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Nazi-U-Boote bei deutscher Eliteeinheit KSK – Die deutsche Armee ist ein Tummelplatz für Rechtsextreme

Die deutsche Armee ist ein Tummelplatz für Rechtsextreme

Der deutsche Militärische Abschirmdienst (MAD) verdächtigt rund 600 Soldaten, rechtsextremen Gruppen anzugehören. In der Eliteeinheit KSK ist ihr Anteil 20 Mal höher als im Rest der Bundeswehr. Sie haben die Armee unterwandert, horten Waffen und bereiten sich auf den „Tag X“ vor. Thomas Haldenwang, Chef des Verfassungsschutzes, hält die Nazi-U-Boote in der Armee für die „derzeit größte Gefahr für die deutsche Demokratie.“ Und wie ist die Lage in Österreich?

Wien, 04. Juli 2020 | Das Problem ist schon lange bekannt. Doch in der Vergangenheit hieß es stets, Neonazis in der deutschen Armee wären „Einzelfälle“. Nun zeigt der am Mittwoch veröffentlichte Bericht der „Arbeitsgruppe KSK“: Die Bundeswehr hat ein massives Problem. Am schlimmsten ist die Lage ausgerechnet in der Eliteeinheit KSK. Sie ist so stark von Neonazis unterwandert, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer überlegt, die Einheit aufzulösen.

85.000 Schuss Munition verschwunden

Eigentlich schwören Bundeswehrsoldaten, der Bundesrepublik Deutschland zu dienen und Recht und Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Hunderte rechtsextreme Soldaten verstehen darunter jedoch etwas anderes als die Bundestagsabgeordneten, denen sie verpflichtet sind. Dass sich viele von ihnen im „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) tummeln, macht der KSK besondere Sorgen. Die Tatsache, dass die KSK-Soldaten in heimlichen Operationen, Sabotage und Terrorismusbekämpfung geschult sind, erfordere eigentlich ein besonderes „Grundvertrauen“, heißt es im Bericht. Dieses Vertrauen werde jedoch „auf eine harte Probe gestellt“.

Besonders der lasche Umgang mit der Kontrolle von Waffen und Munition, der im KSK herrscht, bereitet den deutschen Verfassungsschützern Sorgen. Neonazis innerhalb der Eliteeinheit ist es gelungen, ganze Waffenarsenale anzulegen. Alleine das KSK vermisst 85.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff. Im Mai gruben Beamte des MAD, beschützt von Eliteeinheiten der Polizei, aus dem Garten eines KSK-Unteroffiziers ein Sturmgewehr mit Schalldämpfer, 2 Kilo Plastiksprengstoff, Zünder, mehrere Messer und Armbrüste sowie mehrere tausend Schuss Munition aus – die Waffen eines Attentäters.

Auch die Cobra trainiert bei Rechtsextremen

Doch die Verschwörer versorgten sich nicht nur aus den Arsenalen der Bundeswehr selbst. Wie die Berliner „taz“ aufdeckte, bedienten sich Neonazi-Netzwerke in deutschen Spezialeinheiten auf einem Schießplatz im norddeutschen Güstrow. Besitzer und Ausbildner auf dem Trainingsplatz ist Frank T. Er gilt als einer der besten Pistolenschützen Deutschlands und ist Unterstützer eines rechtsradikalen Netzwerks in der deutschen Polizei, der sogenannten „Gruppe Nordkreuz“, die ihrerseits Teil des „Hannibal-Netzwerks“ ist. Dessen Kopf: André S., Soldat beim KSK. In seinem Verein „Uniter“ erhielten Gesinnungsgenossen paramilitärisches Training.

Auf dem Übungsplatz in Güstrow konnten sich die teilnehmenden Spezialkräfte frei an scharfer Munition bedienen, protokolliert oder kontrolliert wurde nichts. Ein Teilnehmer sagte aus, er hätte „eine Pumpgun einstecken“ und unbemerkt mitnehmen können. Auf T.s Gelände trainieren auch das KSK und das österreichische EKO Cobra, die Eliteeinheit unserer Polizei.

