Pilz am Sonntag
In den USA sagen Journalisten öffentlich, wen sie wählen. Hierzulande ist das kaum üblich. Peter Pilz tut es jetzt trotzdem, denn: Es steht Spitz auf Knopf.
Wien, 04. Oktober 2020 | 1983 habe ich Josef Cap meine Vorzugsstimme geschenkt. Damals habe ich das letzte Mal SPÖ gewählt. In einer Woche ist es wieder soweit. Ich weiß, dass ich mit der SPÖ vor allem ihre Vergangenheit wähle. Aber damit stimme ich für das, was mir an Wien wichtig ist: die lebenswerte, weltoffene Stadt mit dem sozialen Wien der Gemeindebauten, des öffentlichen Gesundheitswesens und der guten Schule für alle als hartem Kern.
Auf Bundesebene hat die SPÖ schon lange nichts mehr falsch gemacht. Das hat einen einfachen Grund: Ihre Spitze hat die politische Tätigkeit eingestellt. Ihre Politikvermeidung ist der sicherste Weg zur Fehlervermeidung. Den Preis dafür zahlt die SPÖ jeden Tag: Bedeutungslosigkeit.
Mit Wien verteidigt die SPÖ fast alles, was ihr geblieben ist. Wenn Wien fällt, ist es vorbei. Das ist das Ziel der ÖVP.
Der Hass, mit dem die ÖVP jetzt wieder das Rote Wien angreift, erinnert mich an schlechtere Zeiten. Aber Blümel ist nicht Kurz. Mit Blümel zeigt die ÖVP ihr wahres Gesicht. Der Lack, der bei Kurz raffiniert die Menschen täuscht, fehlt bei Blümel. Er ist die Abrissbirne des Roten Wien – und rumpelt auch so durch die Wahl.
Allein schaffen Blümel und Kurz in Wien ohnehin keinen Umsturz. Dazu brauchen sie Helfer wie die Grünen. Birgit Hebein ist in ihrer Gutwilligkeit ebenso glaubwürdig wie in ihrer Hilflosigkeit. Nicht nur Sebastian Kurz weiß inzwischen, wie leicht man es mit den Grünen hat.
Das ist schade, weil die Grünen in Wien einiges vorzuweisen haben. Nur sie gehen die ersten Schritte in die autofreie Stadt. Nur sie nehmen den Klimawandel auch in Wien ernst genug. Aber sie sitzen vom Bund bis Wien in Beiwagerln und warten, dass sie jemand ankoppelt und mitnimmt.
Also bleiben die Neos. Aufgrund ihrer Haltung sind die Neos eine gute Wahl. Sie stehen für Grundrechte, Freiheit und eine saubere Politik. Aber die Verteidigung des sozialen Wiens steht nicht in ihrem Programm.
Also bleibt mir diesmal nur die SPÖ. Das ist kein Neuanfang und keine große Hoffnung für die Zukunft. Aber das ist weit besser als nichts.
Titelbild: APA Picturedesk