Wien, 17. Oktober 2020 | Der zweite Prozesstag beginnt mit der Aussage des Zeugen der Assange-Verteidigung, Clive Stafford Smith, Anwalt in Großbritannien mit britischer und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft. Er engagiert sich gegen Todesstrafe, Folter, unrechtmäßige Inhaftierung und ähnliche juristische Fälle.
Zeuge: Wikileaks hat mir geholfen
Smith betont zunächst, dass ihm die Informationen, die Wikileaks veröffentlicht hat, sehr im Rechtsstreit Pakistan gegen illegale Drohnen-Angriffe geholfen hätten.
Er beschreibt einige der „Cables“, die durch Wikileaks an die Öffentlichkeit gelangt seien, darunter auch Listen von Tötungszielen, unter anderem eines US-amerikanischen Journalisten. Ebenso sagt er aus, dass aufgrund dieser veröffentlichten internen Papiere der US Regierung bekannt wurde, dass in Guantanamo nicht durchwegs Terroristen inhaftiert seien, sondern zu einem guten Teil Opfer eines perfiden Kopfgeldsystems.
Ebenso führt Smith an, dass Geständnisse dort durch Folter zustande gekommen seien. Diese Informationen wurden bereits in mehreren Verfahren, auch durch den Internationen Gerichtshof, als Beweismittel verwendet.
Ankläger will Auslieferung erzwingen
Dann beginnt James Lewis, einer der Ankläger, mit dem Kreuzverhör. Er fragt Zeuge Smith, ob er wirklich glaube, dass die Veröffentlichungen im öffentlichen Interesse seien – und ob er wisse, dass dies in Großbritannien keine Verteidigung in Bezug auf den „Offical Secrets Act“ sein könne. Der Zeuge antwortet: das stimmt, aber in den USA sei das anders.
Ankläger Lewis lässt aber nicht locker und erwidert darauf, dass Julian Assange ja „nur“ wegen der Veröffentlichung von Namen angeklagt sei und weil er damit die Genannten in Gefahr gebracht habe. Er drängt auf die Auslieferung. Smith entgegnet: in den USA sei es üblich, dass während des Prozesses noch weitere Anklagepunkte hinzukommen würden. Das könnte für Assange das Ende bedeuten.
Hintergrund: Auch Chelsea Manning war wegen der Veröffentlichung von Namen angeklagt, wurde in diesem Anklagepunkt aber freigesprochen. Sie war eine wichtige Quelle für Julian Assange. Daher macht so eine Anklage auch keinen Sinn. Sie ist Beobachtern zufolge nur dazu gut, um im Zuge des Auslieferungsprozesses sagen zu können, “es wird nur hier Anklage erhoben und deshalb ist ein Freispruch wahrscheinlich.” Sobald Assange aber erst einmal in den USA ist, könnte er sehr schnell auch wegen Landesverrats, Spionage etc. angeklagt und eventuell sogar zur Todesstrafe verurteilt werden.