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AMS-Algorithmus gestürzt – Sprecher weist Kritik zurück

Sprecher weist Kritik zurück

Das AMS darf den umstrittenen Algorithmus zur Erfassung von Arbeitsmarktchancen nicht wie geplant am 1. Jänner 2021 einführen. Es fehlt die rechtliche Grundlage – und bei einem AMS-Sprecher das Gespür für Diskriminierung.

Wien, 21. August 2020 | Mit einer Petition gegen den AMS-Algorithmus hat die Datenschutzorganisation „epicenter.works“ gemeinsam mit Bündnispartnern Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) dazu aufgefordert, dem System endlich ein Ende zu bereiten – mit Erfolg. Eine amtswegige Prüfung des AMS-Algorithmus stellt fest: aufgrund fehlender Gesetzeslage und Transparenz wird er eingestellt. Auch Diskriminierungskritik gab es.

AMS-Sprecher sieht kein Diskriminierungsproblem

Das AMS zeigte sich gegenüber zackzack aber abgeklärt. Ein Sprecher erwähnte, dass man die Beschwerde der Datenschutzbehörde weiterhin prüfen werde. Man spreche sich mit den zuständigen Politikern ab. Der Diskriminierungs-Kritik des Systems könne er nichts abgewinnen:

“Der AMS-Algorithmus hat mit Diskriminierung nichts zu tun. Es wird lediglich festgestellt, wie die Realität aussieht und der Arbeitsmarkt ist nie diskriminierungsfrei. Das System schaut sich nur die Vergangenheit des Arbeitssuchenden an und ermittelt, wie die Zukunft aussehen wird”,

so der Sprecher des AMS. Eine Frau, zum Beispiel, habe aus seiner Sicht von vornherein schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als ein Mann – damit habe das AMS jedoch “nichts zu tun” und wolle sich von dieser Kritik klar distanzieren, erklärt der Sprecher gegenüber zackzack.

“Das AMS ist sich ihrer Verantwortung nicht bewusst”

Ben Wagner, Direktor des Labors für Datenschutz an der Wirtschaftsuniversität Wien, zeigt sich gegenüber den Aussagen des AMS sehr besorgt. Es sei nicht akzeptabel, dass sich das AMS einfach als “neutral” darstelle. Laut Wagner habe das AMS sein “eigenes Bild der Realität” und bestätigt dies einfach nur. Das stärke und schaffe wiederum ein hohes Maß an Diskriminierung.

“Das AMS übernimmt einfach ein bestehendes System und entzieht sich komplett der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Das System schafft ein automatisiertes Profiling, dass das Bild, was das AMS von der Realität hat, verstärkt. Es ist schlimm, dass erst jetzt etwas dagegen unternommen wird.”

An sämtlichen Universitäten haben zahlreiche Wissenschaftler seit Jahren zu dem System kritisch Stellung genommen, so Wagner. Es sei schon lange ein großes Problem, das AMS habe jedoch immer abgeblockt.

Hauptkritikpunkt automatisiertes Profiling

Wie „epicenter.works“ zackzack gegenüber betont, solle ein Computer nicht über die Zukunft eines Menschen entscheiden, ebenso nicht über den Zugang zu staatlichen Leistungen. Diese Entscheidungen müssten nachvollziehbar, transparent und mit menschlichem Maß getroffen werden.

“Selbst, wenn das System keine vollautomatischen Entscheidungen treffen sollte, darf es auch keine Entscheidungen vorgeben, die durch das AMS-Personal nur noch abgenickt werden”,

so eine Sprecherin von „epicenter.works“. Sie kritisiert zudem die Auswahl der personenbezogenen Informationen, woran die Entscheidung über den Arbeitssuchenden ausgemacht wird. Das seien Eigenschaften wie “Alter, Geschlecht, Wohnort, bisherige Karriere, Ausbildung, Staatsbürgerschaft“.

Petition der Datenschutzorganisation “epicenter.works”

Kategorisches Aussortieren?

Das System hätte Arbeitssuchende in die drei Kategorien „gute Chancen“, „mittlere Chancen“ und „schlechte Chancen“ eingeteilt.

Durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Katharina Kucharowitz wurde bestätigt, dass die Einteilung von Arbeitssuchenden in Kategorien keine gute Idee sei. Personen, die schwer vermittelbar sind, seien laut Arbeitsministerin Frauen, Personen über 50 Jahre und Menschen mit chronischen Krankheiten oder Behinderungen.

“Diese kommen in die letzte Kategorie und haben damit keine Chance, wieder aus der Arbeitslosigkeit beziehungsweise Sozialhilfe rauszukommen. Die 1,8 Millionen Euro, die der AMS-Algorithmus in der Entwicklung gekostet hat, wären in die Weiterführung von erfolgreichen Maßnahmen für arbeitslose Menschen viel besser investiert”,

zeigt sich SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch entsetzt.

Andreas Czák, Kampagnenleiter von „epicenter.works“ erklärt, warum der Algorithmus nicht nur ungerecht und diskriminierend ist, sondern auch intransparent: “Dieses System ist teuer, intransparent und es kann nicht funktionieren, da es auf zu starken Vereinfachungen beruht. Wer sich auf dieses System verlässt, macht einen schwerwiegenden Fehler und verbaut Menschen ihre Zukunft.”

Ursprünglich habe der Algorithmus 1,8 Millionen Euro gekostet. Aschbacher und das AMS konnten keine Auskunft darüber geben, wie teuer es tatsächlich war.

(jz)

Titelbild: APA Picturedesk

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