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Belarus-Diktator setzt „Wahl“ durch – Kurz-Kuschelkurs gescheitert, Shutdown bei A1-Netz

Kurz-Kuschelkurs gescheitert, Shutdown bei A1-Netz

Diktator Lukaschenko hat sich einen 80%-Wahlsieg bescheinigen lassen, Proteste werden brutal niedergeschlagen. Derweil steht Kanzler Kurz in Kritik: der „Brückenbauer“-Kurs ist offensichtlich gescheitert. Österreich verfolgt wirtschaftliche Interessen in Europas letzter Diktatur. Dazu gehört auch A1 Telekom.

Update 10. August, 14:06 Uhr: ÖBAG verweist in Stellungnahme auf A1

Wien, 10. August 2020 | Die Fronten in Belarus verhärten sich nach der Wahl-Schande vom Sonntag immer mehr. Während sich Machthaber Alexander Lukaschenko mit kolportierten 80 Prozent einen Erdrutsch-Sieg bei den Wahlen bescheinigen lässt, schlagen die Sicherheitskräfte die Proteste brutal nieder. Die Rede ist von mindestens einem Toten und mehreren Verletzten.

In Minsk gingen am Sonntag knapp 100.000 Menschen auf die Straßen – und wurden teils brutal von Regime-Kräften niedergeknüppelt. Foto: APA Picturedesk.

Kontrahentin mit Wahlsieg?

Mehrere internationale Medien berichten von massiven Wahlmanipulationen. So sollen veröffentlichte Wahlzettel aus einigen Wahllokalen ein gänzlich anderes Bild zeichnen als Staatsmedien aus Minsk verlautbarten. Die Ergebnisse aus ausländischen Botschaften oder Teilbezirken der Hauptstadt Minsk bescheinigen der Kontrahentin Swetlana Tichanowskaja laut „BILD“ bis zu 90 Prozent.

Indes will die Opposition noch am Montag das „echte“ Wahlergebnis präsentieren. Bei den Auslands-Belarussen sollen Meinungsforschern zufolge nicht einmal fünf Prozent für Lukaschenko gestimmt haben. Der gibt sich siegessicher und sagt: “Alles unter Kontrolle”.

Sprecherin: Shutdown bei A1-Netz “außerhalb des Einflussbereichs”

Wie „futurezone.at“ berichtete, ist derweil das Internet in Belarus lahmgelegt worden. Auch der Mobilfunkanbieter A1 Belarus ist von einem Shutdown betroffen. Die Webseite war am Montagvormittag nicht erreichbar. Auf zackzack-Nachfrage erklärte eine Sprecherin von A1 Telekom, dass etwaige Vorkommnisse außerhalb des Einflussbereichs von A1 lägen. Als westlicher Anbieter werde man in Belarus geschätzt, ein Rückzug aus dem Geschäft in Minsk werde nicht geplant.

Die staatliche Beteiligungsgesellschaft ÖBAG verwies in ihrer Antwort wiederum auf A1 Telekom. Zackzack wollte auch von der ÖBAG wissen, ob es Rückzugspläne aus dem Belarus-Business gebe. Die ÖBAG, und damit die Republik Österreich, hält an der A1 28,42 Prozent Anteile am teilstaatlichen Mobilfunk-Konzern.

Kurz‘ Belarus-Politik „Selbstüberschätzung“

Doch nicht nur A1 Telekom ist groß im Geschäft in Europas letzter Diktatur: über 120 österreichische Unternehmen sind laut Bundeskanzler Kurz vor Ort vertreten. Der hatte sich im Zuge seiner Minsk-Reise Ende März 2019 als „Brückenbauer“ inszeniert.

Screenshot: Webseite von Sebastian Kurz.

Uni Innsbruck-Professor Gerhard Mangott bezeichnet diesen Kurs gegenüber zackzack als gescheitert.

„Die österreichische Belarus-Politik, parallel zur Russland-Strategie, kommt einer Selbstüberschätzung gleich“,

so Mangott im Gespräch mit zackzack.

Belarus sei im Vergleich zu Russland ein erheblich kleinerer und schwächerer Akteur. Der Dialog mit Lukaschenko habe nicht gefruchtet. Laut Mangott handle es sich ohnehin um einen Vorwand und ein „Mäntelchen über ökonomische Interessen Österreichs“.

Kurz und Lukaschenko bei einem Treffen im Rahmen der OSZE 2017. Zuletzt traf man sich 2019 in Minsk. Foto: APA Picturedesk.

Doch Kanzler Kurz ist nicht der einzige, der sich an dieser Dialogstrategie versucht hat. Noch im November 2019 empfing Bundespräsident Alexander Van der Bellen Diktator Alexander Lukaschenko in Wien.

Wie der „Standard“ damals berichtete, antwortete Lukaschenko auf eine kritische Journalistenfrage bezüglich des autoritären Führungsstils: „Sie haben völlig Recht. Unsere Staatsführung ist unterschiedlich“, so der Diktator, bevor er nachschob: „Bevor Sie Bewertungen abgeben, fahren Sie nach Weißrussland. Wir sind ein offenes Land.“

EU laut Experte im strategischen Dilemma

Experte Mangott sieht die Europäische Union in einem strategischen Dilemma. Eskalieren die Proteste, könnten gerade die Osteuropäer auf neue Sanktionen drängen. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat bereits eine Erklärung abgegeben: “Wir müssen mit den Belarussen solidarisch sein und sie in ihrem Streben nach Freiheit unterstützen“.

Während Putin Lukaschenko zum Wahlsieg gratulierte, forderte Polen einen EU-Sondergipfel. Aus dem Topf der Europäischen Nachbarschaftspolitik sind über die letzten sechs Jahre 170 Millionen Euro Richtung Minsk geflossen. Laut Mangott sei eine weitergehende Partnerschaft allerdings nahezu unmöglich, da allfällige Abkommen an EU-Kriterien betreffend Demokratie und Korruptionsbekämpfung geknüpft seien.

Schärfere Maßnahmen haben andererseits eigene Schattenseiten: verhänge die EU jetzt neuerliche Sanktionen gegen Belarus, treibe man das Land weiter in die Arme von Putin, so Gerhard Mangott. Eine Formel-Erklärung seitens der EU, in der man sich „besorgt“ zeige, sei zu erwarten. Laut „APA“ kritisiert die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, die Gewalt aufs „Allerschärfste“. EU-Ratspräsident Charles Michel sowie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerten sich ähnlich lautend. Von ÖVP, Bundeskanzler Kurz und Bundespräsident Van der Bellen gibt es zur Stunde noch keine Stellungnahme.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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