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Aktenzeichen Corona-Hilfen – Gelder kommen nicht an, Experten aus Blümel-Ministerium kritisieren Agentur

Gelder kommen nicht an, Experten aus Blümel-Ministerium kritisieren Agentur

Die staatliche Corona-Finanzierungsagentur COFAG ist für Soforthilfen an Unternehmen zuständig. Eigentlich, denn die Gelder kommen oft nicht an. Die Opposition will seit Monaten einen Covid-Ausschuss. Betroffene sind entsetzt und selbst Ministeriums-Experten kritisieren das COFAG-Konstrukt. Derweil mischt schon wieder eine ÖVP-nahe Agentur mit.

Wien, 05. August 2020 | Die COFAG steht im Zwielicht: die versprochenen Corona-Hilfen kommen nicht bei den Unternehmen an, die Agentur selbst wirkt sehr intransparent. Seit Monaten wird von der Opposition ein Covid-Kontrollausschuss verlangt, um durch Medienöffentlichkeit und parlamentarische Kontrolle Transparenz bei den Milliardenhilfen zu schaffen. Doch Türkis-Grün weigert sich und favorisiert in Bezug auf die COFAG den unternehmensinternen Beirat, der allerdings der Geheimhaltung verpflichtet ist.

Opposition pocht auf Covid-Ausschuss

Jörg Leichtfried, stellvertretender SPÖ-Klubchef, sieht den COFAG-Beirat als ungeeignetes Gremium. Es brauche parlamentarische Kontrolle, denn der Beirat sei nach „Gutdünken der Regierung“ besetzt, im geforderten Covid-Ausschuss gebe es eine Besetzung nach politischen Kräfteverhältnissen.

Der Beirat dürfe, so Leichtfried gegenüber zackzack, zudem nur ab einer Summe von 25 Millionen Euro (bei Krediten und Garantien) bzw. von 800.000 Euro (bei Zuschüssen) tätig werden, ein Ausschuss dagegen „ab dem ersten Euro“. In einem solchen könnte weiters auch den Problemen beim Härtefallfonds nachgegangen werden.

„Die Regierungsparteien bewegen sich zu wenig, wir werden den Druck erhöhen, damit ein echter Kontroll- und Transparenzausschuss kommt, damit echte Kontrolle, die auch die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen erwarten, gewährleistet ist“,

betont Leichtfried auf zackzack-Anfrage.

COFAG ist „Blackbox“

Im Juni-Budgetbericht des Finanzministeriums gibt es keine genaueren Angaben zur Tätigkeit der COFAG, schäumen die NEOS. Der Bericht zeige, “dass genau gar nichts ersichtlich ist”, so die NEOS-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer. “Die für die Vergabe der Corona-Hilfen zuständige COFAG ist eine Blackbox, bei der vollkommen unklar ist, wohin die Gelder fließen”, so Doppelbauer in einer Aussendung am gestrigen Dienstag.

“Von oben schüttet die Regierung Milliarden in die COFAG-Blackbox, doch unten tröpfelt nur ein Bruchteil der ausbezahlten Hilfen raus. Was dazwischen passiert bleibt im Dunklen”,

kritisierte die NEOS-Politikerin. Man habe “keinerlei Information über das Vorgehen der COFAG”.

Kritik von Experten aus Blümels Ministerium selbst

Pikant ist vor allem, dass die „staatliche“ Agentur auf privatrechtlichen Beinen steht: die COFAG ist eine GmbH, deren Geschäftsleiter aus der Schmid-ÖBAG sowie dem Grünen Klub kommen. Die private GmbH bringt einige Probleme mit sich, zum Beispiel, dass für die „Fixkostenzuschüsse“ für ansuchende Unternehmen kein Rechtsanspruch bestehe, wie Experten aufzeigen. Peter Brandner und Heinrich Traumüller, beide im Finanzministerium tätig, attackieren in einem Papier die COFAG scharf:

„Unserer Einschätzung nach wirft die vorliegende Gestaltung der COFAG erhebliche rechtstaatliche, demokratiepolitische und ökonomische Probleme auf, die einer breiten politischen Diskussion sowie einer noch zu überarbeitenden juristischen und ökonomischen Lösung bedürfen.“

Auch die Zahnlosigkeit des Beirats wird von den Experten skizziert. So heißt es beim vorgesehenen Aufsichtsrat bzw. Beirat: „Allerdings hätte ein ‚Nein‘ des Beirats nur aufschiebende Wirkung. Nach 48 Stunden kann die Entscheidung von Geschäftsführung und Aufsichtsrat mit einer Begründung durchgezogen werden“.

