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So hoch wie der Donauturm: Heftige Proteste gegen Windkraftanlagen im Waldviertel

Heftige Proteste gegen Windkraftanlagen im Waldviertel

Im Waldviertel sorgt der geplante Bau von Windkraftanlagen für heftige Diskussionen: Mit Bürgerinitiativen wehren sich die Bürger gegen die Versiegelung von Waldflächen. Auch die Tourismusbranche macht sich Sorgen. Roland Neuwirth, der bekannte österreichische Musiker, schließt sich den Protesten mit einem eigenen Song gegen die Windräder an.

Wien, 10. Juli 2020 | Bekannt für Mohn, Erdäpfel und seine mystischen Wackelsteine, könnte das niederösterreichische Waldviertel bald auch für Mega-Windkraftanlagen bekannt werden – zumindest, wenn es nach der Landespolitik geht.

Teil der österreichischen Klimaziele ist der Ausbau erneuerbarer Energien, darunter auch die geplanten Windkraftindustrieanlagen im Waldviertel. Eine davon ist bereits in Genehmigung, eine breite Bewegung von Waldviertler Bürgerinitiativen protestiert nun heftig gegen den geplanten Bau der Windräder. Auch österreichische Prominenz wie Roland Neuwirth findet sich unter den Protestierenden.

Fast gleich hoch wie Donauturm

Die geplanten Windkraftanlagen sollen bis zu 244,6 Meter hoch werden und erreichen damit fast die Höhe des Donauturms mit 252 Metern, der bislang das höchste Bauwerk Österreichs ist. Die Rotoren haben einen Durchmesser von je 150 Meter. Sie überstreichen somit eine Fläche von rund 17.000 Quadratmetern.

Eine der geplanten Windkraftanlagen, der Windpark Wild, erstreckt sich mit 20 Quadratkilometern über die unberührten Waldgebiete von drei Bezirken und befindet sich bereits in Genehmigung. Einsprüche gegen die Mega-Anlage sind noch bis 21. Juli möglich. Darüber hinaus sind in weiteren 17 Zonen Windkraftindustrieanlagen geplant.

Bürger wollen “echten Naturschutz”

In den letzten Tagen mehren sich die Proteste von Waldviertlern gegen die geplanten Windparks. Bürgerinitiativen haben sich in der IG Waldviertel zusammengeschlossen und protestieren gegen das geplante „Verbrechen an der Umwelt“. Michael Moser von der IG Waldviertel stellt im Interview mit zackzack klar:

„Wir sind keine Windkraft-Gegner. Uns geht es um echten Naturschutz. Wir bekritteln, dass die NÖ-Landesregierung einen Beschluss gefasst hat, mit dem Wirtschaftswälder für Windkraftanlagen freigegeben werden.“

Regelmäßig finden Treffen der Initiative statt. Zuletzt ließ die IG Waldviertel Info-Flyer drucken, die sie am Wochenende insbesondere in den betroffenen Gemeinden verteilt. Denn „keiner weiß, dass die größten Windräder der Welt jetzt in Göpfritz kommen sollen. Wir schicken seit vier Tagen Leute von Haus zu Haus, um die Bürger zu informieren – weil die Gemeinden das nicht tun“, so Moser.

Mit dem vierseitigen Flyer informiert der Zusammenschluss von Bürgerinitiativen, die IG Waldviertel, über das geplante Projekt und dessen Auswirkungen.

Waldviertel-Tourismus in Sorge

Auch Waldviertler Tourismus-Betriebe haben Bedenken: „Windräder mit einer kolportierten Höhe von rund 200 Meter sind definitiv ein Eingriff in das Landschaftsbild und in die Natur des Waldviertels”, mahnte der Waldviertler Tourismus-Chef Andreas Schwarzinger schon vor Jahren. Das Hauptmotiv für einen Aufenthalt im Waldviertel sei für 65 Prozent der Gäste die Kombination aus schöner und gepflegter Landschaft sowie intakter und teils unberührter Natur:

“Der Schaden, den der Tourismus nimmt, wird hier nicht ausreichend berücksichtigt”,

so Schwarzinger. Auch Johann Demmer, Betreiber eines Ferienhofs im Waldviertel, verweist auf den Schaden, der für den Tourismus entstehen könnte:

„Der Gewinn durch Windkraftanlagen im Waldviertel ist bescheiden, zumal damit Tourismus und Umwelt zerstört werden und die Immobilien der Bürger an Wert einbüßen.”

