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Bedingungsloses Grundeinkommen – In diesen Städten kommt es

In diesen Städten kommt es

Eine Allianz aus 15 Städten in den USA, darunter die “Stadt der Engel”, steht am Beginn eines Probelaufs zur Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Twitter-Mitgründer Jack Dorsey spendet dafür drei Millionen Dollar. Das dürfte die Diskussion weltweit befeuern.

Wien, 16. Juli 2020 | Finnland, Kenia, Kanada – und jetzt auch die USA. In immer mehr Staaten werden Experimente mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) gewagt. In den USA gibt es nun den Startschuss für einen groß angelegten Testlauf in 15 Großstädten. Eine Allianz aus 15 Städten für ein bedingungsloses Grundeinkommen wurde von Michael Tubbs, dem 29-jährigen Bürgermeisterdes kalifornischen Stockton, initiiert.

In seiner Stadt läuft ein Pilotprojekt zum BGE schon seit eineinhalb Jahren, es hätte mit Ende Juli beendet werden sollen. Angesichts der Corona-Pandemie, die nicht nur in den USA viele Armutsbetroffene hart trifft, sah er es allerdings als „moralisches Imperativ“, das Projekt zu verlängern – nun läuft es bis Anfang 2021 weiter.

Neue Form der Armutsbekämpfung

Bereits vor Corona waren in den USA 43 Millionen Bürger von Armut betroffen. Angesichts der Covid-19-Pandemie werden die Armutsverhältnisse weltweit noch deutlicher sichtbar – und verschärfen sich. Die Allianz der 15 US-Städte mit insgesamt über sieben Millionen Einwohnern schreibt zu ihrem Vorhaben:

„Als Oberhäupter unserer Städte sehen wir aus erster Hand, wie Armut und ökonomische Unsicherheit unsere Nachbarschaften und Familien heimsuchen. Fast 40 Prozent der Amerikaner können sich keine 400$-Notfälle leisten.“

Robert Garcia, Bürgermeister der kalifornischen Stadt Long Beach, sieht in dem Probelauf einen großen Schritt: „Wir sind eine der 15 Pilotstädte und ich könnte nicht aufgeregter sein.“

Die Armutsforschung hat bereits vielfach belegt: Armutsbetroffen sind vor allem Frauen und Menschen mit dunkler Hautfarbe. Im Englischen ist auch gerne die Rede von „gender gap“ und „racial gap“. Die Initiative sieht im bedingungslosen Grundeinkommen die Antwort auf zunehmende Einkommensungleichheit.

Der Allianz schließen sich immer mehr Bürgermeister an: Ende Juni waren es noch elf, jetzt schon 15.

Twitter-Gründer spendet drei Millionen US-Dollar

Twitter-Mitgründer Jack Dorsey spendet für das Projekt der Allianz nun einen Teil seiner Wohltätigkeits-Milliarde: Drei Millionen Dollar sollen den Probelauf des Bedingungslosen Grundeinkommens unter anderem in Los Angeles, Seattle, Atlanta, Columbia und Pittsburg ermöglichen. Er hat hohe Erwartungen an das Projekt:

„Dies ist ein Instrument, um die Wohlstands- und Einkommenskluft zu schließen, systemische Ungleichheiten aufgrund von Rassismus und der Geschlechter zu verringern sowie wirtschaftliche Sicherheit für Familien zu schaffen“,

teilte der Tech-Enthusiast Dorsey auf Twitter mit. Ein weiterer Teil seiner Spende geht mit elf Millionen Dollar an die Hilfsorganisation Givedirectly, die Bargeld direkt weiter an arme Menschen gibt.

Wir wissen noch zu wenig

Beim Experiment in Finnland haben 2.000 Menschen zwei Jahre lang ein festes Einkommen erhalten – neben den sehr positiven Auswirkungen (die Bezieher des Grundeinkommens werden zufriedener mit ihrem Leben, weniger depressiv und haben mehr Vertrauen in ihre Mitmenschen, Red.) lässt das Expieriment auf Grund der zeitlichen Begrenzung allerdings keine Schlüsse zu nachhaltigen Auswirkungen zu. Wenn der Zeitraum des Grundeinkommens beschränkt ist, ist das Verhalten der Beziehenden womöglich auch anders als im Fall einer unbegrenzten Zahlung.

Pilotprojekte, wie jenes in den USA, unterstützen dabei insbesondere die Feldforschung zum Thema, das uns noch länger begleiten wird. Das Bedingungslose Grundeinkommen wird von vielen insbesondere hinsichtlich prognostiziertem ansteigenden Arbeitsplatzmangel durch künstliche Intelligenz als Vision eines besseren Lebens betrachtet.

Kritiker des BGE bringen oft die schwierige Finanzierung zur Sprache: Wesentlich höhere Lohnsteuern müssten her, um das bedingungslose Grundeinkommen zu finanzieren. Dass die Finanzierung allerdings nicht nur durch Lohnsteuern möglich ist, sieht auch Bürgermeister Tubbs: zur Finanzierung schweben ihm ein Teil der amerikanischen Militärausgaben oder Milliardärssteuern vor.

Bedingungsloses Grundeinkommen in Österreich

Weltweit und auch in Österreich gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Initiativen für ein BGE – allerdings sind sie am Willen der Politiker, aber auch an mangelnder Unterstützung von Seiten der Bevölkerung gescheitert. Erst im November vergangenen Jahres scheiterte ein Volksbegehren, das ein BGE von 1.200 Euro forderte. Dennoch ist die bedingungslose Geldleistung ein halbes Jahr später wieder heißes Thema: sowohl hierzulande, als auch weltweit. Bei der zackzack-Umfrage Ende April sprachen sich 88 Prozent unserer Leser für ein BGE aus:

Keine Mehrheit im Nationalrat

Im Nationalrat gibt es vorerst für das Grundeinkommen keine Mehrheit. Erst Ende April ergab eine Umfrage, dass keine der Parlamentsparteien sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausspricht: Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne lehnten ebenso wie FPÖ, SPÖ, NEOS und auch die DAÖ ein Bedingungsloses Grundeinkommen ab. Ein Ja kam dagegen von JETZT, KPÖ, WANDEL und BZÖ.

Kai Jan Krainer, SPÖ-Budgetsprecher, forderte im Nationalrat bisher am lautesten, über ein vorübergehendes BGE zu sprechen. Die Grünen wollen aufgrund der Corona-Krise die Mindestsicherung schneller und leichter zugänglich machen, NEOS schlagen ein „Bürger_innengeld“ vor, das zahlreiche Sozialleistungen in sich vereinen und nach sozialen Bedürfnissen ausbezahlt werden solle. ÖVP und FPÖ lehnen ein Grundeinkommen seit jeher ab.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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