Donnerstag, April 25, 2024

Serbien kommt nicht zur Ruhe – Demos im ganzen Land

Demos im ganzen Land

Erneut drangen serbische Demonstranten ins Belgrader Parlament ein. Am Wochenende wurden die Proteste aber ruhiger und friedlicher. Vucic steht unter Druck, in Niš verweigern Teile der Polizei bereits Befehle. Auch in Wien kam es gestern zu Protesten – mit Unterstützung vom Team Strache.

Belgrad/Wien, 13. Juli 2020 | Auch am Samstag und am Sonntag gingen wieder zahlreich Menschen auf die Straßen Serbiens, um gegen das Versagen der Vucic-Regierung zu demonstrieren. „Nieder mit der Diktatur“, hört man häufig als Sprechchor.

Sturm aufs Parlament am Freitag

Am Freitag kam es zu wilden Szenen vor dem serbischen Parlament in Belgrad. Erneut drang eine Gruppe Demonstranten ins Parlament ein. Reporter, die nahe an den Geschehnissen dran waren, wurden von den Demonstranten vertrieben. Wieder gab es Spekulationen um rechtsextreme Provokateure, da die Polizei erst sehr spät einschritt.

Die Besetzer wollten die große Masse vor dem Parlament animieren, ebenfalls in das Gebäude einzudringen, die blieb aber friedlich vor dem Parlament stehen. Später löste die Polizei die Besetzung auf.

Polizei und Militär nicht mehr geschlossen hinter Vucic

Am Samstag und am Sonntag blieben insgesamt größere Konfrontationen zwischen Demonstranten und Polizei aus.

„Die Proteste wurden ruhiger und friedlicher, allerdings hat auch der Zulauf abgenommen. Jedoch haben sie sich dafür im ganzen Land verteilt, nicht mehr nur in Belgrad“,

sagt Lazar N. (Name geändert, Anm.) von der Aktivistengruppe „Protivdiktature Beč“.

Bemerkenswertes geschah in Niš, der drittgrößten Stadt Serbiens: Teile der Polizei verweigerten den Befehl, die Demonstranten mittels Gewalt zu zerstreuen. Aufgrund der heftigen Polizeigewalt gegen die Demonstranten in den ersten Tagen der Aufstände – zackzack berichtete – kam es zu einer Demo vor der Polizeistation in der Stadt. Anstatt die Demonstranten zu zerstreuen, zog man sich in die Station zurück und nahm die Helme ab. In den sozialen Netzwerken wird der Polizeikommandant mit den Worten, „ich kann meine Leute nicht schlagen“ zitiert.

Auch das Militär, mit dem die Vucic-Regierung den Demonstranten drohte, widersetzt sich mittlerweile möglichen Interventionen. Eine Fallschirmspringer-Brigade weigerte sich gegen Befehle, in Niš mobilisiert zu werden.

“Das Volk ist Teil der Armee und die Armee ist Teil des Volkes, und wird nicht dazu dienen, den politischen Willen eines Menschen zu vertreiben. Ich fordere noch einmal alle Mitglieder der serbischen Armee auf, einen solchen Befehl abzulehnen, wenn sie den Befehl erhalten, an der Auflösung von Demonstrationen teilzunehmen“,

wird Dejan Pavlović, Präsident der Militär-Gewerkschaft, zitiert. Weiter sagt er:

„Die Verfassung Serbiens besagt, dass die Armee dazu dient, dem Staat vor einem externen Feind zu verteidigen.“

Präsident Vucic unter Druck, gibt Parteiführung ab

Ähnliches bestätigt der Aktivist Lazar N. gegenüber zackzack:

„Es scheint, als hätte die Vucic-Regierung kapiert, dass sie nicht alles mit den Menschen tun kann. Es könnte also jederzeit wieder eskalieren, wenn Vucic unpopuläre Entscheidungen verordnet und die Schuld auf die Menschen schiebt.“

Vucic dagegen kündigte an, die Parteiführung der SNS abzugeben. Das hätte laut Verfassung eigentlich schon 2017 geschehen sollen, als er Präsident geworden war. Auch im April 2019 kündigte er den Schritt bereits an, doch er ist noch immer Chef der SNS.

Laut Medienberichten wurden seit letztem Dienstag landesweit etwa 270 Demonstranten festgenommen. Nicht alle davon dürften sich an den Ausschreitungen beteiligt haben. So sei am Samstagabend ein 23-jähriger Student festgenommen worden, der vor einem Polizeikordon nur ein Pappschild mit der Aufschrift “Stoppt Gewalt” hochgehalten haben soll. Er wurde am Tag darauf laut Medienberichten mit 30 Tagen Haft belegt.

Die Belgrader behördenkritische Gruppe “Bürgerlicher Widerstand” hat für Montagnachmittag eine Protestkundgebung vor dem städtischen Gefängnis einberufen, um die Freilassung der Festgenommenen zu verlangen. Eine genaue Zahl der bereits verurteilten Demonstranten ist nicht bekannt. Vucic behauptet dagegen, viele der Festgenommen seien „ausländische Staatsbürger“, womit er sein Narrativ weiterspinnt, das seit Beginn der Proteste von der Regierung erzählt wird: Ausländische Geheimdienste würden Serbien destabilisieren wollen.

Rechtsextreme Demo in Wien mit Unterstützung von Strache

Laut Polizeiangaben wurden seit Dienstag etwa 130 Polizisten verletzt. Über die verletzten Demonstranten gibt es keine Daten, dafür aber zahlreiche Fotos in sozialen Netzen.

Am Sonntag kam es auch zu ersten Protesten in Wien, wo an die 300.000 Bewohner aus Serbien leben. Die Internet-Aktivisten von „Serben gegen Rechts“ sowie die linke Gruppe „Protivdiktature Beč“ stellten sich gegen die Demo gegen Polizeigewalt in Serbien:

„Der Organisator ist ein kleiner Rapper aus Wien, er ist ein Mitglied der Fondacija Pokret Levijatan, Tierschützer, aber Rechtsextreme. Sie sind bekannt für ihre Hetze gegen Flüchtlinge und gegen Roma. Zudem war Peter Knezevic dort ein Sprecher, er ist Kandidat für das Team HC Strache (THC) für die Wienwahl im Herbst.“

Auch in Serbien bleiben die Demos divers. Sowohl von linker, als auch von rechter Seite steht Vucic unter Druck, ein Kampf um die Deutungshoheit ist entbrannt. Lazar N. zu zackzack:

„In Wien müssen wir uns das nicht antun, deshalb haben wir die Demo boykottiert. Aber in Serbien ist das aktuell nicht möglich“, sonst würde man Rechtsextremen die Straße überlassen.

(apa/ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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