„Geschmacklosigkeit“ Hitlergruß?

Im April 2017 feierte der Kommandant der 2. Kompanie des KSK seinen Abschied. Auf dem Unterhaltungsprogramm: Schweinekopfweitwurf, Nazilieder und Hitlergrüße, angeleitet vom Kompaniechef selbst. Eine Augenzeugin beschrieb das im Norddeutschen Rundfunk so:

„Zum Refrain wurde mehrfach der Hitlergruß gezeigt. Das lief ganz euphorisch ab. Der Text war ja bekannt, sie haben mitgegrölt. Der Ältere hat die anderen quasi noch vorbereitet, was jetzt gleich käme, nämlich der Refrain, und dass es jetzt doch soweit wäre, dass sie die rechte Hand heben sollten.“

Die Zeugin, eine junge Frau, war dem Kompaniechef von seinen Soldaten am Ende der Feier als „Geschenk“ überreicht worden – zur sofortigen sexuellen „Nutzung“. Es sollte nicht mehr dazu kommen, der Offizier war zu betrunken. Der Beschenkte gilt in der Bundeswehr als Held: In Afghanistan schoss er sich den Weg aus einem Hinterhalt frei – einen verletzten Kameraden trug er dabei auf der Schulter.

Die Mauer des Schweigens

Der „Held“ schrieb 2007 ein Email an einen Soldaten, der mit der rechtsextremen Gesinnung seiner Einheit nicht einverstanden war: „Du wirst beobachtet von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn die Zeit es verlangt. Lang lebe das heilige Deutschland!“

Soldaten des KSK bei einer Geiselbefreiungsübung. Bild: APA Picturedesk

Die Sache mit der Geburtstagsfeier fliegt erst auf, nachdem der Norddeutsche Rundfunk recherchiert hat. 70 teilnehmende Soldaten der 2. Kompanie werden verhört. Jeder einzelne deckt den Vorgesetzten. Man habe doch zum Neonazi-Lied keinen Hitlergruß, sondern bloß einen „Ave Cäsar-Gruß“ gezeigt. Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer spricht heute von einer „Mauer des Schweigens“.

2017 gibt sich die Bundeswehr mit der Erklärung der Soldaten zufrieden, doch die zivile Staatsanwaltschaft ermittelt, der Kompaniechef wird verurteilt. Der Oberstleutnant ist drei Jahre danach immer noch Soldat bei der Bundeswehr. Die damalige Verteidigungsministerin und jetzige EU-Kommissionspräsidentin verharmloste die Vorgänge als „geschmacklos“.

„Um die Juden müssen wir uns nochmal kümmern“

Ein ehemaliger KSK-Soldat, der die Bundeswehr wegen der allgegenwärtigen rechtsextremen Einstellungen verlassen hatte, beschreibt gegenüber der „Deutschen Welle“ eine typische Szene: Jemand macht einen Witz über Juden. Ein Kamerad fragt: „Was, es gibt noch Juden? Ich dachte, wir hätten die alle ausgerottet. Da müssen wir uns nochmal drum kümmern!“

Mittlerweile sind die deutsche Politik und die Geheimdienste über Verharmlosung hinaus. Christoph Gramm, Chef des MAD, spricht von einer „neuen Dimension des Rechtsextremismus in der Bundeswehr“. Gerade beim KSK könne man nicht länger von Einzelfällen ausgehen. Von einer „Untergrundarmee“ will Gramm anders als manche deutsche Medien „noch nicht“ sprechen.

