Mittwoch, April 24, 2024

Spionage gegen Österreich: Erdogan-Agent in Wien verhaftet

Spionage gegen Österreich

Feyyaz Öztürk, ein Ex-Agent des türkischen Geheimdienstes MIT, bringt im Juni 2020 mit seiner Aussage einen Mitarbeiter des US-Generalskonsulats in Istanbul ins türkische Gefängnis. Jetzt gesteht er in Wien, dass er in Istanbul zu einer Falschaussage gezwungen wurde. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen ihn wegen Spionage und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Öztürk sitzt in U-Haft. ZackZack hat die Fakten und das Geständnis.

 

 

Wien, 13. Oktober 2020 | Am 15. September 2020 steht ein 53-jähriger Mann beim Eingang zum Landesamt für Verfassungsschutz am Wiener Schottenring. Er stellt sich als Feyyaz Öztürk vor, zeigt seinen italienischen Pass und behauptet, vom türkischen Geheimdienst MIT mit einem Mordanschlag auf Berivan Aslan, eine österreichische Grün-Politikerin mit kurdischen Wurzeln, beauftragt worden zu sein – Zackzack berichtete.

Die Beamten führen ihn in den 3. Stock und beginnen mit der Einvernahme. Sie fragen zum Mordauftrag, zu Komplizen, zum MIT. Dann wechseln sie plötzlich das Thema: „Was wissen Sie über Metin Topuz?“

Öztürk antwortet: „Er steht zwischen der DEA und den türkischen Behörden.“ Das stimmt. Topuz war in Istanbul als Mitarbeiter des US-Generalkonsulats Kontaktmann zur Drug Enforcement Agency DEA, der US-Drogenfahndung. Am 11. Juni 2020 wurde Topuz in Istanbul von einem Gericht zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Der Vorwurf gegen ihn lautete: Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung und Beteiligung an der Vorbereitung des Gülen-Putsches.

Leeres Papier unterschrieben

Topuz bestreitet noch heute alle Vorwürfe. Aber die Aussage eines Kronzeugen führte zu seiner Verurteilung. Der Kronzeuge war Feyyaz Öztürk. Jetzt, im September 2020, berichtet Öztürk den Wiener Beamten, wie ihm eine falsche Aussage gegen Topuz abgepresst wurde: „Sie haben mich als Zeugen eingeschoben und mir ein leeres Papier vorgelegt, welches ich unterschrieben habe.“

Öztürk stand unter Druck: „Die machen das immer so. Oder ich würde mit Metin Topuz ins Gefängnis gehen… Sie werfen dich für zwei bis drei Jahre ins Gefängnis, auch ohne Beweise. Nach dieser Zeit lassen sie dich frei und sagen „Entschuldigung.“

Die erpresste Falschaussage von Öztürk stammt vom 5. Oktober 2017. Kurz darauf wurde die U-Haft über Topuz verhängt. Aber die Anwälte von Metin Topuz wollten Öztürk persönlich als Zeugen ins Kreuzverhör nehmen. Der Richter verschob die Hauptverhandlung auf den 10. März 2020, um Öztürk, der inzwischen italienischer Staatsbürger war, aus Italien nach Istanbul zu laden. Aber Öztürk kam nicht.

Am 11. Juni 2020 gab der Richter den Versuch, Öztürk zu laden, auf und schloss das Verfahren. Dann gab er das Urteil bekannt.

Der Erdogan-Agent

In seiner Vernehmung gibt Öztürk zu, jahrelang für den türkischen Geheimdienst MIT gearbeitet zu haben. Der MIT hat ihn ausgebildet und zahlte ihm zum Schluss eine Pension.

Die türkische Botschaft in Wien erklärt auf ZackZack-Anfrage. Es wurde eindeutig festgestellt, dass die besagte Person keinerlei Verbindungen zum türkischen Geheimdienst hat und ihre diesbezüglichen Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen.” Auf konkrete Fragen gibt die Botschaft keine Antworten.

Aber die Staatsanwaltschaft Wien sieht das ganz anders. Sie ermittelt jetzt unter 48 St 47/20k-8 gegen den Beschuldigten Öztürk wegen § 319 StGB – “Militärischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat” und § 278 StGB – “Kriminelle Vereingung”. Der “fremde Staat” ist die Türkei und die “kriminelle Vereinigung” wohl ihr Nachrichtendienst MIT. Öztürk wurde verhaftet und sitzt in U-Haft.

Die Wiener Ermittlungen laufen unter strenger Geheimhaltung. Auf Anfrage von ZackZack antwortet die Staatsanwaltschaft Wien am 13. Oktober 2020: „Bei gegenständlichem Verfahren handelt es sich um eine Verschlusssache, weshalb keinerlei Auskünfte erteilt werden können.“

Die Ermittlungen sollen klären, wer Öztürk den Mordauftrag gegen Berivan Aslan erteilt hat. Aber vor allem sollen sie eines bringen: genaue Kenntnis über das MIT-Netzwerk in Wien, Innsbruck, Belgrad und Ankara, das Öztürk nach Wien geschickt hat. Die politischen Spuren des MIT führen zur türkischen Botschaft in Wien und zur Regierung in Ankara.

Auf Grund der Falschaussage des MIT-Kronzeugen sitzt heute ein Mitarbeiter des US-Generalkonsulats im türkischen Gefängnis. Schon am Tag des Urteils protestierte US-Außenminister Mike Pompeo gegen die „unbegründeten Vorwürfe“ gegen Topuz. Das Urteil „unterminiert das Vertrauen in die Institutionen der Türkei“. Für Pompeo ist damit die Basis der türkisch-amerikanischen Beziehungen angegriffen.

Das Wiener Geständnis von Öztürk wird die Beziehungen kaum verbessern.

(red)

Titelbild: APA Picturedesk

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