Von Distance Learning ausgeschlossen
Mit den steigenden positiv auf Covid-19 Getesteten geht auch das Risiko von Schulschließungen und der Umstellung auf Distance Learning einher. Doch nur wer über die notwendige Hardware verfügt, kann daran teilnehmen. Das Bildungsministerium hat es bis heute nicht geschafft, Österreichs Schüler für den Fall der Fälle auszurüsten: Bei Distance Learning werden Zehntausende Schüler ohne Laptop und/oder Internet sein.
Wien, 14. Oktober 2020 | Erst gestern wurde eine Mittelschule und das daran angeschlossene Polytechnikum im oberösterreichischen Großraming geschlossen. Distance Learning ist in solchen Fällen die einzige Möglichkeit, den Unterricht fortzusetzen – vorausgesetzt, dass die Schüler auch über das notwendige Equipment verfügen. Doch daran dürfte es Zehntausenden Schülern in Österreich mangeln.
12.869 ohne Internet, 46.658 ohne Laptop
Das Bundesministerium hat mittels Umfrage den Bedarf an Laptops unter Österreichs Schülern erhoben: 46.658 Geräte werden benötigt. Von den 1,1 Millionen Schülern in Österreich waren insgesamt 681.976 Teil der Befragung. Die SPÖ geht daher von einem höheren Bedarf von bis zu 100.000 Geräten aus, da insbesondere jene Familien ohne Laptop oder Internet an der Befragung nicht teilnehmen konnten.
12.869 Schüler sollen laut Erhebung des Bundesministeriums sogar in einem Haushalt ohne Internet leben.
März-Lockdown: Ein Schüler pro Klasse konnte nicht an Homeschooling teilnehmen
Die Laptop-Aktion des Bundes ist demnach nur ein Tropfen auf dem heißen Stein: Nur ein Zehntel der versprochenen Fördersumme für das Verfügungstellen von Laptops für Österreichs Schüler hat das Bildungsministerium bis Ende Juli ausgegeben (200.000 Euro). Von angekündigten 12.000 wurden insgesamt 10.000 Geräte zur Verfügung gestellt. Die Geräte wurden erst Ende April zugestellt, lange nach der Intensiv-Lockdown-Phase Mitte März. Fast 40.000 Schüler erhielten also nicht die notwendigen Mittel, um am Distance Learning teilnehmen zu können, oder in anderen Worten: jeder zwanzigste Schüler konnte im Fall von Homeschooling de facto nicht am Unterricht teilnehmen, weil den Eltern die notwendigen Mittel fehlten.
Erneutes “Nicht genügend” für Faßmann
Ob Cluster- oder Lockdown-bedingt: Mit Distance Learning ist zu rechnen. Wenn nicht für alle Schüler Österreichs, so doch zumindest für einige. Seit dem Frühjahr ist viel Zeit vergangen – Zeit, in der die Regierung alle bedarfserhobenen 46.000 Schüler mit Geräten hätte versorgen oder die in Regierungsplänen vorgesehene Gratis-Laptop-Aktion für 2021/2022 vorziehen hätte können, wie es SPÖ und NEOS fordern. Rasch und unbürokratisch hätte es gehen sollen, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann noch Ende April:
„Wir wollen vor allem sicherstellen, dass Hilfe und Unterstützung rasch und vor allem unbürokratisch bei den Schülerinnen und Schülern ankommt.“
Angekommen ist nur bei einem Bruchteil der Schüler etwas – sie haben ihre Laptops allerdings im Juni vor Sommerferienbeginn wieder an die Schulen zurückgeben müssen. Auf mehrfache Anfrage beim Bildungsministerium kam bis dato keine Stellungnahme bei uns an.
SPÖ: „Realitätsverweigerung“, NEOS: „Vorbereitung auf Herbst verschlafen“
NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg kritisiert die fehlende Vorbereitung auf den Herbst:
„Der Sommer wurde nicht genutzt, um sich auf den Herbst vorzubereiten – das wurde verschlafen. Der Umstieg von Schule vor Ort zu Schule daheim sollte reibungslos möglich sein und jeder Schüler, der ein Gerät braucht, sollte eines bekommen.“
Faßmann würde „bei der Zukunft unserer Kinder zu sparen“, kritisiert SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid und wirft dem Bildungsminister Realitätsverweigerung vor. Das hätten vor allem die letzten Monate gezeigt: „Von den im April angekündigten 5,5 Millionen Euro, die für Digitalisierung verwendet werden sollten, wurden bis August nur 2,1 Millionen Euro bereitgestellt und überhaupt erst 200.000 Euro ausgegeben.“
(lb)
Titelbild: APA Picturedesk