Der Kommandant des KSK, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, ist sich nicht so sicher. Sein Vorgänger, General Reinhard Günzel, war wegen antisemitischer Entgleisungen aus dem Dienst entlassen worden. Kreitmayr sagt im Interview mit der Berlin-Korrespondentin der New York Times, Katrin Bennhold, er wisse nicht, ob es bereits eine Untergrundarmee in der Bundeswehr gebe. „Ich bin besorgt“, gibt der General zu. „Nicht nur als Kommandant des KSK, sondern als Bürger – dass es so etwas geben könnte und dass unsere Leute ein Teil davon sind.“

Auch Christoph Gramm zweifelt nicht, dass „Beziehungsgeflechte, Netzwerke und Strukturen“ bestünden. Der Chef des Abwehrdienstes spricht damit aus, worüber deutsche Medien schon seit Jahren berichten.

Auch Abwehrdienst von Rechtsextremen unterwandert

Doch auch der MAD scheint von Neonazis unterwandert zu sein. Erst im Juni wurde ein hochrangiger Ermittler suspendiert, weil er einen Kontakt innerhalb des KSK vor möglichen Durchsuchungen bei verdächtigen Soldaten warnte. Der Kontakt gab die Information an mindestens acht weitere KSK-Angehörige weiter. Der parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber, Mitglied der Arbeitsgruppe KSK, spricht von „nicht akzeptablen Mängeln an Professionalität“ im MAD. Sämtliche Mitarbeiter würde ab sofort auf Kontakte zu KSK überprüft, der MAD müsse der Ministerin einen Reformplan vorlegen.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) droht dem KSK mit Auflösung. Bild: APA Picturedesk

Reformiert wird auch das KSK. Einen drastischen Schritt setzte Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer nach der Präsentation des Berichts der Arbeitsgruppe KSK mit der Auflösung der 2. Kompanie. Die Einheit gilt als soweit von Neonazis durchsetzt, dass sie nicht reformierbar ist. Dem Rest des Verbandes gab die Ministerin Zeit bis 31. Oktober. Kann die Eliteeinheit bis dahin nicht überzeugend darlegen, wie sie mit dem Problem der Unterwanderung durch rechtsextreme, staatsfeindliche Netze fertig werden will, soll das KSK komplett aufgelöst werden.

Und in Österreich?

Laut Recherchen des „Standard“, der sich auf Beamte des Heeresabwehramts beruft, vernetzen sich rechtsextreme Kreise im österreichischen Bundesheer mit „Hannibals“ Uniter. Der Verein hat einen Ableger in Vorarlberg, ein weiteres Zentrum soll sich in der Steiermark befinden. Ein wichtiger Knotenpunkt rechtsextremer Netze im Bundesheer ist der Verein „Militär Fallschirmspringer Verbund Ostarrichi” oder – über naheliegende Assoziationen dürfte sich Gründer Brigadier Paul Puntigam keine Gedanken gemacht haben – „MILF-O“.

Puntigam ist, wie viele Mitglieder des Vereins, bestens mit der FPÖ vernetzt. Verteidigungsminister Mario Kunasek erhob „MILF-O“ in den Status eines „wehrpolitisch relevanten Vereins“. Er darf daher die Infrastruktur des Bundesheeres nutzen, gemeinsame Übungen abhalten und Bundesheerangehörige dürfen gleichzeitig Vereinsmitglieder sein. Mitglieder des Hannibal-Netzwerks nahmen gemeinsam mit Bundesheersoldaten am jährlichen „Nibelungenmarsch“ und Schießübungen von MILF-O teil.

Soldaten „nicht immun“ gegen Rechtsruck

KSK-Kommandant Kreitmayr sagt in seinem NYT-Interview, seine Soldaten seien nicht immun gegen den allgemeinen Rechtsruck in Deutschland, besonders seit der Flüchtlingskrise 2015. Überproportional viele Soldaten, nicht nur im KSK, seien AfD-Anhänger. Während die Politik sagt, das KSK müsse sich um die Neonazis in seinen Reihen kümmern, meint Kreitmayr, dass es Verantwortung der Politik sei, auf die Fragen der Zeit eine Antwort zu finden.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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