Betroffene beschweren sich: „Bewilligter Erstantrag faktisch unmöglich“

Zackzack erkundigte sich bei einer gut vernetzten Betroffenen. Die Unternehmer S. und N. betonen gegenüber zackzack, dass beim Antragstellen für den Fixkostenzuschuss einige Probleme auftauchen. So gebe es etliche Richtlinien, die von einem Antrag generell abschrecken würden. Für die Eingabe in der auf „FinanzOnline“ bereitstehenden Maske habe man nur 30 Minuten Zeit.

Panikmodus entstehe auch dadurch, dass die zugelassenen Fixkosten händisch eingetragen werden müssen. Dabei komme es häufig zu Rundungsfehlern, die durch das System bedingt seien. „Das könnte auch einfach ein Algorithmus ausrechnen, dann könnte man auch die Zeit einhalten, ganz ohne Fehlermeldung“, so die Unternehmerin S.

Screenshot eines Selbstversuches auf dem Portal “FinanzOnline”.

Der Unternehmer N. ist mittlerweile verzweifelt: er hat Anfang Juni einen Antrag gestellt, dessen Beantwortung ihm im Zeitfenster von zehn Tagen zugesichert worden sein soll – doch nichts kommt. Im Juli hakt er nach, dann heißt es laut N.: “Es tut uns furchtbar leid, es kam zu Verzögerungen. Stellen Sie den Antrag bitte neu.” Warum neu stellen, fragt sich N. Auf Nachfrage erhält N. die Antwort, er hätte eigentlich klar deklarierte Lohnkosten im Feld “Sonstige Kosten” anführen sollen. Nachdem er dies getan und den Antrag neu gestellt habe, seien laut N. mittlerweile wieder zwei Wochen verstrichen, doch nichts ist zu sehen von einer Antwort oder Bewilligung. “Einen Ansprechpartner gibt es nicht”, so N.

Schon wieder ÖVP-nahe Agentur involviert

Warum ein Kriterium die Fixkosten aus dem Vorjahr sind, sei für S. indes nicht ersichtlich: „In vielen Fällen ist das einfach nicht relevant. Wenn sie beispielsweise 2019 übergesiedelt sind, sind die Fixkosten natürlich ganz anders als im Folgejahr.“ Bei unterschiedlichen Fixkosten melde sich dann eine „Multilevel Marketing Agentur“, die als Call Center firmiere und Fragen über die unterschiedlichen Angaben stelle. Antragstellern zufolge müsse man dann in einem Formular zusichern, Daten an dieses Unternehmen weiterzugeben.

Chef dieses Büros ist Günther H., ein ÖVP-Wirtschaftsbundmann. Zackzack berichtete im Juni: die Agentur selbst sagt, dass der Auftrag nicht ausgeschrieben wurde. Das sei rechtlich auch nicht nötig gewesen. Man habe die Agentur „eingeladen“, ein Angebot vorzulegen, dieses habe man dann angenommen.

Die Involvierung türkiser Agenturen bei der Abwicklung der Corona-Krisenpolitik ist eklatant. Zackzack berichtete exklusiv: im Zuge der gescheiterten „Testoffensive“ von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und der Wirtschaftskammer tummelt sich zumindest eine ÖVP-nahe Agentur, die für Abwicklung und Message Control im Hintergrund zuständig ist: die Agentur des türkisen ORF-Stiftungsrates Gregor Schütze. Im Maskengeschäft ist die ÖVP-Nähe beteiligter Unternehmen ebenfalls frappierend.

Weniger als 1 Prozent Soforthilfe ausgezahlt

Die COFAG zeigt sich bislang wenig spendabel: laut NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn seien noch nicht einmal ein Prozent der Corona-Soforthilfen geflossen. Auch beim Härtefallfonds stockt der „Koste es, was es wolle“-Motor, hier liegt die Quote bei weniger als einem Fünftel. „Das ist kein Hilfspaket. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Unternehmerinnen und Unternehmer“, so Schellhorn.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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