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Wahlkampfauftakt der SPÖ: Bloß nicht zu früh freuen

Die Roten starten am Dienstag offiziell in den Wahlkampf. Derweil fragt sich manch einer: war’s das schon? Dass die SPÖ Wien bei 40 Prozent steht, ist vor allem für sie selbst gefährlich. Deshalb will man die Wähler noch einmal mobilisieren.

 

Benjamin Weiser

Wien, 06. September 2020 | So pompös wie 2015 wird’s diesmal nicht: keine 2.500 Leute in der Messe Wien, die frenetisch dem Kandidaten Häupl zujubeln, um Strache als Bürgermeister zu verhindern. Corona-bedingt dürften lediglich etwas mehr als 50 Gäste, vorwiegend Journalisten, in der neuen „Libelle“ über dem Museumsquartier lauschen, was Bürgermeister Michael Ludwig so vorhat.

Projekt 40+

Das Hauptziel ist klar: die Roten wollen das Rathaus verteidigen. Dass das Stand jetzt äußerst wahrscheinlich ist, zeigt die letzte Umfrage für „oe24“. Hier liegt die SPÖ bei 40 Prozent, also exakt beim Häupl-Ergebnis vom Wahltag 2015. Vor einigen Monaten wäre das ein absolutes Traumergebnis gewesen, jetzt kommt die Umfrage wohl etwas zu früh.

Was die Roten fürchten ist, dass sicher geglaubte Wähler sich noch im letzten Moment umentscheiden könnten, um beispielsweise den Grünen oder Kleinparteien die Stimme zu geben, weil die „SPÖ eh schon gewonnen hat“. Am Dienstag will Ludwig zeigen, dass es jetzt erst losgeht. Zudem hat der anfänglich Unterschätzte die Chance, besser als Vorgänger „Michi“ Häupl abzuschneiden. Das mobilisiert nicht zuletzt Ludwig und sein Team selbst.

Wahlkampf ohne Gegner?

Kommende Woche rollt also ein Wahlkampf an, den die Türkisen schon aufgegeben haben. Zumindest will die Blümel-Mannschaft, deren Spitzenkandidat noch nicht einmal zum eigenen Plakattermin erscheint, diesen Eindruck vermitteln. Tiefstapeln, damit man dann „überraschend“ besser abschneidet als erwartet. 15 Prozent sind jetzt das ausgegebene Ziel, obwohl Umfragen die Wiener ÖVP bei knapp über 20 Prozent sehen.

Wenn der Bundeskanzler in den Wahlkampf einsteigt, so hofft man in der ÖVP, könnte es nochmal bergauf gehen für den bisherigen Pannen-Wahlkampf (Über das widerrechtliche Briefwahl-Debakel der Türkisen berichteten u.a. das „Profil“ und „Semiosisblog“). Vom Erobern des Rathauses ist die Volkspartei aber weit entfernt. Dass Quasselmeister Peter Eppinger den Karlsplatz mit Schaum vorm Mund aufräumt (was die Kirche ohnehin wenig später getan hätte), ist noch nicht einmal der größte Lapsus. Wer unbedingt zeigen will, wie schlecht es um die lebenswerteste Stadt der Welt steht, hat keine guten Karten bei den Wählern.

Das ist auch ein Problem für die SPÖ: Gegen wen eigentlich antreten? Je weniger das Schreckgespenst Türkis-Grün-Pink zieht, desto mehr muss Ludwig von sich selbst überzeugen.

Ludwig, der Kapitän

Die Voraussetzungen dafür hat er: in der fiktiven Direktfrage würde er locker die Absolute holen. Am Dienstag wird Ludwig erklären, dass sich der Wahlkampf vor allem um Corona handeln werde. Das sei einfach die Situation, da müsse man zusammenhelfen und anpacken. Viel zu verlieren hat er nicht: entgegen der türkisen Erzählung bescheinigen die Wiener der Stadtspitze eine gute Corona-Krisenpolitik. Zum Leidwesen der Grünen wird dies aber vor allem dem großen Koalitionspartner zugerechnet, der ja auch den Gesundheitsstadtrat (Peter Hacker, Anm.) stellt.

Strategisch positioniert man bei den Wiener Roten Ludwig also als den Kapitän, der durch die Krise manövriert und dabei weniger „Eigenverantwortung“ einmahnt, als ein ums andere Mal eine Liebeserklärung an Wien aussendet.

Eigentlich, das hat Thomas Walach bereits in Fußballsprache kommentiert, muss jetzt nur noch der Sieg auf italienische Art heimgefahren werden. „Catenaccio“, das heißt stabil die Führung verteidigen und gezielt Konter fahren, ist die rote Devise. Die Offensive darf nicht vergessen werden, sonst rennen die Fans aus dem Stadion.

Titelbild: APA Picturedesk

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