Familie Mayrhofer, die das Kinderparadies zur Minidampfbahn in Zwettl betreibt, fürchtet um die Zerstörung des Waldviertel-Charmes:

 „Der Tourismus ist für unsere Region sehr wichtig und hat großes Zukunftspotential. Unsere Besucher und Urlauber schätzen die unverwechselbare Landschaft! Die geplanten Monster-Windräder werden den Charme und die Idylle des Waldviertels zerstören.“

Im Zuge eines Projekts der TU Wien wurde eruiert, wie hoch der Landschaftsverbrauch durch den Bau der Windkraftanlagen wäre: dieser bewegt sich zwischen 58 und rund 94 Prozent. Ruhesuchende würden das nicht schätzen: „Natur genießen“ gilt als Hauptmotiv für einen Besuch der waldigen Region.

Roland Neuwirth: „Vakauft’s ned unsa Land!“

Auch der österreichische Musiker und Autor, Roland Neuwirth, beteiligt sich aktiv an der Protestbewegung. Er veröffentlichte in Kooperation mit der IG Waldviertel einen eigenen Protestsong. Im Refrain singt er:

„Bevor der letzte Woid zum Opfer foit – sogma’s, dass a jeder schnoit: Bei Windradln draht’sa si nur ums Göd. Und wer casht o‘? Na wir sicha ned. Vakaufts ned unsa Land, unsere Natur – weil hie is eh scho gnua!“

Bau widerspricht der österreichischen und europäischen Waldstrategie

Die IG Waldviertel sieht im geplanten Bau der Windkraftindustrieanlagen im Wald einen Widerspruch zu zahlreichenden geltenden Richtlinien und Konventionen, darunter den geltenden strategischen Zielen der österreichischen Waldnutzung, die eine „Erhaltung, Verbesserung und Wiederherstellung der Waldbiodiversität auf Österreichs Waldflächen“ vorsieht.

Außerdem widerspreche das Vorhaben, Windkraftwerke in Wirtschaftswäldern zu errichten, der EU-Waldstrategie, da für den Kraftwerksbau Flächen gerodet, versiegelt und der industriellen Nutzung zugeführt werden.

IG Windkraft begrüßt Windkraftanlagenbau

Die Position der IG Windkraft ist gegenteilig zur IG Waldviertel. Um laut Klimastrategie bis 2030 die Stromversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen, müssten „unter anderem jährlich 120 Windräder mit einer Leistung von mehr als 500 MW errichtet werden“. Der Windkraftausbau in Österreich könne „als Investitionsmotor und Arbeitsplatzgenerator helfen, die wirtschaftliche Lage wieder in Schwung zu bringen.“ In den nächsten Jahren könnten so 6,8 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst werden.

Niederösterreich: Bereits über 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien

Es geht jedenfalls um Profit, der Bedarf des Stroms wird von Kritikern allerdings in Frage gestellt: dieser bestünde dafür in Niederösterreich nicht. Das Land erzeugt, wie zum Beispiel auch Tirol, bereits mehr als 100 Prozent des Eigenbedarfs aus erneuerbaren Energien: „Es besteht keine Notwendigkeit, intakte Ökosysteme im Waldviertel zu zerstören”, so Michael Moser von der IG Waldviertel.

Windkraftwerke gelten unter erneuerbaren Energiequellen als die unbeliebtesten: Nicht nur wegen Schattenwurf und Lautstärke (bis zu 104 Dezibel), sondern auch weil sie Vögel, Fledermäuse und Insekten gefährden. Außerdem müssen für Leitungen und Zufahrtstrassen breite Schneisen in die Wälder geschlagen werden.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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