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Corona-Krimi: Intrige um Wien als Risikogebiet?

Wird Deutschland Wien als Corona-Risikogebiet einstufen? Seit Tagen sollen ÖVP-nahe Diplomaten darauf drängen. In diesen Stunden fällt die Entscheidung in Berlin.

 

Update: Gestern Abend hat die deutsche Bundesregierung nach der Sitzung von Außen-, Gesundheits- und Innenministerium in Berlin entschieden, das Bundesland Wien auf die Liste der Risikogebiete zu setzen. Menschen, die aus Wien nach Deutschland einreisen, müssen ab jetzt einen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden ist, oder aber sich in Quarantäne begeben.

Wien, 16. September 2020 | Wird Wien von Deutschland als Risikogebiet eingestuft? Das berichten österreichische Medien nahezu übereinstimmend, der „Standard“ berief sich heute Morgen auf Berliner Regierungskreise. Doch die Entscheidung steht noch gar nicht fest. Derweil wird wohl diplomatischer Druck ausgeübt, damit Wien auf die Risikoliste kommt.

Diplomatische Berichte entscheidendes Kriterium

Das Robert-Koch-Institut (RKI) betonte gegenüber ZackZack, in den Entscheidungsprozess nicht direkt involviert zu sein. Man leite vonseiten des Instituts nur die offiziellen Zahlen an die Ministerien weiter, die dann entscheiden würden. Ob Wien Risikogebiet wird, ist also auch zum Großteil eine politische Frage. Und die hat es in sich: auf den Seiten des RKI kann man die Vorgehensweise zur Einstufung nachlesen. Demnach soll die Berichterstattung des diplomatischen Dienstes entscheidend sein:

Screenshot RKI

Die Berichterstattung der deutschen Auslandsvertretungen und Ministerien stützt sich laut ZackZack-Informationen unter anderem auch auf die Medienberichte im jeweiligen Gastland. Das wirft die Frage auf, warum fast alle großen Medien in Österreich schon früh behaupteten, die Wien-Entscheidung stünde bereits fest.

Insider: ÖVP-nahe Diplomaten wollen Wien auf Liste haben

Hinter vorgehaltener Hand berichten österreichische Diplomaten gegenüber ZackZack zudem, dass ÖVP-nahe Diplomaten seit einiger Zeit Druck machen, damit Wien – und nur Wien – von Nachbarstaaten zum Corona-Risikogebiet auserkoren wird. Heute Mittag ließ Außenminister Schallenberg (ÖVP) per APA wissen, er erwarte sich noch heute eine Entscheidung. Auf Anfrage hieß es dann am frühen Abend vonseiten der Pressestelle des Schallenberg-Ministeriums lediglich, man habe immer noch keine Entscheidung mitgeteilt bekommen.

Das ist angesichts der anstehenden Wien-Wahl brisant: Österreichweit gelten dieselben Maßnahmen, in Innsbruck waren die Fallzahlen in den letzten Tagen sogar höher als in der Bundeshauptstadt, doch die Berichterstattung in Österreich konzentriert sich vor allem auf Wien.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, aber auch Innenminister Karl Nehammer hatten wegen der Corona-Situation in den vergangenen Wochen und Monaten fast ausschließlich die Bundeshauptstadt getadelt. Dabei testet Wien vorbildlich, hat ein robustes Gesundheitssystem. Umfragen zufolge attestiert eine deutliche Mehrheit der Stadt gute Handhabe bei der Bewältigung der Pandemie.

Entscheidung noch gar nicht gefallen

ZackZack-Informationen zufolge soll das SPD-geführte Außenministerium, zusammen mit Bundesinnen- und Gesundheitsministerium (beide CDU/CSU-geführt), heute erst über etwaige Entscheidungen tagen. „Die Risikobewertung bemisst sich am Gesamtbild der quantitativen und qualitativen Kriterien im jeweiligen Land; dies umfasst das aktuelle Infektionsgeschehen und die Belastbarkeit der vorliegenden Daten, aber u.a. auch die generelle Ausstattung des Gesundheitssystems, die bestehenden Testmöglichkeiten vor Ort und die ergriffenen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt auf ZackZack-Nachfrage. Bei der Bundespressekonferenz sagte Sprecherin Maria Adebahr heute in Berlin, man beobachte zwar die Entwicklung in Österreich, aber:

„Ich habe Ihnen hier heute keine Reisewarnung für Österreich anzukündigen“.

Das Gesundheitsministerium von Kurz-Freund Jens Spahn (CDU) ließ ZackZack wissen, dass quantitativ zunächst entscheidend sei, „in welchen Staaten/Regionen es in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab“. Schaut man sich die Zahlen an, trifft das auf einige Bezirke zu:

Geht man, wie das österreichische Gesundheitsministerium nach Bezirken, müsste es also 22 Risikogebiete geben. Es sei denn, man sieht nicht Bezirke, sondern Bundesländer als „Regionen“ an. Wieso sollte das deutsche Gesundheitsministerium das anders als das österreichische sehen?

 (wb)

Update: Artikel wurde am 16. September letztmals um 18:10 aktualisiert: Statement des österr. Außenministeriums nachgereicht.

Titelbild: APA Picturedesk

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