurückzunehmen.”

Das Gesetz hatte Peking auf dem Nationalen Volkskongress Ende Mai angekündigt, den Inhalt des Gesetztes ließ die Pekinger Führung allerdings bis Dienstag noch im Ungewissen.

Umso härter schlägt das neue nationale Gesetz nun in Hongkong ein: es verbietet vieles, was bisher durch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit gewahrt war. Das neue „Sicherheitsgesetz“ macht bisherige Freiheiten und Rechte zu Verbrechen: Peking kann demnach gegen jeden vorgehen, der in irgendeiner Weise „die nationale Sicherheit“ oder die „nationale Einigung bedroht“, gegen jemanden, der im Verdacht steht, die „Staatsgewalt zu untergraben“ oder „geheime Absprachen mit Kräften im Ausland“ mache.

Ende für freien Journalismus

Journalisten sind von dem Gesetz genauso betroffen: wer über Hongkong schreibt, könne der Gefährdung der nationalen Sicherheit beschuldigt werden, so die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die „alle Demokratien der Welt“ dazu aufruft, Peking zum Kippen des Gesetzes zu bringen:

Für Erstaunen sorgte darüber hinaus, dass die Straftatbestände auch auf Personen zutreffen sollen, die keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Hongkong haben oder sich im Gebiet der Sonderverwaltungszone aufhalten.

Für die Ausübung von Grund- und Menschenrechten drohen den Hongkongern nun bis zu lebenslange Haftstrafen oder sogar eine Auslieferung ans Festland. Peking hat ab sofort auch eigene Sicherheitsbüros und Spezialeinheiten der Polizei in Hongkong stationiert. Die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen oder Stiftungen könne dadurch erschwert werden, befürchten zahlreiche Kritiker.

Internationale Kritik

International stößt Peking für das „nationale Sicherheitsgesetz“ auf scharfe Kritik. Die Autonomie der Sonderverwaltungszone wird faktisch beendet, indem das Parlament ausgehebelt wird.

Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, sagte, man bedaure das Gesetz sehr. Die USA führten ein Verbot für den Export sensibler Verteidigungstechnologie nach Hongkong ein und verhängten Einreisesperren für einzelne Mitglieder der Kommunistischen Partei, was Peking allerdings kaum trifft.

Eine neue Bewegung mit dem Hashtag #FridaysForFreedom formierte sich im Zuge der Hongkonger Proteste: Analog zu der Fridays For Future Bewegung setzen sich Aktivisten weltweit für die Grund- und Menschenrechte in Hongkong ein.

Auch aus Österreich kommt Kritik: Ewa Ernst-Dziedzic, Außenpolitik- und Menschenrechtssprecherin der Grünen, verurteilt das Vorgehen Pekings scharf:

Sie fordert darüber hinaus auch Aufklärung hinsichtlich aktueller Berichte über Folter und Unterdrückung der Uiguren in China, Angehörigen einer muslimischen Minderheit im Land.

Hongkonger protestieren für Demokratie

Hongkong wird seit rund einem Jahr von anti-chinesischen und demokratiefreundlichen Protesten erschüttert, die sich gegen chinesische Einmischung in die Freiheiten Hongkongs richten. Dabei kam es immer wieder auch zu gewaltvollen Eskalationen auf beiden Seiten – das neue Gesetz soll nun „Ruhe“ in der Stadt gewährleisten.

Seit Rückgabe der früheren Kronkolonie an China 1997 galt der Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“: der autonome Status Hongkongs gilt als völkerrechtlich vereinbart.

Die Einführung des neuen „Sicherheitsgesetzes“, das ausgerechnet am Jahrestag der Rückgabe durch Großbritannien eingeführt wurde, stößt unter den Hongkongern allerdings auf breiten Widerstand. Die letzten Bezirkswahlen im November zeigten mit dem Erdrutschsieg der Pro-Demokraten die Stimmung in der Region. Mit dem neuen Gesetz könnten insbesondere auch jene Stimmen lauter werden, die eine vollständige Lösung Hongkongs von China fordern.

Präsidentin Tsai Ing-wen schrieb am Montag auf Twitter: “Pekings Missachtung der Hongkonger Bevölkerung zeigt, dass der Grundsatz ‚Ein Land, zwei Systeme‘ nicht durchführbar ist.”

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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