Sonntag, Dezember 8, 2024

Landeverbot-Irrsinn – Fokus auf Westbalkan, andere Risikoländer ausgenommen

Fokus auf Westbalkan, andere Risikoländer ausgenommen

Ab Donnerstag gilt ein erweitertes Landeverbot: jetzt sind es 18 Länder, aus denen kein Flieger bis auf weiteres in Österreich landen darf. Auffällig ist, dass die Länder des Westbalkan vertreten sind, jedoch andere, schwerer getroffene Risikoländer in der Liste fehlen.

Wien, 15. Juli 2020 | “Wir wollen, dass es zu keinem Risiko kommt”, hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zu den Landeverboten für mehrere Länder des Balkan gesagt, die am Donnerstag in Kraft treten. “Wir wollen die Kontrollen verstärken und Maßnahmen setzen”, sagte Anschober am Dienstag in Paris.

Ministerium: Verkehrsaufkommen entscheidend

Was überrascht: stark betroffene Länder wie Frankreich, Spanien oder Israel sind nicht auf der 18 Länder umfassenden Liste. Zackzack hat deshalb beim Gesundheitsministerium nach der Entscheidungsgrundlage gefragt. Für das Ministerium sind nicht etwa die Zahl der aktiven Fälle, Fälle pro Mio. Einwohner oder andere anerkannte Maßzahlen entscheidend. Eine Sprecherin von Minister Anschober stellt hingegen das Verkehrsaufkommen in den Mittelpunkt:

Wir haben insbesondere jene Länder auf die Liste der Landeverbote genommen, bei denen es ein intensives Verkehrsaufkommen gibt, um die Anzahl einreisender Personen aus Risikogebieten zu minimieren.“

Einige Cluster in Österreich seien laut Ministerium auf Reiseaktivitäten in oder aus der Region Westbalkan zurückzuführen.

Heute und morgen sechs Flüge aus „Seuchen“-Paris

Nach Informationen der Presseabteilung des Flughafen Wien sind keine über einen längeren Zeitraum geführte Auswertungen vorhanden. Das Ministerium muss diese also, etwa auf Basis der auf der Website der österreichischen Flughäfen verfügbaren Flugdaten, selbst erstellt haben.

Schaut man sich den heutigen Reisetag (Stand 14:20 Uhr, Anm.) auf der Website des Wiener Flughafens an, können zumindest keine Tendenzen eines viel größeren Reiseaufkommens betreffend Westbalkan im Vergleich zu anderen Risikoländern festgestellt werden: aus Madrid kommen drei, aus Paris heute und morgen jeweils ganze sechs Flüge an, aus Zürich sind es sogar sieben! Aus Sarajevo sind es vier, Belgrad verzeichnet nur zwei Ankünfte in Wien. Tel Aviv hat drei Ankünfte in Wien zu verbuchen. Israel steht wie Frankreich, Spanien und die Schweiz trotz hoher Zahlen nicht auf der Liste.

Bei den Abflügen ergibt sich ein leicht verändertes Bild, aber auch hier sind keine signifikanten Unterschiede erkennbar. Ob das Verhältnis zu anderen Risikoländern innerhalb eines längeren Zeitraums diametral anders ist, ist nicht bekannt. Bis Ende Juli sollten die Flüge aus den gelisteten Ländern gestrichen werden.

ÖVP spielt „Auslandsvirus“-Karte

Dass der Fokus auf den Ländern des Westbalkans liegt, hatte sich schon in den letzten Wochen abgezeichnet. Gerade Vertreter der ÖVP, darunter Bundeskanzler Sebastian Kurz, sprechen immer wieder davon, dass die neuen Anstiege in Österreich auf „eingeschleppte“ Infektionen aus dem nahen Ausland zurückzuführen sind.

Politiker der Opposition und Experten kritisieren diese Erzählung eines „Auslandsvirus“, wie es zuvor rund um das Ischgl-Versagen immer wieder die Tiroler Landesregierung versucht hatte („Das Virus kommt nicht aus Ischgl, das Virus kommt aus Wuhan“). So stellte SPÖ-Chefin Rendi-Wagner in der Zib 2 klar, dass Grenzschließungen nichts bringen würden, das Virus sei ja bereits im Land. Laut Gesundheitsministerium handle es sich bei den Landeverboten allerdings nicht um Grenzschließungen – auch wenn die Ein- und Ausreise dadurch de facto für viele massiv erschwert wird.

Neben Flugzeugen aus den Ländern des Westbalkan, gilt das Verbot auch für Flüge aus Bulgarien, Rumänien, der Republik Moldau sowie Ägypten, China, Russland, Schweden, Ukraine, Portugal, Iran, Großbritannien.

Landungen aus allen gelisteten Staaten bleiben in einigen Ausnahmekategorien möglich. Darunter fallen Flüge im Interesse der Republik, aber auch Landungen von Flugzeugen, die Frachten, Kranke, zu repatriierende Österreicher, Pflegepersonal oder Erntehelfer ins Land bringen.

Anmerkung: die jeweils beim Abrufen des Artikels vorhandenen Ankunftszahlen auf der Website des Wiener Flughafens variieren selbstverständlich je nach Streichung oder neu hinzugekommenen Flügen im Laufe der Zeit.

(wb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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