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Zweiter Justiz-Tag im U-Ausschuss: Wurstsemmeln und türkise Attacken

Zweiter Justiz-Tag im U-Ausschuss

Der letzte U-Ausschuss-Tag vor dem Sommer hatte es in sich. Sprach man zunächst noch von Wurstsemmeln, zeigte der Oberstaatsanwalt der WKStA, dass doch nicht alles so gut schmeckt, wie SOKO oder Pilnacek es am Teller präsentieren. Die ÖVP attackierte die Behörde offen, Letztere sagt: Wäre uns das Schredder-Verfahren nicht weggenommen worden, hätte man weiter ermitteln können.

Thomas Oysmüller

Wien, 16. Juli 2020 | Am Morgen, als sich die Räume der Hofburg zum letzten U-Auschuss-Tag vor der Sommerpause gefüllt hatten, gab es ein großes Thema: Die Wurstsemmel – obwohl Krainer gar keine Wurstsemmel gegessen hatte, wie der SPÖ-Fraktionsführer auf zackzack-Nachfrage heute bestätigte. Pilnacek machte aus einer Käsesemmel eine Wurstsemmel – manchmal sind es Details, die den Unterschied machen. Als Jurist müsste man das wissen. Immerhin ist Ibiza auch nicht die Donauinsel.

Wurstsemmel doch nicht zentrales Thema

Ob Käse- oder Wurstsemmel, spätestens als die letzte Auskunftsperson vor dem Sommer, der Oberstaatsanwalt der WKStA, Gregor Adamovic, eine Bombe platzen ließ, wurde wirklich wieder darüber gesprochen, worum es geht: Türkis-blaue Korruptionsmomente.

Die WKStA ermittelt gegen beide Parteien der Ibiza-Koalition: „Man kann noch nicht abschließend sagen, ob es einen Novomatic-FPÖ-Deal gab oder einen Novomatic-ÖVP-Deal.“ Die „Ermittlungen gehen voran, sie sind sehr komplex und sehr umfangreich.“ Ein riesiges Mosaik sei plötzlich vor der WKStA gelegen, nach Ibiza, „und wir haben schon viele Stücke zusammengesetzt“, versicherte Adamovic.

Kein leichtes Leben als Korruptionsjäger in der türkisen Republik

Schon am Morgen, als noch alle von Wurstsemmeln sprachen, rückte ÖVP-Fraktionsführer Gerstl mit einer Attacke gegen die WKStA aus. Er wollte die WKStA „besser kontrolliert“ sehen, sagte er gegenüber der Presse vor der ersten Befragung. Es sind wohl solche Attacken, die Adamovic in seiner einleitenden Erklärung meinte, als er sagte, dass seine Behörde „immer wieder politischen Angriffen ausgesetzt“ sei.

Man ermittelt eben, so die Botschaft, gegen die Mächtigen mit viel Geld und Einfluss, wo die echte Korruption läuft, dort wo man lieber Champagner trinkt und Kaviar isst, als proletarisch Wurstsemmeln zu „mampfen“.

„Aber wir halten das aus. Die WKStA muss nicht everybody’s darling sein“, sagte Adamovic abschließend bei seiner Vorstellung, „Wir lassen uns nicht beirren, wir lassen uns nicht davon abbringen, wozu wir gesetzlich verpflichtet sind, das ist schlicht und einfach, den Sachverhalt objektiv gründlich und sachlich aufzuklären“,

auch wenn es gegen Verbrechen von Milliardäre, Banken oder (Ex-)Regierungspolitiker geht.

Das „Darling“ der ÖVP ist die WKStA offensichtlich nicht. Der Ausschuss kam in Aufregung, als Adamovic in einer Befragung von FPÖ-Hafenecker plötzlich ein Dokument mit ÖVP-Wasserzeichen hochhielt. Das sei am 6. Juli auf seinem Schreibtisch gelandet. Die ÖVP intervenierte sofort: Das muss aus dem Ausschuss herausgespielt worden sein. Aber Adamovic widersprach entschieden: „Das Dokument kam digital, per USB-Stick, die Datei ist datiert vom Februar.“ Noch brisanter: Den SOKO-Bericht, den die ÖVP laut einem anonymen Schreiben an Journalisten weitergab, hatte die WKStA bis dahin gar nicht. Darin wird sie massiv attackiert. Die ganze Geschichte lesen sie hier.

