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Kurz‘ Kabinettschef Bonelli scheiterte mit Ampel-Intervention – Wien-Angriff von Experten verhindert

Wien-Angriff von Experten verhindert

Im Juni hatte der Kanzler die „gesundheitlichen Folgen der Krise“ als überstanden bewertet, letzte Woche rief er plötzlich die zweite Welle aus. Und wie: bei der „Corona-Ampel“ wollte Kurz eine härtere Einstufung. Die Kommission wehrte sich aber gegen politische Einflussnahme via Kabinettschef.

 

Wien, 14. September 2020 | Hinter den Kulissen der Corona-Politik brodelt es, unter den Koalitionspartnern gibt es teils offen ausgetragenen Streit. Das liegt auch an kolportierten Versuchen, die „Corona-Ampel“ für politische Zwecke zu instrumentalisieren, wie der „Standard“ am Freitag berichtete.

Trotz unterschiedlicher Farben: Maßnahmen für alle gleich

Mit heute gelten österreichweit dieselben Verschärfungen, trotz regional unterschiedlicher Risikolage. Was für einen Sinn diese Ampel dann mache, fragte Martin Thür gestern den Kanzler in der „Zib2 am Sonntag“.

Screenshot: Twitter.

Für Sebastian Kurz habe es „unterschiedliche Zugänge bei der Färbung der Ampel“ gegeben. Was das wirklich heißt, hat der Chef der Ampel-Kommission aus dem Gesundheitsministerium, Ulrich Herzog, zwei Tage zuvor dargelegt. So habe man sich nach Diskussionen entschieden, nicht ganz Österreich auf gelb zu schalten, sagte er in der „Zib2“ am Freitag. Es gehe um Prävention. Subtext: nicht um Panikmache.

Politische Einflussnahme auf Corona-Ampel

Brisant: Das Kanzleramt wollte nicht nur, dass Österreich auf „gelb“, sondern Wien sogar auf „orange“ geschaltet wird. Warum hat die Kommission anders entschieden? „Wir haben die Daten analysiert“, so Herzogs Antwort. Auf Basis der Analyse, bei der es nicht nur um die bloßen Infektionszahlen, sondern auch um Risikoabwägung gehe, habe man sich entsprechend entschieden. Die Folgen von „orange“ in Wien wären schwere soziale und wirtschaftliche Einschnitte gewesen. Angesichts der Wien-Wahl sind die kolportierten Interventionsversuche besonders heikel.

Laut Herzog habe sich Bernhard Bonelli, mächtiger Kabinettschef des Kanzlers, per Video zur Ampel-Abstimmung zuschalten lassen, um ein Statement des Kanzlers zu verlesen. Die Experten-Kommission habe sich aber gegen diesen politischen Einwurf entschieden, so Chef Herzog.

„Wenn ein Politiker ein Statement abgeben möchte, wäre es genauso legitim gewesen, einen Minister einzuladen, um ein Statement abzugeben – und jeden Landeshauptmann.“

Kurz wollte Wien mit aller Macht auf „orange“ setzen

Wie sich die Kommission genau zusammensetzt, ist nicht bekannt, weshalb Gerüchte über mehrheitlich parteinahe Besetzungen nicht abreißen. Zumindest gibt es Vertreter des Bundeskanzleramtes und des Innenministeriums, die laut Kurz auch für ein orangefarbenes Wien gestimmt hätten. Genutzt hat’s nichts. Dass der Einfluss des Kanzleramtes auf das Gremium im Anschober-Ministerium offensichtlich enden wollend ist, gefällt Sebastian Kurz sichtlich wenig.

„Wir hätten uns gewunschen (sic!), dass es eine etwas striktere Ampelschaltung gibt. Sei es, wie es sei.“

Die Abstimmung sei anders ausgegangen, „als wir das im Bundeskanzleramt gewollt hätten“, sagte Kurz gestern im ORF.

Sein Kabinettschef „wollte einfach seine Sicht der Dinge darlegen.“ Warum bei einem schon vorhandenen Kanzleramts-Vertreter in der Ampel-Kommission dann noch Bernhard Bonelli zugeschaltet wurde, wollte Kurz nicht beantworten. „Ich halte es für durchaus legitim, dass er eine Meinung hat“. Der Kanzler selbst habe auch eine Meinung. Dass Bonelli allerdings bei einer so wichtigen Entscheidung im eigenen Namen anruft, um eine Empfehlung abzugeben, ist nach den Ausführungen von Ampel-Chef Herzog wenig glaubhaft.

„Mein Ziel als Bundeskanzler ist es, dass die Bevölkerung nicht verwirrt ist“, sagte Kurz und schob damit die Verantwortung zum derzeit beliebteren Gesundheitsminister Rudolf Anschober ab.

Wer ist Bernhard Bonelli?

Dass Kurz‘ Kabinettschef die Intervention orchestrierte, überrascht nicht. Bernhard Bonelli gilt als enger Vertrauter des Bundeskanzlers, berät ihn strategisch und ist bei allen wichtigen Treffen an der Seite von Kurz.

Screenshot: Twitter.

Bonelli hat in Barcelona auf einer privaten Business School studiert. Diese wird vom umstrittenen Netzwerk „Opus Dei“ betrieben, weshalb Gerüchte um christlich-fundamentalistische Einflüsse im Kanzleramt nicht abreißen. „Opus Dei“ setzt auf extreme Selbstgeißelung, gilt politisch als weit rechts stehend. Bonelli selbst hat stets dementiert, Mitglied des Netzwerks zu sein. Als sich Kurz in der Wiener Stadthalle während des Wahlkampfes letztes Jahr bei einem absurden Gebet segnen ließ, flammten die Gerüchte um derartige Verbindungen allerdings wieder auf. Eines ist aber sicher: es wird nicht Bonellis letzter Anruf gewesen sein, um für den Kanzler eine Entscheidung zu beeinflussen.

(red)

Titelbild: APA Picturedesk

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