Sperrstunde neu
Zusammen mit drei ÖVP-Landeshauptleuten verkündete Sebastian Kurz am Dienstag eine 22-Uhr-Sperrstunde in Westösterreich. Dabei stellte er Wien erneut die Rute ins Fenster. Bürgermeister Ludwig blieb aber gelassen und verordnete keine frühere Sperrstunde. Sogar drei ÖVP-Länder machen bei der jüngsten Anti-Virus-Show des Kanzlers nicht mit.
Wien, 23. September 2020 | Beinahe jeden Tag verkündet der Kanzler aktuell eine neue Maßnahme: Am Dienstag begrüßte Sebastian Kurz, dass Tirol, Salzburg und Vorarlberg die Sperrstunde auf 22 Uhr festlegt. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Landeshauptleuten von Salzburg (Wilfried Haslauer), Tirol (Günther Platter) und Vorarlberg (Markus Wallner), alle ÖVP, forderte Sebastian Kurz auch für Wien und Niederösterreich eine 22-Uhr-Sperrstunde.
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sagte daraufhin in Richtung Kanzler, er wolle „nicht täglich neue Maßnahmen setzen, die die Irritation in der Bevölkerung verstärken”. Offenbar ist Ludwig hier nicht allein: Auch drei Bundesländer mit ÖVP-Landeschefs ignorieren die neue Corona-Sperrstunde.
3 ÖVP-Landeshauptleute mit Kurz bei Pressekonferenz
„Kritisch“ sieht der Platter-Gegner Georg Dornauer (SPÖ) die Entscheidung, dass Vorarlberg, Tirol und Salzburg ab Freitag die Sperrstunde in der Gastronomie generell auf 22 Uhr festsetzen:
„Erneut werden unsere heimischen Betriebe kurzerhand vor vollendete Tatsachen gestellt – mitsamt den entsprechenden unternehmerischen und finanziellen Konsequenzen. Unsere Betriebe haben sich auf die Versprechen der Bundesregierung verlassen und dementsprechend geplant – jetzt stehen sie vor der nächsten Katastrophe”,
kommentiert der Tiroler SP-Chef die plötzliche ÖVP-Maßnahme.
Die ÖVP-Länder Oberösterreich und Steiermark erwähnte Kurz in seiner Pressekonferenz nicht. Dabei ist Graz der zweitgrößte Ballungsraum Österreichs.
“Vorerst ist in der Steiermark, so wie auch in Niederösterreich und Oberösterreich, keine Vorverlegung der Sperrstunde geplant“, heißt es vom steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhofer, „ich appelliere an alle, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Aktuell sind die Zahlen der Infizierten allerdings so, dass kein Handlungsbedarf besteht.“
Niederösterreich sieht aktuell keinen Bedarf
Auch Niederösterreich stellt sich hinter Bürgermeister Ludwig und gegen Kanzler Kurz: „Wir sehen das derzeit nicht vor – noch nicht“, heißt es vom Land Niederösterreich gegenüber ZackZack. Was Niederösterreich darüber denkt, dass Sebastian Kurz direkt an das ÖVP-Kernland appellierte? Dazu erhielt ZackZack keine Antwort, allerdings versicherte das Land Niederösterreich, dass „die Situation von den Experten des Landessanitätsstabs laufend analysiert und bewertet“ werde. Man schließt die Maßnahme in Zukunft nicht aus, aktuell sieht der Einsatzstab aber offenbar keine Notwendigkeit.
Bürgermeister Ludwig wolle sich eng mit Landeshauptfrau Mikl-Leitner abstimmen. Die Sperrstunde sieht er wohl eher als ÖVP-PR im Wien-Wahlkampf: “Es ist nicht das Problem, im Restaurant zwischen 22 und 23 Uhr an einem Tisch zu sitzen”, so der SPÖ-Wien-Chef. Wenn man die Sperrstunde früher ansetzt, dann könnten sich Treffen und Partys dagegen in den illegalen Bereich verlagern.
Aus dem Büro von OÖ-Landeshauptmann Stelzer heißt es:
“Politische Entscheidungen müssen immer mit Maß und Ziel getroffen werden, das ist mein klarer Anspruch. Gerade erst gestern wurde wieder österreichweit die allgemeine Maskenpflicht eingeführt. Und ein Blick auf die aktuellen Corona-Zahlen in Oberösterreich bestätigt meine Meinung, dass es aus heutiger Sicht nicht notwendig ist, die Sperrstunde vorzuverlegen.”
Weite Teile Oberösterreichs sind auf der Corona-Ampel auf Geld gestellt. Dennoch sieht Stelzer keine Notwendigkeit, mit seinen Parteifreunden mitzuziehen.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk