Mittwoch, Dezember 4, 2024

Werner Kogler im ZIB2-Studio – Der ZackZack-Faktencheck

Der ZackZack-Faktencheck

Bemerkenswerte Aussagen lieferte Vizekanzler Werner Kogler im gestrigen ZIB2-Interview bei Lou Lorenz-Dittelbacher. ZackZack hat nachgehakt und einige Thesen unter die Lupe genommen. Ergebnis: etwas mehr Fakten würden dem Vizekanzler gut tun.

Wien, 13. Juli 2020 |

Aussage 1: „Die Maske hat einen besonderen Effekt: Die Verantwortung wird steigen, wenn alle Masken tragen. Sie wird dann verordnet, wenn sie wirklich gebraucht wird.“

Ein bemerkenswerter Satz von Werner Kogler. Er beruft sich dabei nicht auf wissenschaftliche Evidenz – und gibt keine medizinische Antwort auf die Frage, ob Masken sinnvoll sind oder nicht – sondern auf deren psychologische Wirkung. Auch wenn die Grundlage für den Mund-Nasen-Schutz seit Juni wirklich gegeben ist, sodass auch viele Experten die Sinnhaftigkeit der Maske herausstellen. Aber laut Kogler geht es vor allem darum, dass „die Verantwortung steigt, wenn alle Masken tragen.“

Ist die sogenannte Maskenpflicht also eigentlich eine psychologische Maßnahme, um den Menschen den Ausnahmezustand sichtbar zu machen, und damit weniger eine medizinisch fundierte? Genau das hat jedenfalls Clemens Auer, Sonderbeauftragter für Gesundheit im Anschober-Ministerium, letzte Woche in einer Talkshow bei „Servus TV“ in den Raum gestellt:

“Die dünne Evidenz spricht für die Masken”, so Auer. Die Masken…

„…sind ein Mittel der Psychologie der Aufmerksamkeit.“

Deshalb findet er die aktuellen Maßnahmen in Oberösterreich sinnvoll – obwohl es beispielsweise keine einzige bestätigte Ansteckung im Supermarkt gegeben hat.

Hier liegt Kogler also richtig. Doch nicht die medizinische Faktenlage scheint der Hauptgrund für die Maskenpflicht zu sein, vielmehr macht man den Ausnahmezustand sichtbar. Das jedenfalls ist das eigentliche Ziel, folgt man den Worten von Auer.

Aussage 2: „Wir sind mit Neuseeland die Besten. Gratulation ans andere Ende der Welt.“

Diesen Satz wird sich die österreichische Bevölkerung noch lange anhören müssen. Weil der britische „Economist“ Österreich auf Platz zwei des globalen Corona-Rankings gesetzt hat, gilt das für die türkis-grüne Regierung als unumstrittene Wahrheit. Auch wenn Rankings und nationalistische Wettrennen um die “Corona-Pokale” ohnehin zu hinterfragen sind – warum Österreich generell Platz zwei einnehmen sollte, ist äußerst fragwürdig.

Einige Faktoren (die auch in der berüchtigen “Economist”-Studie herangezogen werden)

Die Sterberate:

Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind in Österreich mehr Menschen am neuen Virus gestorben als in Russland. Weitere Länder, in denen pro Million Einwohner weniger Menschen an Corona gestorben sind: Saudi-Arabien, Irak, Ungarn, Guatemala, Türkei, Finnland, Slowenien, Polen, Bulgarien, Tschechien, Griechenland. In nur 40 Ländern starben mehr Menschen an oder mit Covid-19 als in Österreich, in fast 200 Länder starben weniger Menschen.

Die Tests:

Bei den Tests pro Million Einwohner liegt Österreich auf Platz 41. So testen sogar die angeblichen „Corona-Problemschüler“ Spanien oder Großbritannien weit mehr als Österreich. Sind in Österreich knapp 77.000 Tests pro Million Einwohner durchgeführt worden, so sind es in Großbritannien fast 177.000 Tests.

Dass Österreich den nackten Zahlen zufolge weit schlechter dasteht, als der nun angebliche „Corona-Hotspot“ Westbalkan, zeigt auch die zackzack-Grafik. Einziger Unterschied: Österreich hat ein weit besser finanziertes Gesundheitssystem als die Länder am Balkan – und stieß auch deshalb zu keinem Zeitpunkt an seine Kapazitätsgrenzen, anders als Staaten in Südeuropa, deren Spitäler auch von einer heftigen Grippewelle überfordert wären.

Österreich liegt also eher im Mittelfeld. Die “Economist”-Studie beurteilte zudem nur 21 Staaten. Die Welt besteht aus rund 200 Staaten mehr, die ebenfalls mit Corona konfrontiert sind. Man bezieht sich in der Studie allein auf die OECD, also die internationale Organisation der demokratischen und marktwirtschaftlich orientierten Industriestaaten. Die OECD hat allerdings nicht 21, sondern 37 Mitgliedsländer, sodass die Grundlage der Studie auch deshalb zweifelhaft ist. Global ist das Ausmaß der “Economist”-Bewertung allerdings auf keinen Fall.

Trotzdem wird der österreichischen Bevölkerung das Märchen vom „zweiten Platz“ im Corona-Ranking erzählt, zumindest suggeriert Kogler einen weltweiten Spitzenplatz, obwohl er die Studie, auf die er sich wohl bezieht, nicht explizit als Grundlage nennt.