Andere Wahrnehmungen

Nachdem der Chef der SOKO, Andreas Holzer, der mächtigste Justizbeamte der Republik, Christian Pilnacek und der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, schon befragt worden waren, kam am Vormittag die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien. Sie ist zuständig für die Ermittlungen gegen die „Hintermänner“ des Videos, „bei uns ist der Herr Strache Opfer“, brachte sie es während der Befragung auf den Punkt.

Die Hintermänner waren weniger Thema in der Befragung von Nittel, interessiert war man an der Schredderaffäre. Da wurde bekannt, dass eine ermittelnde Behörde das Kanzleramt wäre – vielleicht nur ein Freud’scher Versprecher. „Die Ermittlungsergebnisse das Kanzleramt haben den Verdacht entkräftet“ sagte Nittel und damit wurde das Verfahren eingestellt. Die WKStA habe das Verfahren dann abgegeben, die geheime Schredder-Weisung – von zackzack aufgedeckt – findet sie nicht seltsam. Damit reihte sie sich ein in die Linie Holzer-Pilnacek-Fuchs: Alles supersauber, Aufregung, gar die Aufregung ums Schreddern, sei völlig unbegründet. Und überhaupt: Wurstsemmeln mampfen ist respektlos.

Schredder-Gate

Erst Gregor Adamovic widersprach manchen Aussagen grundsätzlich: „In enger Abstimmung mit der WKStA“ sei die „freiwillige Nachschau“ in der ÖVP-Zentrale durchgeführt worden, so die SOKO. Dem war offenbar nicht so.

Erst im Polizeibericht erfuhr die WKStA, dass der Schredderman auch einen Laptop gehabt hatte, den die SOKO mitnehmen hätte können. Er bestätigte auch die zackzack-Recherche. Weil die SOKO Handy und Laptop von Arno Melicharek nicht abgenommen hatte, ordnete man die Beschlagnahmung erneut an – dann kam die geheime Fuchs-Weisung, die WKStA verlor das Verfahren und kurze Zeit später wurde es eingestellt.

“Wir gingen davon aus, dass am Handy von Arno eine Dokumentation des Schredderns, des Auftrags zum Schreddern und eventuell auch der Festplatten selbst drauf ist“,

so der Korruptionsjäger.

Adamovic hätte auch selbst an der Nachschau teilgenommen, aber die SOKO sei so schnell gewesen, dass er nicht rechtzeitig nach Wien kommen konnte. Das der Ermittler R., ehemaliger ÖVP-Gemeinderat in Niederösterreich, der diese Nachschau durchgeführt und Strache die berühmte „Wünsche-Rücktritt-vom-Rücktritt-SMS“ geschickt hatte, so lange in der SOKO tätig war, störte die WKStA:

„Wir wollten, dass bei diesem brisanten Verfahren keine politisch aktiven Beamten tätig sind. Bei R. war das nicht gegeben. Bei der OStA haben wir leider nicht das Verständnis bekommen, das wir uns vielleicht gewünscht hätten. Auch Justizminister Jabloner sah keinen Grund für eine Befangenheit, auch nach Bericht von Innenminister Peschorn. Dann gab es eine Weisung, aber wenige Wochen später war sie dann hinfällig, als der SMS-Verkehr zwischen Strache und R. sichergestellt wurde“,

sagte Adamovic zum Ausschuss.

Ibiza „gate“ durch den Magen

Mächtige Widersprüche tun sich auf, zwischen den Kanzler-Attacken gegen die WKStA und deren Arbeit, zwischen der SOKO und den Korruptionsjägern. „Wenn mir das Schredder-Verfahren nicht entzogen worden wäre, hätte ich die Anordnung (Handy und Laptop von Arno Melicharek zu beschlagnahmen, Anm.) vermutlich nicht zurückgezogen.“ Dann wäre wohl auch Bern Pichlmayer, der Blümel-Kabinettschef, der den Auftrag an Melicharek gegeben hatte, einvernommen worden.

Es knurrt der Magen, er dreht sich sogar um, bei dem Bild, das sich langsam erkennen lässt. Nur gut, dass Jan Krainer (SPÖ) via Social-Media-Ikone Doris Felber für die Beobachter Wurstsemmeln liefern ließ.

Um den Magen zu beruhigen, denn nicht für alle wird es im Sommer Vodka, Sushi und Ibiza heißen. Eher wird man auf der Donauinsel, bei Dosenbier, Cevapcici mampfen. Da kann auch weit weniger passieren als bei Vodka-Bull in einer Ibiza-Villa.

 

Titelbild: APA Picturedesk

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