London, 24. Oktober 2020 | Der dritte Tag beginnt mit der Aussage von Paul Rogers, einem Politikwissenschaftler, spezialisiert auf Sicherheitsthemen. Rogers macht klar, dass Julian Assange selbstverständlich politisch agiere und auch als politischer Gegner der aktuellen US-Regierung wahrgenommen werden will. Er sei aber aus Sicht von Rogers kein Feind der USA, sondern ausschließlich der Regierungspolitik.
Im Dienste der Öffentlichkeit
Durch die Veröffentlichungen, die auf Wikileaks zu den Kriegen in Afghanistan und dem Irak erschienen sind, habe sich die offizielle Erfolgs-Propaganda als falsch herausgestellt, sagt Rogers. Es seien dabei auch Details ans Tageslicht gekommen, die sonst nirgends verfügbar oder öffentlich seien. Somit habe Wikileaks auch dazu beigetragen, dass seither eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit für Kriegsthemen herrsche, und dass Transparenz und klare Verantwortlichkeit zu einer verbesserten Lage bei Menschenrechten und Demokratie führen würden.
Die Aussage von Rogers steht diametral der Anklage gegenüber, die in Assange einen gefährlichen Feind der USA sieht. Der Prozess, gerade mit Blick auf die Feindseligkeit im Saal, ist für Beobachter exemplarisch für die aktuelle Politik in den gespaltenen USA.
Ein politisches Verfahren
Ankläger Lewis zeigt das auch abermals in seinem Kreuzverhör und fragt den Zeugen, was denn explizit politische Meinungen seien und ob alle Journalisten politische Meinungen ausdrücken würden. Er versucht immer wieder, den Zeugen zu einer Aussage zu drängen, die Assanges Verhalten als kriminell und nicht polit-aktivistisch zu bewerten.
Damit hat er wenig Erfolg: Der Zeuge bleibt dabei und führt als Beleg an, dass unter Obama keine Verfolgung von Assange vorgenommen wurde, sondern erst nach der Amtsübernahme durch Trump, wobei sich die Beweise nicht geändert hätten. Die Anklage sei, so Rogers, im Justizministerium vorbereitet und geschrieben worden, und das sei bekanntermaßen ein hochpolitisches Haus. Deshalb müssten auch die negativen Äußerungen von hochrangigen Politikern über Julian Assange im Rahmen des Auslieferungsprozesses in Betracht gezogen werden.