Montag, April 15, 2024

Entrüstung über Terror-Berichterstattung – 1.450 Presserat-Beschwerden, 50.000 unterschreiben Petition

1.450 Presserat-Beschwerden, 50.000 unterschreiben Petition

Die Berichterstattung über den Terroranschlag einiger Medien, allen voran von “oe24”, sorgte am Montag für Entrüstung. Eine Petition, die einen Stopp von Inseraten und weiteren Zuwendungen fordert, erreichte mittlerweile fast 50.000 Unterschriften. Beim Presserat gelangten 1.450 Beschwerden gegen “oe24” und “Krone” ein.

Wien, 04. November 2020 | In der Terrornacht vom 2. November machten zahlreiche Falschmeldungen die Runde. Auch in einschlägigen Tagezeitungen wurden diese publiziert. In Livetickern und Liveschaltungen waren zahlreiche Gerüchte verbreitet worden, doch kurz darauf stellten sich einige davon als Falschmeldungen heraus. Bei der Wiener Bevölkerung sorgte das die ganze Nacht lang für Verunsicherung.

Ungeprüft oder unzureichend geprüft

Auf “oe24” wurde die Meldung von möglichen zehn Attentätern und jene über ein ungeprüftes Bekennerschreiben auf Grundlage eines Twitter-Kommentars veröffentlicht. “Kurier” und “oe24” sprachen zeitweise von sieben Todesopfern (es sind Stand jetzt vier, Red.), während “Falter”-Chefredakteur Florian Klenk unter Berufung auf “Polizeifunk” die Meldung einer Geiselnahme auf der Mariahilferstraße via Twitter verbreitete. Die mutmaßliche Geiselnahme hat sich dann als falsch herausgestellt. Die “Kronen Zeitung” sprach vorübergehend von einem Sprengstoff-Attentat.

Screenshot “oe24”: Abgerufen 03. November 2020/00:36 Uhr.

Interessant: Zunächst verbreitete der “Kurier” die Polizeiwarnung vor Gerüchten, um danach selbst solche zu streuen. Screenshot “Kurier”: Abgerufen 02. November 2020/22:25 Uhr.

Polizei bat keine Videos zu veröffentlichen – “Krone” und “oe24” taten es

Für besondere Entrüstung sorgte die Veröffentlichung von Tatort-Videos, auf denen zu sehen ist, wie der mutmaßliche Attentäter auf Personen schießt. Die Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien) bat die Bevölkerung in der Terrornacht eindringlich, Videos auf die hauseigene Plattform zu stellen und nicht in den sozialen Netzwerken zu verbreiten.

“Krone” und “oe24” veröffentlichten die Videos zunächst trotzdem, um sie infolge lauter Kritik danach wieder herunterzunehmen.

Flut an Beschwerden, Werbepartner springen ab

Auf Twitter wurden zudem Forderungen laut, die Presseförderung oder die Vergabe von Inseraten an den Umgang mit solchen Vorfällen zu knüpfen. Beim Presserat gelangten, Stand Mittwochvormittag, bereits 1.450 Beschwerden gegen die Boulevardriesen “Krone” und “oe24” ein.

Werbekunden wie Billa, Spar und Hofer kündigten an, Werbeschaltungen in beiden Medien stoppen zu wollen. Billa twitterte:

“Wir unterstützen dieses Vorgehen in keiner Weise, der Stopp unserer Werbeschaltungen auf diesem Medium ist bereits veranlasst”,

so das Unternehmen. Auch beim Online-Auftritt der Krone, “krone.at”, sei der Stopp von Werbeschaltungen veranlasst worden.

Petition fast bei 50.000 Unterschriften

Zeitgleich wurde von aufstehn.at eine Petition gestartet. Die Forderung an die Politik bezüglich “oe24” ist dabei,

„dass alle öffentlichen Institutionen Österreichs, insbesondere die Bundesregierung und die Stadt Wien, jegliche Zuwendungen – sowohl in Form von Presseförderung als auch in Form von Inseraten und anderen Schaltungen – sofort einstellen.“

Die Petition weist zudem auf die Zahlungen hin, die “oe24” von der Regierung ohne Inserate erhält. “OE24.TV hat 2020 alleine 3.650.000 € (1.910.000 € + 1.740.000 € Corona Sonder-Förderung) aus dem Fördertopf des Privatrundfunkfonds erhalten und ist somit der höchstgeförderte Einzelsender Österreichs.” Stand Mittwoch 12:00 Uhr haben bereits 48.450 Menschen die Petition unterschrieben.

Screenshot: mein.aufstehn.at.

Fellners entschuldigen und rechtfertigen sich

“Oe24”-Chefredakteur Niki Fellner entschuldigte sich in einem Statement auf Facebook für die Veröffentlichung der Videos, rechtfertigte jedoch deren Veröffentlichung: „Das Video stammte nicht von oe24.tv, sondern vom israelischen Fernsehen, wurde weltweit von Dutzenden TV-Stationen – von Bild-TV in Deutschland bis zu CNN und ABC in Amerika – übernommen.“ Gleichzeit schrieb Fellner: „An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle unsere Zuseher. Oe24.tv hatte gestern in seiner Sondersendung zum Terror-Anschlag von 20 bis 3 Uhr früh gesamt 668.000 Zuseher – so viele wie noch nie.“

„Österreich“-Herausgeber und Vater von Niki Fellner, Wolfgang Fellner, verteidigte gegenüber der APA die Berichterstattung. Es handle sich um eine “ganz normale Dokumentation eines Terroranschlags“.

Krone wollte “Bedrohungslage unterstreichen”

Der Chefredakteur der “Kronen Zeitung”, Klaus Herrmann, reagierte in einer schriftlichen Stellungnahme: “Wir haben uns nach internen Diskussionen in der Nacht entschieden, Tatvideos nach bestmöglicher technischer Entschärfung zu veröffentlichen, um die Bedrohungslage zu unterstreichen. Die Videos wurden heute Morgen nach der – vermuteten – Entspannung der Lage wieder offline genommen”.

(bf)

Titelbild: APA Picturedesk

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