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Abholzung des Amazonas: Freihandels-Abkommen abgeschmettert

Freihandels-Abkommen abgeschmettert

Im EU-Parlament gibt es aktuell keine Mehrheit für das geplante Freihandelsabkommen Mercosur. Dies hat eine Abstimmung über einen Änderungsantrag am Dienstag gezeigt. Ein Grund: die riesige Zerstörung des Amazonas.

 

Wien, 09. Oktober 2020 | Es sollte die weltgrößte Freihandelszone werden. Jetzt ist das Abkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund “Mercosur” im EU-Parlament vorerst gescheitert. 345 EU-Abgeordnete stimmten dabei gegen den Pakt, 295 dafür, 56 enthielten sich. Die Spaltung zeigte sich quer durch alle Fraktionen.

Karas gegen Abbruch der Mercosur-Verhandlungen

Während ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger in Österreich ein ‚Nein‘ der ÖVP beteuert, stimmte der ÖVP-EU-Abgeordnete und Parlaments-Vizepräsident Othmar Karas in Brüssel gegen den Abbruch der Verhandlungen. Der Rest der ÖVP-Abgeordneten hatte keine Meinung dazu und enthielt sich: die Türkisen stimmten somit also indirekt auch gegen einen Abbruch.

“Gerade für Österreich als exportorientiertes Land, wo jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export abhängt, ist fairer Handel wichtig, der die hohen österreichischen und europäischen Standards wahrt”,

begründete ÖVP-EU-Delegationsleiterin Angelika Winzig ihre Enthaltung.

SPÖ, FPÖ und Grüne stimmten geschlossen gegen das Abkommen, die NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon stimmte gegen den Ablehnungsantrag.

Mehrheit für regionalen Handel und gegen Abholzung des Amazonas

“Das Mercosur-Abkommen darf auf keinen Fall ratifiziert werden. Die Entwicklungen in Brasilien unter dem Präsidenten Jair Bolsonaro sind untragbar”,

teilte SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder mit. Für den Grünen EU-Abgeordneten Thomas Waitz ist das Votum ein “klarer Arbeitsauftrag” an den neuen EU-Handelskommissar Dombrovskis, den das EU-Parlament am Mittwoch gemeinsam mit der neuer Finanzkommissarin Mairead McGuinness bestätigen will.

“Ohne Nachverhandlungen und klaren Vorbedingungen wird das Europaparlament nicht zustimmen”,

erklärte Waitz und forderte einen sofortigen Stopp der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes. Für Delegationsleiterin Monika Vana ist es “ein grüner Erfolg”, dass der Widerstand im Europaparlament gegen das Mercosur-Abkommen wachse.

“Die EU darf mit dem Demagogen Bolsonaro kein derart menschenfeindliches Handelsabkommen abschließen”,

so Vana.

Auch die FPÖ begrüßte in einer Stellungnahme den am Dienstag angenommenen Standpunkt des EU-Parlaments und bezeichnet das geplante Freihandelsabkommen als “weder moralisch, noch sozial tragbar”. “Zudem sollten wir uns mehr auf Regionalisierung und weniger auf Globalisierung konzentrieren und sollten entsprechend unser Potenzial auf europäischer Ebene in diese Richtung aufbauen”, hieß es darin.

Die NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon begründete ihre Ablehnung der “leichtfertigen Änderungsanträge” damit, dass eine gute Entschließung zur Handelspolitik von Freihandelsgegnern gekapert worden sei. Gleichzeitig seien sämtliche Referenzen betreffend notwendiger Klimaschutzverpflichtungen gelöscht worden.

Verhandlung seit 20 Jahren

Die EU und die Mercosur-Staaten hatten vor gut einem Jahr eine Grundsatzeinigung für einen Handelsvertrag erzielt. Zuvor war 20 Jahre lang verhandelt worden. Mit dem Pakt wollen die Europäische Union und vier südamerikanische Länder die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Das soll Unternehmen in der EU jährlich 4 Mrd. Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln.

Greenpeace-Aktivisten protestieren mit ausgerollten Banner gegen die Abholzung des Amazonas in Brüssel. / Foto: APA

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zuletzt kritisch gegenüber einem Abschluss des Paktes gezeigt. Laut dem EU-Abgeordneten Waitz will Deutschland während seines Vorsitzes im Rat der Europäischen Union Mercosur nicht vorantreiben. Obwohl das Abkommen politisch gewünscht sei, sei es Berlin wichtiger, Druck auf den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro auszuüben. “Für uns sind die Auswirkungen des Mercosur-Vertrages auf die Klimakrise ein entscheidendes Beurteilungskriterium. Vor diesem Hintergrund hat die österreichische Bundesregierung vereinbart, sich mit aller Kraft gegen den Abschluss des Abkommens mit den Mercosur-Staaten zu engagieren”, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Ende September an Merkel und den deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU).

Mercosur ist die spanischsprachige, abgekürzte Bezeichnung für den „Gemeinsamen Markt Südamerikas”.

Großindustrielle Fleischproduktion statt bäuerlicher Landwirtschaft

Würden sich die Mercosur-Staaten mit ihren Quoten-Forderungen durchsetzen, könnte es wie auch bei Soja zu einer massiven Ausweitung der Exporte nach Europa kommen. In Brasilien ist in den letzten Jahren die großindustrielle Fleischproduktion stark gewachsen – in den letzten 14 Jahren um 700 Prozent. Das geht aus einem Bericht der Umweltschutzorganisation “Global 2000” hervor. Brasilien ist weltweit der zweitgrößte Produzent und größte Exporteur von Rindfleisch. Für die Mastbetriebe für riesige Rinderherden werden weite Teile des verbliebenen Regenwaldes in Amazonien abgeholzt.

Durch das Handelsabkommen wäre das Vorsorgeprinzip der EU, nach dem bei Ungewissheit über die Sicherheit von Produkten diese nicht zugelassen werden dürfen, ebenfalls in Gefahr.

(jz/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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