Samstag, April 13, 2024

Am Küniglberg nix Neues – Kurz lästert über U-Ausschuss und verharmlost Schredderaffäre

Kurz lästert über U-Ausschuss und verharmlost Schredderaffäre

Nicht einmal vier der knapp 52 Minuten Sommergespräch drehten sich um die türkis-blauen Skandale, die immerhin Stoff für mehrere Monate Untersuchungsausschuss bieten. Kurz nutzte die Gelegenheit zum Herunterspielen der Schredderaffäre, zur dubiosen Weisung rund um die Einstellung des Verfahrens wurde er gar nicht erst gefragt.

 

Wien, 01. September 2020 | Das letzte ORF-Sommergespräch mit Kanzler Sebastian Kurz war wenig erkenntnisliefernd, was innenpolitisch brennende Causen betrifft. Eva Linsinger vom „Profil“ und ORF-Politexperte Peter Filzmaier waren sich in der ZiB2 einig darüber, dass abseits der gut eintrainierten PR-Show oft die Substanz in der Regierungspolitik fehle.

Panik für Wien, Entwarnung für’s Land

Zu Corona gab es von Kurz im Sommergespräch viel Schwammiges, etwas Zuversicht und für Wien auch Panikmache: die „Corona-Ampel“ mache für ländliche Regionen mehr Sinn, für die Stadt könne sich der Kanzler eher einheitliche Maßnahmen vorstellen.

Einen Wien-Lockdown etwa, mitten im Wahlkampf? Eine Antwort darauf gab es nicht. Auch nicht für die Corona-Heldinnen: versprochen wurde ein Corona-Tausender, gekommen sind Steuererleichterungen, die einigen gar nicht zugutekommen. Die Vorwürfe gegenüber der Gewerkschaft, nur eine Gruppe im Blick gehabt zu haben, konterte die ÖGB dann auf Twitter mit einem Video-Statement:

Erst nach 34 Minuten Corona-Talk kam dann der Themenblock Postenschacher und türkis-blaue Affären auf. Es gebe kein besseres System, als Posten mit Vertrauten zu besetzen, so der Tenor der ÖVP seit dem Beginn des Ibiza-U-Ausschusses, den Kurz gestern Abend wiederholte. Botschaft: alles halb so wild, viel Aufregung um nichts. „Zeit für Neues“ sei der Slogan der Nationalratswahl 2017 gewesen, so Stribl zu Kurz, aber: betrifft das auch Postenvergabe?

„Irgendwer muss Entscheidungen treffen“

Kurz‘ Antwort war so trivial, wie erwartbar: „Ich hab‘ immer darauf geachtet, dass wenn ich Personalentscheidungen getroffen hab‘, dass es qualifizierte Personen sind. Aber ich halte es für falsch, wir nehmen Personen, wo es kein Vertrauensverhältnis gibt oder wo es kein Zutrauen gibt.“

Dass es beim U-Ausschuss nicht nur um „Vertrauen“, sondern um teils minutiös dokumentierte Ungeeignetheit und ein politisch fragwürdiges System der Vergabe unter Türkis-Blau geht, blieb den Zusehern verwehrt. Kurz fand an all dem nichts Anrüchiges, denn: Entscheidungen müssen halt gefällt werden.

„Was Personalentscheidungen betrifft, das ist eine Grundentscheidung der Regierung. Irgendwer muss diese Entscheidungen ja treffen.“

Damit nicht genug, konnte er sich auch noch bequem die Opferrolle umhängen – unterbrochen wurde er, so das überwiegende Urteil einiger Polit-Beobachter in den sozialen Medien, auffällig wenig.

Screenshot Twitter.

„Wogegen ich mich ein Stück weit verwehre ist, dass Personalentscheidungen, sobald sie von ÖVP oder FPÖ getroffen werden, immer als etwas Unredliches dargestellt werden.“ Kurz wollte dann sofort auf die Grünen überschwenken und die neuesten Asfinag-Postenbesetzungen als Beispiel für die Normalität egal welcher Art von Postenvergabe geben.

Untersuchungsausschuss heißt gar nix

Dass es aber für die Zeit von Türkis-Blau einen U-Ausschuss gebe, der die Vorgänge untersuchen soll, so Stribl, interessierte den Kanzler wenig. „Nur, weil es einen Untersuchungsausschuss gibt, heißt das ja noch nicht, dass etwas schlecht gelaufen ist.“

Simone Stribl hakte nach, aber nicht aufgrund der einschlägigen Belege des türkis-blauen Postenschachers, sondern mit „Kritik von der Opposition“. Kurz nutzte das als Steilvorlage, um seine Erzählung vom Ausschuss als Diskreditierungsmaschine der politischen Gegner prominent im TV unterzubringen. Dass er das so breit tun konnte, regte viele Twitter-User auf, die sich die Interviewführung deutlich kritischer erwartet hätten:

Screenshot Twitter.

Zu Noch-ÖBAG-Chef Thomas Schmid gab sich der Kanzler schmallippig. Sein Intimus Schmid wird als Beschuldigter in der Causa Casinos sowie wegen Drogendelikten geführt, es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Schreddermann, das Opfer

Es gebe, so Kurz, viele Vorwürfe, die im Raum stünden. Die politische Verantwortung interessiert ihn augenscheinlich wenig: Er sei für Aufklärung, auch von Gerichten, und schob damit die Verantwortung einmal mehr auf die Justiz. Er habe in letzter Zeit sooft erlebt, dass falsche Vorwürfe in den Raum gestellt werden. Simone Stribl lieferte dem Kanzler sogleich das passende Stichwort: „Die Schredderaffäre“.

Doch anstatt nachzuhaken und richtigzustellen, ließ die Moderatorin den Kanzler behaupten, es sei gegenüber Schreddermann Arno Melicharek alles eingestellt worden. Wie die Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur Schredderaffäre politisch abgedreht wurden und welche Rolle Kurz und Blümel in der Affäre spielten, können Sie hier nachlesen. Weder zu den Festplatten, noch zu den Schredder-Auftraggebern aus dem Kanzleramt gab es Nachfragen. Auch nicht zur dubiosen Weisung der Oberstaatsanwaltschaft, mit der die Ermittlungen der WKStA offensichtlich „derschlogn“ wurden, wie Akten belegen.

Am Ende blieb vom Auftritt nur eine Gelsenattacke auf den Kanzler – das war dann wohl die Wurstsemmel des Sommergesprächs.

(wb)

Titelbild: Screenshot ORF, Grafik: ZackZack.

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