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Türkise Dominanz bei Internet-Initiative? Gefahr der Zensur bei Kampf gegen Hass

Gefahr der Zensur bei Kampf gegen Hass

Das Regierungspaket gegen „Hass im Netz“ steht vor der Tür. Die große Frage lautet: Wessen Handschrift ist erkennbar, die türkise oder die grüne? Nachdem sich Sigi Maurer im Februar noch über Kurz-Medienchef Fleischmanns Vorpreschen empörte, könnte sich sein Wille nun durchsetzen.

Wien, 10. Juli 2020 | Nach Monaten der Zurückhaltung gab es die nächste Pressekonferenz zum Thema „Hass im Netz“: Die drei Ministerinnen Karoline Edtstadler (ÖVP), Susanne Raab (ÖVP) und Alma Zadic (Grüne), flankiert von der Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer, kündigten Maßnahmen an. „Hass im Netz“ hat im türkis-grünen Regierungsprogramm ein eigenes Kapital. Nach über einem halben Jahr steht man allerdings noch immer bei Ankündigungen.

Vorbild Deutschland

Pikant: Ende Februar schaltete sich der Kanzler-Medienaufpasser Gerald Fleischmann in die Debatte ein. Er sah das deutsche Netzgesetz als Vorbild. Sigrid Maurer empörte sich damals und betonte, Fleischmann sei dafür nicht zuständig, sondern Justizministerin Zadic. Als Vorbild dient nun aber doch das deutsche Netzgesetz.

In diesem müssen Internetplattformen „offensichtliche“ rechtswidrige Postings innerhalb von 24 Stunden nach einer Meldung löschen. Halten sich die Plattformen nicht daran, kann das richtig teuer werden. In eine ähnliche Richtung soll das Kernstück der türkis-grünen „Hass im Netz“-Initiative gehen.

Gefahr Klarnamenpflicht

Innerhalb weniger Stunden sollen Internetplattformen verpflichtet werden, Postings vom Netz zu nehmen, sagte Edtstadler. Rund um eine mögliche Klarnamenpflicht zeigte sie sich gespalten. In der Pressekonferenz gab die Ministerin zunächst zu, die Identität von Nutzern erfahren zu wollen. Auf Nachfrage ruderte sie aber zurück: Gemeint sei die Nachverfolgung auf Plattformen und keine Klarnamenpflicht. „Wenn jemand Beschimpfungen absetzt, sollte er gezwungen sein anzugeben, wer er ist”, so die Ministerin.

„Das Netzdurchsuchungsgesetz ist für Österreich nicht das Vorbild. Hier in Österreich arbeitet Justizministerin Alma Zadic mit Expert*innen an einem Gesamtpaket zu Hass im Netz“,

sagte Sigi Maurer im Februar. Nun kommt wohl ein Paket, das sich sehr stark an Deutschland orientiert. Auch Edtstadler dürfte einiges mitzureden haben.

Die Gefahr, dass private Internet-Großkonzerne selbstständig entscheiden, was gelöscht wird und was nicht, bleibt. Facebook und Co. betreiben ohnehin bereits jetzt eine massive Löschung, doch wenn für nicht gelöschte Postings Strafen drohen, könnten sie noch restriktiver werden.

Alles offen?

Katharina Kucharowits (SPÖ) begrüßt jetzt den Fortschritt innerhalb der Regierung – kritisierte aber im Februar genau das:

„Die ÖVP will die politische Verantwortung abgeben und die Kontrolle den Großkonzernen wie Facebook, Google und Co. überlassen. Aber die Entscheidung, ob etwas verboten oder erlaubt ist, muss eine staatliche Stelle treffen und nicht ein privater Online-Monopolist.“

Kucharowits äußerte damals scharfe Kritik an Facebook und dessen Algorithmen.

“Wir haben immer vermutet, dass Konzerne viel mehr Möglichkeiten haben, Hass im Netz effizient zu bekämpfen. Aber dass dieses Bemühen von Facebook-Chef Zuckerberg aktiv torpediert wurde, ist ein Super-Gau und macht regelrecht sprachlos“,

kommentierte sie in einer Aussendung in Reaktion auf Facebook-Enthüllungen in der USA. Sie verlangt eine staatliche Regulierung des Internet-Giganten.

Bald soll die Gesetzesvorlage präsentiert werden – dann kann wirklich gesagt werden, was die Regierung plant. “Die Maßnahmen haben alle viel positives Potenzial, könnten aber auch enorm gefährlich für die Meinungsfreiheit werden”, sagt Iwona Laub von “Epicenter Works”. Mehr als Ankündigungen sind von Türkis-Grün noch nicht am Tisch. Es wird sich zeigen, ob Fleischmann und Edtstadler, oder Zadic und Maurer federführend waren.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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