NEOS wollen Verbot
Therapien zur „Umpolung“ von Homosexuellen, sogenannte „Konversionstherapien“, wurden erst kürzlich in Deutschland verboten. In Österreich gibt es noch immer kein Verbot. Die NEOS wollen die Debatte jetzt neu anfeuern.
Wien, 03. September 2020 | “Wir stoppen heute Homo-Heiler in Österreich“, freute sich Mario Lindner (SPÖ) vor einem Jahr vergeblich, als sein Entschließungsantrag einstimmig von allen Parteien im Nationalrat angenommen wurde. Gegenstand: ein Verbot für die Ausübung von sogenannten Konversionstherapien an Minderjährigen. Diese Therapien versuchen, Homosexuelle aufgrund fundamentalistischer Motive “umzupolen”. Doch zum Verbot sollte es nicht kommen.
Arbeitsgruppe und Anschober halten Gesetze für ausreichend
Die verantwortliche Arbeitsgruppe, die mit der Ausarbeitung eines Verbots beauftragt wurde, gab sich mit einem Info-Schreiben an Behörden, Kammern und Berufsverbände zufrieden. Darin erfolgte lediglich eine Darstellung der bestehenden Gesetzeslage. Demnach sei es bereits unzulässig, derartige Therapieformen an Minderjährigen durchzuführen. Es gebe bereits Konsequenzen, wenn jemand gegen seine Berufsverpflichtungen verstoße.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) schließt sich dieser Sichtweise in seiner Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage vom Mai an: die gesetzliche Lage sei ausreichend. Außerdem könne darin eine Menschenrechtsverletzung gesehen werden. Die “Intention des Nationalrats nach einem Verbot solcher Therapien” sieht Anschober mit dem Info-Schreiben “als erfüllt”. Brisant: in derselben Beantwortung stellt er klar, dass das Schreiben “nicht unmittelbar rechtsverbindliche Wirkung” habe.
Hardcore-Christen „therapieren“ verdeckt
Nach Einschätzung der Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) ist die aktuelle gesetzliche Lage alles andere als ausreichend. Denn für Laienprediger oder Seelsorger von sogenannten Freikirchen gelten die angeführten Berufsverbote nicht. Wie der “Standard” erst kürzlich berichtete, werden die Konversionstherapien zum Teil sogar versteckt in „Sommercamps“ für Kinder und Jugendliche durchgeführt.
Der Veranstalter: Freikirchen. Das passiert ohne Wissen der Eltern und deren Kinder, dass sie es mit Hardcore-Christen und anderen religiösen Fundamentalisten zu tun haben, für die Homosexualität etwas Sündhaftes oder gar eine Krankheit ist, die „geheilt“ werden kann.
NEOS wollen Schritte für Verbot setzen
Für Yannick Shetty, NEOS-Sprecher für Jugend, Integration, LGBTIQ und Sport, ist die bestehende Gesetzeslage inakzeptabel. Er versteht nicht, warum das Verbot, das mit dem Entschließungsantrag einstimmig beschlossen wurde, nicht einfach umgesetzt wurde:
“Mir reißt der Geduldsfaden: Es handelt sich um einen einstimmigen Beschluss, wir haben einen grünen Gesundheitsminister, der ohne Widerstand von ÖVP den Beschluss umsetzen könnte.”
Die Durchführung der Umpolungs-Therapien sei außerhalb therapeutisch-medizinischer Settings immer noch möglich. Bestehende Schadensersatzansprüche greifen erst im Nachhinein, nämlich dann, wenn es bereits zu spät ist. Die aktuelle gesetzliche Lage sei „kein ausreichendes Mittel, um Minderjährige vor potentiell massiv psychisch und physisch schädigenden Behandlungen zu schützen“, so Yannick Shetty.
Die NEOS wollen weitere Schritte auf parlamentarischer Ebene setzen.
Zadic-Ministerium prüft
Auf Regierungsebene scheint das Thema zumindest bei den Grünen nicht abgehakt. Erst letzte Woche soll es dazu ein Treffen gegeben haben, sagt Ewa Ernst-Dziedzic, stellvertretende Klubobfrau der Grünen und Sprecherin für Migration und LGBTI. Sie sieht wie Shetty klaren Handlungsbedarf:
“Homoheilung hat in Österreich nichts verloren.”
Man habe sich auf den Beschluss der Arbeitsgruppe zwar berufen,
“aber offenkundig braucht es hier Klarheit und eine explizite Regelung, um dem einen Riegel vorzuschieben. Das prüfen wir gerade.”
Ob die notwendige rechtliche Klarheit in Form eines Verbots oder einer anderen expliziten Regelung umgesetzt werden wird, werde derzeit vom Bundesministerium für Justiz geprüft.
Deutschland hat Anti-Homo-Therapien verboten
Deutschland hat die umstrittenen Praktiken kürzlich verboten. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht in dem Gesetz ein wichtiges “Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern”.
“Es ist ok, so wie du bist”: Die Webseite des deutschen Gesundheitsministeriums informiert über das Verbot.
Das deutsche Verbot zielt nicht nur auf Konversionsbehandlungen an Minderjährigen ab, sondern umfasst auch Volljährige, „deren Einwilligung auf einem Willensmangel (z.B. Zwang, Drohung, Täuschung, Irrtum) beruht, wenn z.B. der Behandler sie nicht über die Schädlichkeit der Behandlung aufklärt.“
Darüber hinaus steht das Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen unter Strafe.
(lb)
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