Donnerstag, April 25, 2024

Vertuscht, betrogen, kassiert? – Mattersburger Bankskandal zieht weite Kreise

Mattersburger Bankskandal zieht weite Kreise

Warum stürzte das Kartenhaus der Commerzialbank nicht früher zusammen? Gibt es nur Geschädigte oder gibt es auch Gewinner? Wer sein Geld kurz vor dem Platzen der Blasen noch verschieben konnte, ist ebenfalls unklar. Der Mattersburger Bankskandal wirft immer mehr Fragen auf.

Wien, 05. August 2020 | Als sich im Juni 2015 bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) und der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein geheimer Informant meldete, wusste keiner, dass sich seine Informationen fünf Jahre später als wahr herausstellen würden. Martin Pucher, der mutmaßliche Bank-Betrüger – es gilt die Unschuldsvermutung – und jahrzehntelange Mattersburg-Ikone, soll im großen Stil auf eigene Faust Kredite vergeben haben. Genau diese Verdachtsmomente scheinen sich zu erhärten, sie weiten sich sogar aus: Über 600 Millionen Euro fehlen in den Bilanzen der Commerzialbank.

Kriminalfall Commerzialbank

Pucher vergab dem Vernehmen nach Scheinkredite an Personen, die gar nichts davon wussten, und frisierte so die Bilanzen. Auch Guthaben bei anderen Banken sollen durch die Fälschung von Saldenbestätigungen erfunden worden sein. SPÖ-Landeshauptmann Doskozil nennt die Causa Commerzialbank deshalb einen „Kriminalfall”.

Aber warum war das Kartenhaus der Commerzialbank nicht schon 2015, durch den Hinweis des Informanten, zusammengestürzt? Die FMA ging den Vorwürfen nach und erstellte einen Prüfbericht für die WKStA. Darin erhärteten sich die Vorwürfe nicht. „Mangels Anfangsverdacht“ stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen dann im Jänner 2016 ein, berichtet das „Profil“. Hat die FMA nicht ordentlich hingesehen?

Ihr fiel zumindest etwas anders auf: Einem Kunden mit schwacher Bonität war ein Kredit gewährt worden, der offensichtlich ein Verlustgeschäft für die Bank darstellte, „ein Nachteil von 40.000 Euro“. Die FMA brachte das zur Anzeige, doch diese Ermittlung wurden von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt im Juni 2016 eingestellt.

“Kurier”-Ente

Sechs Monate hatte die Staatsanwaltschaft Eisenstadt Zeit für Ermittlungen. Was sie in dieser Zeit getan hat, weiß das „Profil“ nicht. Über 12 Jahre soll das dubiose Gebäude des Fußball-Zampanos aus Mattersburg gelaufen sein. Jetzt haben tausende Kunden ihr Geld verloren, die ÖVP beschuldigt lautstark die SPÖ auch auf Basis der vom „Kurier“ verbreiteten Falschinformationen.

Der „Kurier“ berichtete am Sonntag, dass das Regionalmanagement Burgenland (RMB) kurz vor der Schließung 1,2 Millionen Euro verschoben und damit in Sicherheit gebracht haben soll. Doskozil bezeichnete das in seiner Pressekonferenz am Montag als „Lüge“. Falsch war die „Kurier“-Darstellung jedenfalls in einem Punkt: zwar versuchte das RMB das Geld zu retten, doch die Überweisung ging nicht mehr durch. Man transferierte die 1,2 Millionen – anders als vom „Kurier“ dargestellt – nicht. Doskozil legitimiert das damit, dass die RMB Steuergeld retten wollte. Indes seien sieben andere Millionen, so der Landeshauptmann, noch kurz vor der Schließung der Bank verschoben worden. Dem solle man eher nachgehen.

Fette Boni für “türkise Aufsichtsräte”

Vorstand und Aufsichtsrat verdienten in den letzten Jahren an der Betrüger-Bank jedenfalls gut. Allein 2013 hätten sich Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates “nachweislich mehr als vier Millionen Euro gegönnt”, verlautbarte SPÖ-Klubobmann Robert Hergovich am Mittwoch in einer Aussendung.

Wofür das Geld geflossen sei, sei allerdings offen. Aus den Informationen lasse sich nicht exakt herleiten, wie sich diese “horrenden Geldsummen” aus dem Jahr 2013 zusammensetzen. Daher fordere er “die türkisen Protagonisten des Aufsichtsrats” auf, “offen zu legen, wofür und weshalb sie sich diese Millionen-Zuckerl zugeschanzt haben”, so der Klubobmann. Pikant: Der ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz ist auch Bezirksparteiobmann der ÖVP in Mattersburg.

Wer konnte Geld retten?

Die SPÖ verlangt seinen Rücktritt, die ÖVP verlangt die Telefonprotokolle von Doskozil. Doskozil stimmte dem Verlangen im gestrigen „Zib2“-Interview zu. Laut seiner Darstellung wurde er relativ spät über die Schließung informiert, zu dieser Zeit seien schon viele Gerüchte im Umlauf gewesen. Die ÖVP verdächtigt allerdings nur die SPÖ, einen Informationsvorsprung genutzt zu haben, sich selbst aber auf keinen Fall. Der Kriminalfall Commerzialbank hat jedenfalls mittlerweile mehrere Ebenen: Unklar ist, warum die Bank ihre Bilanzen fälschte und ob Pucher die „falschen Millionen“ selbst abhob. Sollten die Pleite-Geschäfte der Bank versteckt werden? Wer wusste neben Pucher schon länger Bescheid? Die wohl ebenso spannende Frage ist, wer in allerletzter Sekunde sein Vermögen aus der Commerzialbank rausholen und ob dies aufgrund eines Insidertipps geschehen konnte?

Einlagen bis 100.000 Euro dürften gerettet sein, kleine Sparer kommen wohl zum Teil zu ihrem Geld. Für Gemeinden und Unternehmen wird es aber eng. Hier müsse ein Sonderbudget des Landes von 50 Mio. Euro eingerichtet werden, sagte deshalb Norbert Hofer (FPÖ) am Mittwoch.

Rendi-Wagner stärkt Doskozil Rücken

“Es ist allen bewusst, dass die Commerzialbank Mattersburg, eine kleine Regionalbank im Burgenland, ein Kriminalfall ist, der Schaden angerichtet hat bei Kleinanlegern, bei Sparern. So was gehört so schnell wie möglich und lückenlos aufgeklärt”,

sagte Rendi-Wagner.

Bei allen Beteiligten brauche es nun Sachlichkeit in der Aufklärungsarbeit. Gefordert seien aber vor allem Gerichte, Staatsanwaltschaft und Behörden.

Ob es ein Fehler von Doskozil war, die Rücküberweisung der Einlagen des Regionalmanagement Burgenland zuerst zu leugnen, nur um den Versuch wenig später dann doch einzugestehen, wollte Rendi-Wagner nicht kommentieren: “Es geht jetzt nicht darum, mit einem erhobenen Zeigefinger irgendwas zu sagen.” Die Causa sei eine hochkomplexe, emotionale Situation, die das Burgenland erschüttert habe.

(ot/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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