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Über 3.000 Plätze bezahlt und warm gehalten: Leerstehende Asylquartiere kosten Steuerzahler Millionen

Leerstehende Asylquartiere kosten Steuerzahler Millionen

Am Platzmangel liegt’s nicht: Während sich die ÖVP querlegt, 100 Kinder aus Moria aufzunehmen, stehen 13 Flüchtlingsheime mit Platz für über 3.000 Menschen leer und kosten den Steuerzahler Millionen.

Wien, 17. September 2020 | In Moria finden nicht alle Menschen ein Zelt über dem Kopf, in Österreich stehen hingegen riesige Asylquartiere leer: Von den insgesamt 34 seit der Flüchtlingskrise abgeschlossenen Verträgen für Asylwerber-Quartiere sind noch 18 aufrecht. Nur vier davon werden noch aktiv als Asylquartiere genutzt, der Rest steht leer – und kostet den Steuerzahler Millionen.

Allein 2019 gab der Bund mehr als 3,7 Millionen Euro für stillgelegte oder als „Materialdepot“ genutzte Asylquartiere aus.

Mehr als 3.000 Plätze für Asylwerber – ungenutzt

Die Quartiere, die in die Kompetenz des Bundes und damit des Innenministeriums fallen, dienten im Zuge der Flüchtlingskrise vor allem im Jahr 2015 als Unterkünfte für Asylwerber. Mittlerweile ist der Bedarf an Plätzen gesunken, das Innenministerium fuhr die Kapazität nach und nach herunter.

Es hielt sich jedoch einige der Quartiere als „Vorsorgekapazität“ warm. Der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) erklärte die Stilllegung von einem der Asylquartiere in einer Anfragebeantwortung im Februar 2019 so:

„Durch die Stilllegung besteht die Möglichkeit, das Objekt innerhalb kürzester Zeit wieder in Betrieb zu nehmen, um es bei Bedarf wieder als Unterkunft für hilfs- und schutzbedürftige Menschen nutzen zu können.“

Miet- und Betriebskosten für derzeit insgesamt 13 Unterkünfte werden laut einer Anfragebeantwortung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nach wie vor bezahlt: davon sind zehn stillgelegte „Vorsorgekapazität“ und drei als „Materialdepot“ ausgewiesen. Platz würden sie für über 3.000 Menschen bieten.

Bundesbetreuungseinrichtungen 2019 (Vertragsabschluss seit 2014) Kosten 2019 in € (Zahlungen an Bestandgeber) Monatliche Miete in € Betriebskosten monatl. gem. Vertrag in € Derzeitige Nutzung Kapazität
BBE Linz (4020 Linz) 471.232 22.934 5.910 Nicht mehr vom BMI genutzt
BBE Althofen (2933 Treibach) k.A. k.A. k.A. Nicht mehr vom BMI genutzt
BBE Oberösterreich (4713 Gallspach) 108.630 8.500 3.936 Nicht mehr vom BMI genutzt
BBE Tirol/Vorarlberg (6020 Innsbruck) 111.019 18.441 256 Nicht mehr vom BMI genutzt
BBE Klagenfurt (9020 Klagenfurt) 485.131 36.890 2.000 Materialdepot 450
BBE Wörthersee (9020 Klagenfurt) 378.000 19.500 6.000 Materialdepot 450
BBE Finkenstein (9581 Ledenitzen) 202.800 14.350 2.550 Stillgelegt-Vorsorgekapazität 80
BBE Villach (9500 Villach) 30.984 2.055 14.343 Stillgelegt-Vorsorgekapazität 364
BBE Leoben (8700 Leoben) 337.941 26.375 1.800 Materialdepot 450
BBE Steiermark (8055 GrazPuntigam) Stillgelegt-Vorsorgekapazität 150
BBE Steinhaus (8686 Steinhaus am Semmering) 510.000 30.000 1.333 Stillgelegt-Vorsorgekapazität 194
BBE Salzburg (5020 Salzburg) k.A. k.A. k.A. Stillgelegt-Vorsorgekapazität 160
BBE Frankenburg (4873 Frankenburg) 315.905 25.000 1.500 Stillgelegt-Vorsorgekapazität 250
BBE Steyregg (4221 Steyregg) 330.071 24.830 2.400 Stillgelegt-Vorsorgekapazität 140
BBE Salzkammergut (4694 Ohlsdorf) Stillgelegt-Vorsorgekapazität 150
BBE Mondsee (5310 Mondsee) 161 10,29 Stillgelegt-Vorsorgekapazität 150
BBE Korneuburg (2100 Korneuburg) 388.943 31.735 600 Stillgelegt-Vorsorgekapazität 100
BBE Innsbruck (6391 Fieberbrunn) 38.207,77 2.739 2.176 Nicht mehr vom BMI genutzt
Summe 3.709.024,77 3.088

ZackZack hat die Infos aus der Anfragebeantwortung von Innenminister Karl Nehammer in einer Tabelle zusammengefasst.

Vertragsbindung bis 2029

Das mit Abstand teuerste Quartier der Liste ist das mit Ende 2018 stillgelegte Asylquartier in Steinhaus am Semmering. Ende 2019 sorgte es für Schlagzeilen: Wie die Kleine Zeitung und der Standard berichteten, wurde im Rahmen des Mietvertrags, der damals zwischen der Betreuungsagentur ORS Service GmbH und dem Eigentümer Haus Semmering Hotelbetriebs-GmbH abgeschlossen wurde, ein Kündigungsverzicht bis 2029 von beiden Vertragsparteien unterzeichnet.

Davon profitiert vor allem der private Eigentümer des Quartiers: Bis Ende 2029 wird die GmbH über fünf Millionen an Steuergeld kassiert haben. Der Eigentümer war gegenüber ZackZack zu keiner Stellungnahme bereit, die Webseite führt ins Leere. Die ORS Service GmbH, die den 15-jährigen Kündigungsverzicht unterzeichnete, verweist auf das Innenministerium, in dessen Auftrag sie gehandelt habe – damalige Innenministerin war Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP.

Der Betreuungsvertrag mit der ORS Service GmbH wurde durch das Innenministerium mit Ende 2018, damals unter Herbert Kickl, bereits aufgekündigt. An dem Kündigungsverzicht ändert das allerdings nichts.

2019 erhielt die GmbH 510.000 Euro für den ungenutzten Leerstand, das sind monatlich 42.500 Euro für ein Quartier, das für fast 200 Menschen konzipiert ist. Kinder aus Moria könnten hier Platz finden.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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