Donnerstag, März 28, 2024

ÖVP-Karas vs. ÖVP – Kampf um Europa

Kampf um Europa

Hart wurde verhandelt, noch härter wurde inszeniert und um die Erzählung gerungen: der EU-Deal ist durch. Doch der schmeckt nicht jedem. Das EU-Parlament ist unzufrieden, Parlaments-Vize Othmar Karas kritisiert indirekt seine eigene Partei – mal wieder.

Update (APA) am 24.07. um 12:24 Uhr: Mit Ausnahme von Othmar Karas haben alle ÖVP-Europaabgeordneten gegen die Resolution des Europaparlaments gestimmt, die Nachverhandlungen zum EU-Finanzdeal fordert. Das geht aus dem Protokoll der Abstimmung hervor. Die sechs ÖVP-Mandatare stellten sich damit gegen die überwältigende Mehrheit der Europäischen Volkspartei (EVP), die die Resolution unterstützte.

Brüssel/Wien, 24. Juli 2020 | Das EU-Parlament hat die Ergebnisse des Sondergipfels zum EU-Budget und zum Corona-Aufbaufonds als nicht ausreichend kritisiert. Er freue sich über die Einigung, nicht aber über den Deal, so Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Fraktion Europäische Volkspartei, am Donnerstag im Plenum in Brüssel. Die EU-Mandatare wollten in der Sondersitzung eine Resolution mit ihren Verhandlungsleitlinien beschließen. Das taten sie mit einer klaren Mehrheit: ie Resolution wurde mit 465 zu 150 Stimmen bei 67 Enthaltungen angenommen.

„Nicht bereit, bittere Pille zu schlucken“

Der vom Europäischen Rat beschlossene mehrjährige Finanzrahmen sei keine vernünftige Antwort auf die Herausforderungen der kommenden sieben Jahre, erklärte der CSU-Politiker. An EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) gewandt sagte er:

“Wir sind derzeit nicht bereit, diese bittere Pille zu schlucken.”

Von der Leyen hatte zuvor selbst das “schmale” geplante EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 eine “bittere Pille” genannt, für das der Europäische Rat 1.074 Milliarden Euro als Ausgabenobergrenze vorsieht. Die EU-Kommission hält 1,1 Billionen Euro für notwendig, um die Coronakrise zu bewältigen.

Karas gegen eigene Partei

Das EU-Parlament musste dem Wiederaufbaupaket zustimmen, um dessen Umsetzung zu ermöglichen. Die Resolution war mit 465 zu 150 Stimmen bei 67 Enthaltungen angenommen worden. ÖVP-Mandatar und Parlamentsvizepräsident Othmar Karas ist enttäuscht:

“Wir sind den Menschen, dem Miteinander und der Zukunft verantwortlich und nicht den Parteistrategien und nicht dem Rechtspopulismus und dem Nationalpopulismus, der leider in unseren Mitgliedsstaaten wächst”,

unterstrich Karas in seinem Redebeitrag. Re-Nationalisierung, “Mangel an Zukunftsverantwortung” und die “Fülle an Absichtserklärungen” dürfe das Europaparlament nicht hinnehmen, sondern müsse das Ergebnis verbessern. Der EU-Vizeparlamentspräsident forderte unter anderem die Rücknahme aller Kürzungen auf Kosten der gemeinsamen Ziele der EU und das Ende des Einstimmigkeitsprinzips, “damit die europäische Demokratie stärker wird”.

Damit dürfte Karas auch seine eigene Partei meinen: die ÖVP und insbesondere Bundeskanzler Kurz hatten Kürzungen bei Klima, Digitalisierung und Forschung mit unterschiedlichen Prioritäten der Verhandler gerechtfertigt, obwohl der Kanzler im Vorfeld betont hatte, Bewegung in gerade diesen Bereichen als Voraussetzung zur Zustimmung des Deals zu sehen. Für das Gegeneinander-Ausspielen von nationalen und europäischen Interessen sowie das von Macron skizzierte Verhalten von Kurz wurde der Kanzler von Opposition, EU-Experten und internationalen Medien scharf kritisiert.

Es ist nicht das erste Mal, dass Karas den Europakurs seiner eigenen Partei kritisiert, wie zackzack berichtete.

EU-Ratspräsident gelobt

Die EU-Abgeordneten lobten in der Debatte mit von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel, die Entscheidung, sich für das Corona-Konjunkturpaket erstmals in der Geschichte der EU gemeinsam zu verschulden. 750 Milliarden Euro sollen für den “Next Generation EU” genannten Aufbaufonds auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden.

“Wir sind in tiefer Sorge, was unsere internationale Verantwortung betrifft”,

ergänzte der Sozialdemokrat Udo Bullmann. Der Wiederaufbauplan liefere nichts für humanitäre Hilfe, der mittelfristige Finanzrahmen sei “zusammengekürzt, wo es um die entwicklungspolitische Zusammenarbeit geht”. “Solidarität droht zu leiden, insbesondere in einer Zeit, wo unsere Partner sie ganz besonders benötigen”, warnte Bullmann.

Die Abstimmung des EU-Parlaments über das Gipfelergebnis soll voraussichtlich bei der nächsten regulären Plenarsitzung im September stattfinden. Am Donnerstag wollten sich die EU-Abgeordneten in einer Resolution zu den Gipfel-Entschließungen positionieren. Das EU-Parlament betont darin “seine Bereitschaft für “schnelle und konstruktive Verhandlungen”, “Freibrief gibt es aber keinen”, kommentierte der SPÖ-EU-Abgeordnete Andreas Schieder in einer Aussendung die zentralen Inhalte. Für Schieder müssen die EU-Staaten in den drei Bereichen Zukunftsinvestitionen, Rechtsstaatlichkeit und EU-Eigenmittel nachbessern.

“Wir sagen der Welt: Europa ist präsent, Europa ist gefestigt, Europa ist hier”, stellte Michel die Einigung auch in einen geopolitischen Kontext. Die in weniger als zwei Monaten ausgehandelte europäische Reaktion auf die Gesundheitskrise sei umfassender als die der USA oder Chinas, lobte er.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bedauerte die “schmerzhaften Einschnitte” im Vergleich zu dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen EU-Budget, unter anderem bei Gesundheits- und Forschungsprogrammen. Der Wert von EU-Programmen übersteige die Kosten, erinnerte die Chefin der EU-Behörde in Brüssel.

(wb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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