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10 % für Wiener Kleinparteien – Analyse

Analyse

Fast 10 % der Wiener Stimmen werden im Rathaus nicht vertreten sein. Vier Kleinparteien haben es nicht über die 5 Prozent-Schwelle geschafft, konnten aber durchaus Erfolge feiern. ZackZack hat das Abschneiden analysiert.

Wien, 12. Oktober 2020 | Auch wenn es keine der vier Kleinparteien in das Wiener Rathaus geschafft hat, LINKS, BIER, SÖZ und THC sorgten am Wahlsonntag für Achtungserfolge. Demokratiepolitisch hat das eine Konsequenz: 10 % der Wähler werden zukünftig im Gemeinderat nicht vertreten sein. Die etablierten Parteien stellen zumindest in Wien bei Weitem nicht für alle eine Option dar. ZackZack hat sich die Ergebnisse der Kleinparteien genauer angesehen.

LINKS – 2,0 %

Das erste Antreten der KPÖ-Kooperation „LINKS“ beschert der jungen Partei 2 Prozent der Stimmen. Auf Bezirksebene erreichte man in manchen Bezirken fast 5 Prozent. Jedoch blieb man in den sogenannten Flächenbezirken (Simmering, Floridsdorf, Favoriten, Donaustadt) völlig unter der Wahrnehmungsschwelle. Dabei sind das gerade jene Bezirke, wo die Menschen am meisten von der katastrophalen Vermögensungleichheit leiden und wo es am meisten Stimmen zu holen gibt.

LINKS selbst plakatierte „Weil man in Favoriten 7 Jahre früher stirbt als in Döbling“, um auf die soziale Ungleichheit innerhalb der Stadt aufmerksam zu machen. Dass man dann aber in Favoriten nur etwas mehr als 1 Prozent erreichen konnte und wohl auch den Einzug in den Bezirksrat verpasst, benötigt dringend eine konsequente (und wohl auch schmerzhafte) Analyse der eigenen Zielgruppe.

BIER – 2,0 %

Österreich hat jetzt endgültig eine Satirepartei. Wie man einen zielgruppenorientierte Social Media Wahlkampf machen kann, ohne Hunderttausende Euro auszugeben, hat der Bier-Kenner Marco Pogo jedenfalls gezeigt. Das führte auch dazu, dass Pogo mit Abstand am meisten Medienpräsenz unter den Kleinparteien erhielt. Er amüsierte die Leute und stellte für 2 Prozent der Wähler sogar eine Alternative dar. Angesichts eines riesigen Nicht-Wähler-Pools ist das demokratiepolitisch erfreulich. Als Pogo am Sonntag seine Stimme abgab, dachte er bereits über die nächste Wahl nach: die Bundespräsidentenwahl sei interessant.

SÖZ – 1,6 %

Während die von Medien fälschlicherweise als „links“ bezeichnete Partei, in den meisten Teilen der Stadt völlig bedeutungslos blieb, konnte man in einigen Bezirken besser mobilisieren als LINKS oder BIER. Und zwar genau in jenen Bezirken, in denen sich die anderen beiden jungen Kleinparteien schwertun: In Simmering kam man fast auf 3 Prozent, in Favoriten schaffte man über 4 Prozent. Dort gibt es viele Stimmen zu holen, was Erdogan-nahe SÖZ insgesamt zu 1,6 Prozent führte.

In manchen einzelnen Sprengeln kam die religionsfreundliche Partei fast auf 10 Prozent. Nur mit einem gut vernetzten Apparat kann man sich solche Ergebnisse erklären. Es überrascht nicht, weiß man doch, dass Erdogan, als es zum vereitelten Militärputsch in der Türkei kam, schlagartig Tausende, oft auch Gastarbeiterkinder aus der dritten Generation schlagartig mobilisieren konnte. Die Mobiliserungskraft AKP-naher Politiker in Wien bleibt offenbar überschaubar.

THC – 3,4 %

Der ehemalige Vizekanzler der Ibiza-Regierung HC Strache hat damit vorerst seinen Tiefpunkt erreicht. Dass aber unter den wahlberechtigten, österreichischen Arbeitern noch immer 45 Prozent FPÖ-THC gewählt (26 FPÖ, 19 THC) haben, könnte man sich vielleicht durch deren Corona-Position erklären: Am häufigsten steckt man sich am Arbeitsplatz oder innerhalb der Familie an. Arbeiten zu gehen während Covid-19 heißt auch, sich einem hohen Risiko auszusetzen. Die Alternative ist häufig die Arbeitslosigkeit. Dass diese Menschen die Regierungspropaganda rund um das Virus scharf kritisieren, kann man nachvollziehen. Denn die Blümel-ÖVP kam mit ihrem scharfen Ausländerkurs und dem scharfen Coronakurs in dieser Wählerschicht nur auf peinliche 3 Prozent.

Das Abschneiden der Kleinparteien zeigt: Die SPÖ und die Kräfte links der SPÖ dürfen angesichts der kommenden massiven Wirtschaftskrise Arbeiter und ihre teils kritischen Haltung zu Corona-Maßnahmen nicht einfach ignorieren. Ansonsten ist die historische Pleite von FPÖ/THC nur eine Momentaufnahme. Für den Ibiza-Zombie der heimischen Politik dürfte das politische Spiel jedoch endgültig vorbei sein.

Thomas Oysmüller

Titelbild: APA Picturedesk

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