Mittwoch, April 24, 2024

“Wir halten zusammen” – Stimmen aus der Bevölkerung

Stimmen aus der Bevölkerung

Das Attentat in der Wiener Innenstadt am Montag traf ganz Österreich unvorbereitet. Am letzten Abend vor dem Lockdown hatten sich zahlreiche Menschen noch ein letztes Mal mit ihren Freunden zum Ausgehen oder auf ein Getränk getroffen. Niemand ahnte, was sich an dem Abend noch ereignen sollte. ZackZack hat sich in der Bevölkerung am Tag danach umgehört.

Wien, 03. November 2020 | Stefanie S. (30) (Name von der Redaktion geändert) traf sich am Montagabend in der Wiener Innenstadt mit Freunden: „Wir waren in einem Lokal am Stephansplatz, als uns Freunde anriefen und meinten, sie hätten Schüsse gehört und würden heimgehen. Wir haben das aber nicht so ernst genommen und dachten an Böller, das passiert ja immer wieder mal.“

Die Gruppe saß wegen Corona im Schanigarten vorm Lokal. Bald darauf sah sie ein Dutzend Menschen schreiend auf das Lokal zulaufen, erzählt Stefanie S. gegenüber ZackZack:

„Alle sind gleichzeitig aufgesprungen und ins Lokal gelaufen, Sessel und Tische sind geflogen. Wir sind alle runter in den Keller, die Kellner haben die Türen versperrt.“

Auch Tarik P. (27) (Name von der Redaktion geändert) hat den Abend mit Freunden beim Tennisspielen in der St. Marx Halle verbracht, als er und seine Freunde plötzlich zahlreiche Anrufe erhielten – Freunde und Familie wollten wissen, ob alles in Ordnung war.

„Wir konnten nicht hinaus gehen, die Polizei hat die Straßen gesperrt. Die Halle wurde zugesperrt, abgedunkelt, wir saßen zu zwanzigst in der Garderobe, fünf Stunden lang, bis die Polizei gesagt hat – jetzt könnt ihr nach Hause fahren.“

Die Atmosphäre sei von Angst und Anspannung erfüllt gewesen, erzählt Tarik, unterlegt von den Geräuschen außerhalb der Halle: Schüsse, Hubschrauber, Polizeisirenen.

Leute “schicken sich gegenseitig Kraft”

Moritz B. (15) hat die Ereignisse quasi live via Social Media und Nachrichten von Niederösterreich aus verfolgt. Er sei bis in die frühen Morgenstunden am Bildschirm gesessen, erzählt er gegenüber ZackZack – wie schnell sich Bilder und Videos des Attentats und mit ihnen unbestätigte Gerüchte von zahlreichen Toten verbreitet hätten, habe den 15-jährigen Schüler „erschrocken“. „Ich hab’ sehr unruhig geschlafen, das hat was mit mir gemacht. Ich glaub, genau das ist das Ziel solcher Attentate: auf sich aufmerksam machen und Leuten Angst machen. Wie schnell sich das verbreitet hat, wer das aller weiß: Es ist erschreckend.“

Gleichzeitig sieht Moritz B. auch viel Zusammenhalt, und

„dass sich Leute gegenseitig viel Kraft schicken.“

Der Zusammenhalt überwiege.

Zusammenhalt mit muslimischen Mitbürgern

Auch Marie M. (40) aus Wien Simmering hat die Geschehnisse bis in die Nacht hinein mitverfolgt.

„Ich hoffe, dass das für die muslimischen Mitbürger – oder jene, die für solche gehalten werden – dass die keine Wickl jetzt bekommen“,

sagt sie gegenüber ZackZack in Hinblick auf die laut Behörden islamistisch motivierte Tat. Genau jetzt sei es deshalb wichtig, zu differenzieren, mahnt auch Gabi F. (50), die die Geschehnisse von der Steiermark aus mitverfolgt hat:

„Man muss gerade jetzt unbedingt differenzieren und das Gespräch mit muslimischen Mitmenschen suchen. Miteinander sollten diese Menschen, dieser Attentäter, die sich außerhalb jeder Religion, der Gesellschaft gestellt haben, gemeinsam geächtet werden.“

Denn der Islam werde von der stark überwiegenden Mehrheit der Muslime als friedliche Religion gelebt, so F.

“Die Ideen sind manipuliert”

Tarik P. ist selbst Muslim. Er hält es vor allem für wichtig,

„dass die Menschen wissen, dass solche Ideen und so eine Mentalität nichts mit der Religion zu tun hat. Die Ideen sind manipuliert“

Religion dürfe nicht als Feind, Muslime nicht als Teufel gesehen werden. Informationen zu sammeln, zu differenzieren, sei jetzt sehr wichtig, betont der ägyptisch-stämmige Wiener.

„Wir wissen nicht viel über die Hintergründe des Anschlags. Die Leute sagen, es war islamistisch motiviert. Das trifft auch viele Muslime in Österreich. Die Situation ist jetzt schlechter für Muslime. Die Leute, die solche Sachen machen, sind keine echten Muslime. Die sind gehirngewaschen. Es hat eine negative Auswirkung auf alle anderen. Das ist jetzt wichtig, zu differenzieren“,

betont auch Azim N. (23) im Gespräch mit ZackZack. Ihn erinnert die derzeitige Situation an sein Heimatland Afghanistan. Wien sei jetzt voller bewaffneter Polizisten, ganz anders, als er es eigentlich kenne. Gestern sollen Attentäter in Kabul an der Uni eine ganze Klasse erschossen haben, erzählt Azim N. – islamistisch motiviert, die Opfer: überwiegend Muslime.

“Unseren Hass werden sie nicht ernten”

Auch Ricarda B. (29) aus Wien hat die gestrigen Ereignisse von zu Hause aus mitverfolgt. Sie bezieht sich im Gespräch mit ZackZack auf die Worte des Franzosen Antoine Leiris, der während der Terroranschläge 2015 die Liebe seines Lebens verlor:

„Unseren Hass werden sie nicht ernten. Die Attentäter versuchen, Angst, Wut und Aggression zu erzeugen. Das werden sie nicht bekommen. Das Wichtigste jetzt ist, zusammenzuhalten. Das brauchen wir eh dringend: Noch mehr Zusammenhalt in diesen Zeiten.“

Auch Moritz B. zieht denselben Schluss: „Sich so wenig wie möglich Angst machen lassen, weil man damit den Attentätern genau das gibt, was sie sich wünschen – Angst vor Menschen, Angst in der Bevölkerung. Das nährt die. Wir müssen jetzt zusammenhalten.“

(lb)

Titelbild: Pixabay

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