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Alle gegen Kurz – Bild, Krone, Grüne, Kirche, ÖVP-Bürgermeister

Bild, Krone, Grüne, Kirche, ÖVP-Bürgermeister

Moria, die Schande Europas. Nicht so für den Kanzler: Kurz verteidigt weiterhin sein Herzlos-Nein zu hilflosen Kindern und postet Brandleger-Gerüchte. Derweil bekommt er starken Gegenwind von einer ungewöhnlichen Allianz, die immer größer wird.

 

Wien, 11. September 2020 | Das Camp der Hoffnungslosen im griechischen Moria ist fast vollständig abgebrannt, die Schutzsuchenden harren auf der Straße aus. Griechische Polizisten bauen Barrikaden auf, damit sie nicht in die nächste Stadt flüchten. Kurz, Nehammer und Schallenberg interessiert das nicht, sie streuen stattdessen Brandleger-Gerüchte. Dabei ist die Ursache des Brandes unklar, die Opfer übersteigen die vermeintlichen Täter tausendfach.

Sogar „Bild“ und „Krone“ fordern Aufnahme

Doch jetzt regt sich Widerstand gegen das Wegschauen: eine ungewöhnliche Allianz aus Rechtsboulevard, Kirche, Konservativen, Linken und Liberalen spricht sich für die Aufnahme von Geflüchteten aus.

Interessant ist dabei vor allem, dass ausgerechnet jene Zeitungen, die in der Flüchtlingskrise skeptisch bis rechtspopulistisch publizierten, an das Herz appellieren: Nehmt die Kinder auf! Die deutsche „BILD“, die mit Reportern vor Ort von der griechischen Inseln Lesbos aus berichtet, fragte am Tag nach der ersten Höllen-Nacht:

„Wie viel Leid können diese Menschen noch ertragen?“

In einem Kommentar geht Deutschlands mächtigstes Blatt auch die Hetzer an, die sich auf die mutmaßlichen Brandleger einschießen.

Dann der Überraschungs-Kommentar von Kolumnist Franz Josef Wagner, dem deutschen „Jeanneé“:

„Und da sitzen sie – und dann kam Corona. Und jetzt brach das Feuer aus. Alle Verzweifelten und Armen flohen und liegen jetzt auf irgendwelchen Wegen unter freiem Himmel. Wer diesen Menschen nicht helfen will, hat kein Herz.“

Auch der wahre Michael Jeanneé von der „Krone“ ließ sich nicht lumpen. Er kommentierte vor allem für die hilflosen Kinder:

„Im Dreck und Schlamm und in den Fäkalien von Moria indes werden ihre großen Augen nur so lange schauen, aber nicht begreifen, bis man sie ihnen zudrückt, weil sie gestorben sind.“

Breite Front aus Politik und Gesellschaft gegen ÖVP

Die Grünen bauen weiter Druck auf, zumindest zeigte sich Klubchefin Sigi Maurer gestern in der Zib 2“ ungewohnt kämpferisch. Bringt’s was? „Wir sind durchaus kampfbereit“, so Maurer. Ihre Kollegin Ewa Ernst-Dziedzic ist unterdessen in Moria gelandet, um von dort aus auf das Leid aufmerksam zu machen. SPÖ und NEOS trauen dem Braten nicht und fordern die Aufnahme von Kindern durch die Republik.

Die Pinken stellten in Wien 100 weiße Sessel auf, um die Forderung nach der Aufnahme von Kindern zu untermauern, NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon sieht in Moria “europäische Werte brennen”. Der SPÖ-Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, der selbst viel Erfahrung aus der Zeit der Flüchtlingskrise hat, will die Moria-Schande endlich beendet wissen: “Beenden wir diese Schande Europas und holen wir flüchtende Menschen aus diesem Wahnsinn raus”, sagte er am Donnerstag via Aussendung.

Von der Bischofskonferenz kommt eine klare Forderung in Richtung Rechtspopulisten im Kanzleramt: “Jedes politische Kalkül über die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen in Europa ist angesichts der aktuellen Notlage völlig verfehlt. Jetzt zählt rasches und entschlossenes Handeln. Wir können und dürfen nicht wegschauen.”

Eigene Parteilinie bröckelt

Innerhalb der ÖVP selbst fällt indes der türkise Putz von der Festung: Zahlreiche Bürgermeister stellen sich erstmals offen gegen die Bundesspitze an Ballhausplatz und Lichtenfelsgasse.

„Ich bin nicht auf Parteilinie. Ich bin der Meinung, dass wir Flüchtlinge aus Moria aufnehmen sollten“,

so Angelika Schwarzmann, ÖVP-Bürgermeisterin von Alberschwende. Kurt Fischer, Bürgermeister von Lustenau (ebenfalls Vorarlberg), sieht das auch so:

„Europa muss den Menschen helfen, und zwar nicht nur mit ein paar Brettern und Zelten“.

Es gibt sie noch die Christlichsozialen in der ÖVP. Und sie bekommen Flankenschutz vom evangelischen Supterintendanten von Kärnten und Osttirol, Manfred Sauer. Das kalte Nein der Kurz-Boygroup macht ihn sauer und sei für eine „Regierungspartei mit angeblich christlicher Verwurzelung zynisch, kalt und herzlos“.

Kurz, Nehammer & Co stellen sich weiterhin quer

Nahezu alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte wollen zumindest die Aufnahme von Kindern und Schwachen. Doch der Kanzler stellt sich quer – und zündelt stattdessen mit Gerüchten über immer noch unbekannte Ursachen:

Kurz teilte auf Facebook den Krone-Bericht über die Mutmaßungen der griechischen Regierung zu Brandursachen – und nicht den Kommentar von Jeanneé im selben Blatt.

Dabei bekommt der Kanzler Schützenhilfe von Innen- und Außenminister: Karl Nehammer und Alexander Schallenberg stellten sich in den vergangenen Tagen gegen jegliche Überlegungen zur Aufnahme von Geflüchteten, auch gegen Kinder!

Zumindest auf europäischer Ebene scheint sich aber etwas zu bewegen: Neben Deutschland, Frankreich und Italien wollen selbst die vom rechtsliberalen Kurz-Freund Mark Rutte regierten Niederlande Kinder aufnehmen.

Wann lenkt der Kanzler ein und hört auf unseren Bundespräsidenten? Oder hat er kein Gewissen?

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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