Aussage 3: „Für Herbst geht es um die Verlängerung der Kurzarbeit. Sowohl Kosten der Arbeit, als auch die Arbeitszeit in Einklang bringen. Arbeitszeitverkürzung (wie sie die SPÖ in ihrem „Kraftpaket“ vorschlägt, Anm.) funktioniert nur bei den großen Betrieben, am Fließband.“

Diese Aussage ist für Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft für Privatangestellte GPA-djp, nicht “ersichtlich”:

“Der Großteil der Beschäftigten arbeitet in Unternehmen mit mehr als 4 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In kleineren Unternehmen ist es schwieriger, aber auch möglich”,

sagt sie gegenüber zackzack.

Barbara Teiber ist hinsichtlich Arbeitszeit “aber froh, dass die Regierung offensichtlich unser Modell kennt, sie sollte sich jetzt noch genauer damit auseinandersetzten”, sagt sie gegenüber zackzack. Aber “viele Menschen haben den Wunsch, weniger zu arbeiten, dass erfahren wir bei allen Erhebungen, die wir durchführen. Darauf hat auch der Herr Kogler ganz vergessen.”

Generell ist ihr unverständlich, wie vehement die Wirtschaft gegen das Modell Arbeitszeitverkürzung agitiert:

„Die Wirtschaft wehrt sich, auch wenn bei unserem Modell „90 für 80“, zusätzliche Kosten für den Arbeitgeber vom AMS übernommen werden würden. Trotzdem widersetzt sich der Herr Mahrer ganz vehement.“

Klar ist: Österreich braucht Lösungen, denn die Wirtschaftskrise trifft uns härter als von der Kurz-Regierung erzählt. Laut EU-Prognosen zum Wirtschaftsabschwung liegt Österreich im EU-Durchschnitt – wieder nichts mit “Platz zwei”, sollte Kogler die ökonomische Krisenperformance angesprochen haben. Oliver Picek vom Momentum-Institut und andere Ökonomen warnen allerdings generell vor Wettbewerben, da diese ökonomisch wenig Aussagekraft haben. Die Regierung bemüht sie aber trotzdem des Öfteren einer derartigen Ranglistenrhetorik.

Aussage 4: „Die Digitalisierungsfrage ist jetzt beschleunigt. Da kann man sagen: Gott sei Dank.“

Werner Kogler scheint kurzfristig auch die Rolle des Silicon-Valley-Lobbyisten übernommen zu haben. Während unzählige Klassenzimmer in Österreich noch immer mit dem Overheadprojektor arbeiten, fantasiert die türkis-grüne Regierung von Smartphone-Apps für alle Bürger, „am Rande der Demokratie“ und erweitert die Kompetenzbereiche der Polizei – während fast 40.000 Menschen möglicherweise rechtswidrig aufgrund der angeblichen Missachtung der Corona-Verordnungen von der Polizei bestraft wurden.

Am 10. Mai sagte der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt, noch immer ein Leitwolf der Digitalisierung, im amerikanischen TV:

„Die Monate der Quarantäne haben uns um zehn Jahre vorangebracht. Das Internet ist plötzlich nicht mehr nur eine Option. Es ist unabdingbar, damit wir Geschäfte machen und arbeiten können – und um zu leben.“

Kogler ist ebenso erfreut über den Digitalisierungsschub, wie Eric Schmidt – bemerkenswert. Aber für sich stehend und ohne konkrete Unterlegung ist die Aussage nicht viel wert.

Aussage 5: „Klimakrise bekämpfen wir sicher nicht mit der Absage einzelner Autorennen. 2/3 der Corona-Investitionen sind mit Klimaschutz verbunden.“

ZackZack versuchte bei Global 2000 nachzufragen, ob wirklich 2/3 der Investitionspakete mit Klimaschutz verbunden seien. Leider war niemand für eine Stellungnahme verfügbar. Einige der Punkte, die Global 2000 bei ihrem Paket der „Klimaschutzmilliarde“ vorstellte, seien von der Regierung aufgegriffen worden, etwa bei Gebäudesanierungen. Allerdings kritisierte Global 2000 damals die kurzfristige Perspektive, die nur bis 2022 vorhanden sei. Bei der provisorischen Budgetverteilung wurden noch vor Corona dem Umweltressort um 54 Prozent weniger Mittel zugewiesen.

Auch die 1 Milliarde Euro, die der Republik durch die AUA-Rettung entgehen, ist wohl eher kein Teil des Klimaschutzprogramms. Was Kogler mit 2/3 der Investitionen meinte, ließ er offen.

„Es ist ungerecht, dass Fluglinien aus dem allgemeinen Steuertopf gerettet werden, aber vergleichsweise wenig dazu beitragen, ihn zu befüllen. Die Bundesregierung soll daher die im Februar begonnene Arbeit an einer öko-sozialen Steuerreform rasch wieder aufnehmen“,

sagte Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000, damals in einer Aussendung.

Die Formel 1 ist schon lange eine Spielwiese für Superreiche wie Dosen-Milliardär Didi Mateschitz oder Bernie Eccelstone (offizielles Vermögen 3,2 Milliarden) – Mensch und Umwelt wirken im Geschäft eher zweitrangig, sagen Sportexperten.

Pro Saison muss jedes Team für seine Angestellten etwa 7000 Flüge buchen, hinzu kommen in einem Jahr rund 10.000 Hotelübernachtungen – zehnttausende Flugmeilen gehen auf das Konto der Formel 1. Sie gilt als der teuerste Wanderzirkus der Welt, um wöchentlich dann viele Liter Benzin zu verbrennen. Dass der Klimakiller Formel 1 von der Regierung bagatellisiert wird, schwächt die ambitionierte Klimaaussage von Kogler merklich ab.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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