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Hackln bis zum Umfallen? – Oberkellner kollabiert nach 12-Stunden-Tag

Oberkellner kollabiert nach 12-Stunden-Tag

12-Stunden-Tage sind für Arbeitnehmer klar unzumutbar. Die Arbeiterkammer ist alarmiert: Ein Oberkellner aus einem Wiener Lokal ist aufgrund der langen Arbeitszeiten kürzlich zusammengebrochen. Wie ist das vertretbar?

Wien, 08. September 2020 | Unter Türkis-Blau wurde der Wirtschaft versprochen: 12-Stunden-Arbeitstage bleiben “die Ausnahme”. Die Arbeiterkammer ist aber alarmiert. Einer Presseaussendung der AK zufolge musste Oberkellner T. A.* eine grausame Erfahrung machen. Er war gewohnt, immer wieder zahlreiche Überstunden zu leisten. Ab September 2018 hätten sich die Arbeitstage jedoch mit langen und überlangen Arbeitszeiten verdichtet, so die AK.

Im Dezember kam dann der physische und psychische Zusammenbruch. A. sah seinen Ausweg nur mehr in der Selbstkündigung und einer Krankmeldung. Der Chef des – laut Eigendefinition – „Unternehmens von Weltruf“ unterstellte A. aber einen unberechtigten, vorzeitigen Austritt und wollte sich so Lohn, Überstunden, Urlaubsersatzleistungen, Sonderzahlungen und Entgeltfortzahlungen ersparen.

Burnout und Zusammenbruch

10 Stunden-Tage und mehr standen auf der Tagesordnung und gipfelten im Dezember in Wochenarbeitszeiten von knapp 64 oder fast 70 Stunden – ohne freie Tage. T. A. leistete Monat für Monat zwischen 50 und 90 Überstunden, wovon auch viele nicht ausbezahlt wurden (über 133 Überstunden für den Zeitraum September bis Dezember). 12-Stunden-Tage, vor allem bei geteilten Diensten von 8 bis 14 und von 18 bis 0.30 Uhr, waren die Regel.

Letzte Woche veröffentlichte die Arbeiterkammer eine Grafik von “Euro-Stat” – demnach habe Österreich die drittlängsten Arbeitszeiten im Vergleich mit anderen EU-Ländern:

“Wir brauchen eine Arbeitszeitreduktion”

Am 29. Dezember kam der Zusammenbruch. A. teilte der Restaurantleiterin mit, dass er wegen seiner langen Dienste ohne freie Tage sowohl körperlich als auch psychisch am Ende sei und nach Hause gehen werde. Er sei fix und fertig Die Restaurantleiterin nahm dies zur Kenntnis. Am selben Abend kontaktierte A. nochmals die Restaurantleiterin und meldete sich krank. Trotzdem unterstellte ihm der Arbeitgeber einen vorzeitig unberechtigten Austritt. Die Arbeiterkammer und die Gewerkschaften haben laut Präsidentin der Arbeiterkammer, Renate Anderl, immer vor den gesundheitlichen Gefahren überlanger Arbeitszeiten gewarnt:

“Zuerst werden die Beschäftigten ausgequetscht und dann nicht mehr gebraucht. So darf die Arbeitswelt nicht ausschauen. Auf lange Sicht brauchen wir eine Arbeitszeitreduktion. Es kann nicht sein, dass wenige oft bis zur Erschöpfung unmenschlich lange arbeiten müssen und es für andere überhaupt gar keine Arbeit gibt“.

Anderl fordert eine ernsthafte Diskussion über eine Arbeitszeitverkürzung.

Appell an Arbeitnehmer: Überstundenauszahlung rechtzeitig einfordern

Eine Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer Wien erklärt ZackZack, dass Arbeitnehmer (gerade in der Gastronomie) Überstundenauszahlung unbedingt rechtzeitig einfordern sollen. Dazu ist es wichtig, alle Arbeitszeiten genau und regelmäßig aufzuzeichnen. Auf der Website der Arbeiterkammer gibt es als Hilfestellung den digitalen Zeitspeicher. Was ebenfalls gut zu wissen ist: Die 11. und 12. Stunde darf ohne Grund abgelehnt werden. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht dazu zwingen.

Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht ist laut Arbeiterkammer belegt, dass die Ausweitung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit einen negativen Einfluss auf die Gesundheit und Zufriedenheit der Arbeitnehmer habe. Außerdem treffe die Gesetzesänderung, die am 1. September 2018 in Kraft getreten ist, nicht die Wünsche der Österreicher.

Nach 12 Stunden Arbeit plus An- und Abreiseweg bleibe nicht nur wenig Zeit für Freizeit und Familie, sondern auch zu wenig Zeit für die Erholung. Besonders deutlich werde dies nach 2 aufeinander folgenden 12-Stunden-Arbeitstagen: Man benötige 3 Ruhetage, um sich wieder vollständig zu erholen. Bei einer 60-Stunden-Woche sei ausreichend Erholung praktisch unmöglich. Dies führe dazu, dass viele Arbeitnehmer, insbesondere aus der Gastronomie, psychisch und physisch irgendwann zusammenbrechen – und kündigen.

* Name wurde von der AK geändert.

(jz)

Titelbild: APA Picturedesk

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