Mittwoch, April 24, 2024

Barcelona geht Immobilienhaien an den Kragen: Vermieten oder um 50 Prozent des Marktwerts an Stadt verkaufen

Barcelona geht Immobilienhaien an den Kragen

Wie leiste ich mir meine Miete? In immer mehr Städten gehört diese Frage zum Alltag vieler Einwohner, denn die Mietpreise steigen, gleichzeitig oft auch der Leerstand: Leerstehende Immobilien dienen Immobilienhaien als Spekulationsgut. Barcelona, dessen Einwohner besonders unter den steigenden Wohnungspreisen auf Grund von Tourismus und Angeboten wie Airbnb leiden, geht jetzt hart gegen den Leerstand vor.

Wien, 01. August 2020 | Diese Woche verschickte die Stadtverwaltung Briefe an insgesamt 14 Unternehmen, die in Summe 194 leerstehende Wohnungen besitzen, wie das „Moment“-Magazin berichtete. Die Firmen wurden aufgefordert, den Leerstand im kommenden Monat zu vermieten. Andernfalls würde die Stadt Schritte einleiten und sich die Immobilien aneignen.

In einem solchen Fall würden die Unternehmen nur die Hälfte des Marktwerts erhalten. Die Wohnungen sollen durch die Stadt dann an Menschen mit niedrigem Einkommen vermietet werden.

Seit 2016 hat Barcelona Airbnb & Co den Kampf angesagt

Ada Colau ist seit 2015 Bürgermeisterin Barcelonas – bereits vor ihrem Amtsantritt war sie als Aktivistin aktiv und gründete eine Initiative, die sich gegen Zwangsräumungen einsetzt. Als Stadtoberhaupt geht der Kampf gegen den Immobilienmarkt und die steigenden Mietpreise weiter.

Zunächst knöpfte sich Colau Online-Plattformen wie Airbnb und Homeaway vor. Diese Plattformen für Kurzzeitvermietungen an Touristen lassen den Wohnraum in der Stadt immer knapper werden: Mit akribischen Kontrollen und harten Strafen sowie einer strikten Regulierung ging Colau daher gegen die Plattformen vor und sorgte dafür, dass Barcelona als eine der ersten Städte weltweit Zugang zu allen Daten der annoncierten Wohnungen erhält. Für das Vermieten einer Wohnung über diverse Online-Plattformen machte Colau eine Lizenz zwingend. Die Plattformen wie Airbnb und Homeaway weigerten sich allerdings, Wohnungsanbieter ohne Lizenz aus ihrem Angebot zu streichen. Die Bürgermeisterin belegte die Plattformen zunächst je mit 30.000 Euro Strafe, Airbnb 2016 schließlich zusätzlich mit 600.000 Euro.

Bürgermeisterin geht Immo-Haien an den Kragen

Seit 2016 ist es möglich und legal, dass die Stadt sich Immobilien, die länger als zwei Jahre leer stehen, aneignen kann. Bevor sie an den Besitzer zurückgegeben werden müssen, sieht das Gesetz eine Vermietung von vier bis zehn Jahren vor. Seit Ende 2019 kann die Stadt die Immobilien jetzt sogar für 50 Prozent des Marktwertes kaufen. Außerdem können die Firmen mit Strafzahlungen zwischen 90.000 und 900.000 Euro belegt werden.

Zwischen 2014 und 2017 sind die Mieten in Barcelona um fast 30 Prozent gestiegen. Das macht den Stadtbewohnern insbesondere in Kombination mit hoher Arbeitslosigkeit, die vor allem Jugendliche und junge Menschen betrifft, zu schaffen.

Österreich: Auch hier steigen die Preise

Österreich und vor allem Wien gilt als Vorbild, wenn es um sozialen Wohnbau geht. Mehr als 60 Prozent der Wiener und Wienerinnen leben im geförderten Wohnbau. Dies sichert stablie und leistbare Konditionen. Leistbarer Wohnbau ist insbesondere der SPÖ Wien ein Anliegen – und bekommt auch dementsprechend viel Raum im Wahlprogramm für die heurige Wien-Wahl. Dennoch kennt die Frage „Wie leiste ich mir die Miete?“ jeder, der nicht in Eigentum lebt. Denn auch hierzulande steigen die Mieten – und das schneller als der Lohn. Seit 2007 sind die Mieten um über 50 Prozent gestiegen. Seit 2008 sind die Preise für Eigentumswohnungen um 60 Prozent gestiegen, im Vergleich dazu stieg die Inflation im selben Zeitraum nur um 17 Prozent.

Initiative gegen Leerstand

Zu Leerstand gibt es nur Schätzungen. Die Stadt Wien schätzt Leerstände auf auf 35.000, davon 10.000 längerfristige Leerstände über zweieinhalb Jahre. Auf der Webseite Leerstandsmelder werden leerstehende Wohnungen oder Häuser auf einer interaktiven Karte angezeigt – allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wer von Leerstand weiß, kann ihn hier eintragen lassen. Die Initiative dazu wird von der IG Kultur unterstützt, die dazu auf ihrer Webseite schreibt:

„Der Leerstandsmelder ist eine interaktive Karte, die der Unklarheit über Leerstand und der Intransparenz der politischen Verantwortlichen mit einer kollektiven Wissensproduktion antwortet.“

Die Kampagne versteht leerstehende Räume als städtische Ressourcen, die der Allgemeinheit als „Möglichkeitsräume“ zugänglich sein sollten, so die IG Kultur.

Arbeiterkammer: Wohnen muss leistbar sein

Auch und insbesondere die Arbeiterkammer setzt sich für leistbares Wohnen ein. Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer:

„Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Wohnen muss jeder. Die Mieterinnen und Mieter sowie die Wohnungssuchenden müssen endlich entlastet werden. Wohnen muss leistbar sein“.

Die Arbeiterkammer fordert daher mehr geförderten Wohnbau und Mietenregulierung. Sie hat ein fünf-Punkte-Programm für leistbares Wohnen erstellt, auch der Wohn-Experte Lukas Tockner der AK Wien ist überzeugt:

„Der Wohnungsmarkt braucht starke Regulierungen, damit unsere Städte ein Lebensraum für alle bleiben“.

2016 prüfte die Stadt Wien eine Leerstandsabgabe. Experten sehen in dieser Form der Abgabe eine Möglichkeit, die Eigentümer zum Vermieten zu bringen, wenn die Abgabe hoch genug ist. Grundsätzlich wäre eine solche Abgabe rechtlich möglich und zulässig, gekommen ist bisher allerdings noch nichts. Zuletzt wurde eine Leerstandsabgabe in Salzburg auf Anstoß der ÖVP geprüft.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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