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Was unsere Wirtschaft zerstört, ist die Angst – Kommentar

Kommentar

Der medizinisch für viele Experten sinnvolle Lockdown macht sichtbar, wie getrieben von Angst die türkis-grüne Bundesregierung handelt. Doch eine Wirtschaft, deren breite Masse man monatelang vernachlässigt hat, ist auf konsumfreudige, angstfreie Menschen angewiesen.

 

Benjamin Weiser

Wien, 31. Oktober 2020 | Österreich steht also vor dem zweiten Lockdown, ob „light“ oder nicht. Die Frage ist auch immer, für wen ein solches Herunterfahren „light“ ist. Für einsame oder hilfsbedürftige Menschen, für alleinerziehende Mütter, für verwitwete Pensionistinnen und Pensionisten ist es in jedem Fall eine Katastrophe, einen ganzen Monat soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren und weitgehend in der Wohnung sitzen zu müssen. Man kann sich natürlich aus der Ferne zuwinken oder vorgeben, die andere Person sei aus dem jeweils anderen Haushalt. Das gesellschaftliche Leben ist jedenfalls für einen Monat auf ein Minimum reduziert – und das kurz vor dem Winter.

Politik als Naturereignis

Gewiss, die gesundheitspolitische Dringlichkeit schärferer Maßnahmen lässt sich anhand der rasant steigenden Zahlen nicht von der Hand weisen. Die Betonung liegt hier allerdings auf politisch, denn Entscheidungen – und das betrifft vor allem Regierungsvertreter – werden wie das Virus selbst neuerdings quasi als Naturereignis dargestellt. Egal, was man am Ballhausplatz tut, man kann sich mit dieser neuen „Alternativlosigkeit“ gegen jegliche Kritik immunisieren.

Das stümperhafte Coronamanagement kann die Naturalisierung aber nicht überdecken: Man hat den Corona-Sommer im Kanzleramt verschlafen, doch die Quittung zahlt die Bevölkerung. Intensivbetten zu zählen, nach Monaten der Pandemie, ist blanker Hohn in den Ohren derer, die jetzt wieder folgsam bleiben sollen.

Oligarchie und der große Rest

Folgsam nämlich, indem brav zur Arbeit gegangen oder dieser von zuhause aus nachgegangen wird. Mit Regelungen für Home Office wird aber vorsorglich noch bis März 2021 gewartet. Bis dahin darf man brav die höheren Rechnungen bezahlen. Interessant: beim Arbeiten scheint das Infektionsrisiko eher zweitrangig zu sein, obwohl sich ein Fünftel der Infektionen auf den Arbeitsplatz zurückführen lassen. Da wird auch das Plexiglas nichts nützen, wenn der Sitznachbar acht Stunden lang Viren verteilt.

Zudem soll natürlich konsumiert werden. Der Handel soll florieren, die Leute sollen einkaufen, sonst fliegt der angeblich wirtschaftsfreundlichen Regierung die Unternehmerschaft nur so um die Ohren. Auch in Österreich ist Wirtschaft nämlich mehr als Alpen-Ballermann und Skitourismus. Es ist auch mehr als die türkise Oligarchie, die im Verdacht des Gesetzeskaufes steht und die Masse der Wirtschaft sonst immer in den Schatten der Aufmerksamkeit stellt.

Im Angesicht dieser Krise kann sich die Regierung eine Politik der einflussreichen Minderheit eigentlich nur bedingt leisten – die Gastro wird trotzdem an die Wand gefahren. Wenn sich ein Wirt Heizpilze gekauft und Hygiene-Konzepte für den Herbst überlegt hat, darf der sich gerne wieder bei Herrn Blümel um ein paar Euro anstellen. Sie kommen auch garantiert nicht an. Der Vergleichspunkt für das Gastro-Entschädigungspaket ist zudem der Umsatz aus dem Vorjahr. Wohl dem, der nicht letztes Jahr sein Lokal eröffnet hat.

Der Markt ist frei, die Menschen sind es nicht

Wer ganz sicher auf der Strecke bleibt, sind die Menschen. Sich um Verwandte kümmern, Freunde treffen, sei es auch nur im Freien, wird so stark beschränkt, dass man sich als Mutter oder Vater entscheiden muss, entweder das bereits ausgezogene Kind oder die einsame Großmutter in den Arm zu nehmen, geschweige denn Zeit miteinander zu verbringen. Da kommt Freude auf! Die Existenz bleibt finanziell bestehen (sofern man brav hackeln geht), aber auf psychischer Ebene wird sie aufs Spiel gesetzt.

Was die Regierung dabei vergisst: nicht etwa die lästigen, aber notwendigen Hygieneregeln sind hauptverantwortlich für schleppenden Konsum. Es ist die Angst. Die Angst, den Job in der Krise zu verlieren; die Angst, die Großeltern durch das Virus oder die Einsamkeit zu verlieren; die Angst als Unternehmer trotz großer Versprechen keinen Cent Hilfe zu bekommen. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Angst hemmt Konsum. Die Regierung versucht, beides voranzutreiben. Das kann nicht funktionieren.

Titelbild: APA Picturedesk

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