Im März 30% Tests positiv, jetzt noch 1,85%
Die Regierung plant einen „Corona-Notfall-Plan“. Aber stehen wir wirklich vor einem Notfall und einer „zweiten Welle“? Ein genauer Blick auf die Anzahl der Tests im Verhältnis zu den Neuinfektionen könnte Entwarnung geben.
Wien, 07. Juli 2020 | Sind die Infektionszahlen gerade wieder am Steigen? Auf den ersten Blick sieht das eindeutig so aus. Bei näherem Hinsehen relativieren sich die Infektionszahlen aber schnell. Setzt man die Neuinfektionen mit der Anzahl täglicher Tests in Relation, zeigt sich ein bemerkenswertes Bild.
Chronologie der „Testungen“: mehr Tests, weniger positiv
Rückblick: Am 11. März, hatte Österreich den ersten Tag mit über 100 Neuinfektionen gemeldet, wenige Tage später wurde sogar die Miliz gegen die Virus-Krise mobilisiert. 110 Neuinfektionen wurden gemeldet – bei 336 neuen Tests. Damit kamen 33 Prozent der durchgeführten Tests als corona-positiv zurück.
Am 20. März, wenige Tage nachdem der sogenannte Lockdown von Kanzler Kurz verkündet worden war, meldete das Gesundheitsministerium 532 Neuinfektionen. An diesem Tag wurden auch 1889 neue Tests gemeldet. Erstmals seit Beginn der Corona-Krise kam Österreich also auf knapp 2000 Tests am Tag. Der bemerkenswerte Teil: Fast 30 Prozent der durchgeführten Tests, genauer 28,16 Prozent, wurden damals als corona-positiv klassifiziert.
Am 16. April, fast einen Monat später, meldete man 128 Neuinfektionen. Es war der letzte Tag bis Anfang Juli, an dem über 100 Infektionen gemeldet wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte man die Testkapazität bereits ordentlich erhöht: 6015 neue Tests wurden gemeldet. Ergebnis: Nur noch 2,13 Prozent der Tests wurden als corona-positiv gemeldet – eine erfreuliche Nachricht.
Infektionsrate auf nicht einmal 2 Prozent gesunken
Letzte Woche war es wieder soweit: Am Freitag wurden 126 Neuinfektionen gemeldet, damit waren es erstmals seit Mitte April wieder über 100 neue Ansteckungen. Allerdings führt Österreich aktuell fast 7000 Tests täglich durch. Die Rate corona-positiver Tests am vergangenen Freitag: lediglich 1,85 Prozent!
Sind 100 Neuinfektionen immer gleich zu bewerten, oder ist die Rate der positiven Tests die wichtigere Größe bei der Bewertung der Risikolage? Gerade die PCR-Tests sind nicht 100 Prozent genau. Der umstrittene Epidemiologe Sucharit Bhakdi weist in seinem neuen Buch daraufhin, dass es „tatsächlich keinen Labortest gibt, der 100 Prozent zuverlässig ist.“
Auch eine Studie aus China weist daraufhin, dass die PCR-Tests bei gleichen Patienten verschiedene Ergebnisse lieferten, weshalb die Forscher auf weitere, klinische Untersuchungen drängen. Selbst der sehr vorsichtig positionierte deutsche Star-Virologe Christian Drosten vermeldete im April auf Twitter, dass es „durchaus noch mal zu positiven Testergebnissen kommen“ kann. Diese seien aber dann falsch-positive Tests.
Klar: Gegen Ende des Verlaufs ist die PCR mal positiv und mal negativ. Da spielt der Zufall mit. Wenn man Patienten 2 x negativ testet und als geheilt entlässt, kann es zu Hause durchaus noch mal zu positiven Testergebnissen kommen. Das ist deswegen noch längst keine Reinfektion. https://t.co/ZLUC5RfUAg
— Christian Drosten (@c_drosten) April 13, 2020
“Natürlich” kann mal falsch-positiv getestet werden, schreibt Star-Virologe Drosten Mitte April auf Twitter.
Hohe Dunkelziffer
ZackZack behandelte die Ungenauigkeit der Tests bereits in Artikeln von Anfang Juni. Mittlerweile werden immer mehr Menschen mit schwächeren Symptomen getestet, was Bhakdi besonders fragwürdig findet:
„Die Dunkelziffer bei COVID-19 ist enorm groß, da eine erhebliche Anzahl an Infektionen ohne bzw. mit milden Symptomen verläuft.“
Dass die Dunkelziffer von Covid-Infizierten weit höher ist, als von einigen vermutet wurde, bewies zuletzt auch die Ischgl-Studie. Der Schluss von Bhakdi für Wissenschaft und Politik ist verheerend.
„Je mehr getestet wird, desto mehr »Corona-Infizierte« bekommen wir. Man spricht von einer »Laborpandemie«.“
Neue Angstwelle?
Für Bahkdi, sicher der schärfste und umstrittenste Kritiker der Corona-Maßnahmen, ist die Prozentrate an positiven Tests also eine wichtige Kennzahl. Das Verhältnis zwischen Neuinfektionen und Tests sei entscheidend, und nicht die Zahl der Infektionen an sich. Die türkis-grüne Regierung sieht daran aber offenbar kein wichtiges Bewertungsmerkmal. Im Rechtsboulevard-Blatt „oe24“ wird bereits ein „Corona-Notfall-Plan“ gegen die sogenannte „zweite Welle“ angekündigt. Wo diese genau beginnt, unter welchen Bedingungen, ist nicht klar.
Währenddessen ist die Auslastung des österreichischen Gesundheitssystems auf stabil niedrigem Niveau. Seit 10. Mai ist maximal 1 Prozent der verfügbaren Normalbetten belegt, seit Mitte Juni ist auch nur noch 1 Prozent der verfügbaren Intensivbetten belegt. Aktuell befinden sich 10 Covid-Patienten auf der Intensivstation.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk