Mittwoch, April 24, 2024

Coronaampel: Zeigt Anschober Experten Rot?

Zeigt Anschober Experten Rot?

Fünf unabhängige Fachexperten saßen bis zuletzt in der 19-köpfigen Ampelkommission. Zwei von ihnen sind nun ausgetreten. Der Tiroler Infektiologe Günter Weiss übt nach seinem Rückzug scharfe Kritik an der Teststrategie des Bundes. Mit dem Austritt aus der Kommission soll das nichts zu tun haben.

 

Wien, 06. Oktober 2020 | Fünf unabhängige Experten wurden vom Bund für die Anschober-Ampel nominiert. Insgesamt sind 19 Personen mit der wöchentlichen Corona-Ampelschaltung beschäftigt. Seit gestern sind zwei der fünf Experten aus der Ampel ausgeschieden: So gehen Günter Weiss, Vizepräsident der “Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin” und Elisabeth Puchhammer-Stöckl. Sie ist Leiterin für Virologie an der Medizinischen Universität Wien.

Teststrategie: Massenhaftes Tappen im Dunkeln

Während sich Puchammer-Stöckl seit ihrem Ausscheiden noch nicht geäußert hat, geht der Tiroler Infektiologe Günter Weiss in die Offensive. Er wurde gleich nach dem Ausscheiden aus der Kommission gegenüber der Kurz-Strategie “Testen, Testen, Testen” deutlicher. Im „Oe1-Mittagsjournal“ am Montag sagte er, auch mit Blick auf das gescheiterte Testprojekt von Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Harald Mahrer (Wirtschaftskammer):

„Wir machen viele ungezielte Testungen, wo sehr viel Geld vernichtet wird. Ich denke da besonders an das Testen von asymptomatischen Personen im Bereich des Tourismus, im Bereich der Schulen. Dort werden einfach Millionenbeträge ausgegeben, die rein gar nichts bringen.“

Schon am Tag zuvor hatte Günter Weiss in der “ZiB 2” betont, dass Menschen, die asymptomatisch bleiben würden, kaum das Virus übertragen könnten. Zu unterscheiden sei das aber mit präsymptomatischen Personen: rund zwei Tage, bevor sie Symptome entwickeln, können sie das Virus übertragen.

Auch die Österreichische Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin nahm am Sonntag Stellung. Dort ist Weiss Vizepräsident:

„Das unsystematische, unreflektierte, großflächige Testen sowie das Screenen im Tourismusbereich oder anderen Bereichen des Gesellschaftslebens (hauptsächlich gesunde und symptomlose Personen) ist kein geeignetes Mittel, um eine präzise Information zur epidemiologischen Situation zu erhalten bzw. um die Pandemie einzudämmen.”

Weiters stellt die Gesellschaft klar: “Ein positiver SARS-CoV-2 PCR Befund bei einer symptomfreien Person stellt noch keine Infektionsdiagnose dar und sagt nichts über die Infektiosität der getesteten Person aus (Überbleibsel „viral debris“ einer abgelaufenen Infektion) (3). Zudem ist bei einer Stichprobe, die fast nur aus gesunden Personen besteht, die Wahrscheinlichkeit für falsche Testergebnisse sehr hoch (3). Personen, die an COVID-19 erkrankt waren, sollen in den nächsten Monaten danach nicht mehr mit einer SARS-CoV-2-PCR getestet werden.“

Die gesamte Stellungnahme finden sie hier.

Expertenkommission ohne Experten?

Die Kritik von Weiss und seiner Gesellschaft wird vom Gesundheitsministerium relativiert: Man teste sehr wohl symptomatische Personen, über die Hotline 1450 bewerte man von Fall zu Fall, ob ein Test sinnvoll sei. Nackte Zahlen sprechen allerdings ein anderes Bild: zwischen 15.000 und 20.000 Tests täglich werden aktuell gemeldet, privat-negative Testungen werden dabei nicht mitgezählt. Hatte man im März noch einige hundert Mal täglich gestesten, waren es im April rund 4.000 Tests pro Tag. Seit September werden die gemeldeten Tests massiv erhöht.

Ob es die Kritik an der Teststrategie war, die Weiss aus der Ampelkommission ausscheiden hat lassen, ist nicht bekannt. Sein Rückzug wurde jedenfalls an jenem Tag vom Anschober-Ministerium bestätigt, an dem die Gesellschaft für Infektionskrankheiten die öffentliche Stellungnahme zu SARS-Cov-2 abgab.

Pikantes Detail am Rande: Wie ZackZack aufdeckte, sind in den Screening-Programmen des Bundes, die von vielen Experten kritisiert werden, die Berater-Riesen McKinsey und Boston Consulting maßgeblich involviert. Über ihre Leistung schweigt die Regierung bislang. Allerdings sind erst kürzlich einige parlamentarische Anfragen seitens der Opposition zu diesem Thema gestellt worden.

Beide ausgeschiedenen Experten geben offiziell “Zeitgründe” an, weshalb sie sich aus der Kommission zurückziehen. Das Ministerium sagt, man bedauere den Rückzug von beiden, bedanke sich für die ehrenamtliche Tätigkeit und habe schon potenzielle Nachfolger im Auge.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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