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Amnestie für Trump?

Das ist ein Unterüberschrift

Trump ist abgewählt, aber noch zwei Monate im Amt? Was kann er in dieser Zeit noch tun. Und: Welchen Deal schließt Trump, um sich womöglich eine Amnestie zu verschaffen? Von Eugen Freund

Wien, 09. November 2020 | Rund zwei Monate hat er noch: solange kann sich Donald Trump noch Zeit lassen, um auf die elegante New Yorker 5th Avenue zu gehen und dort einen Passanten zu erschießen – und niemand würde ihn anklagen. Womit er vor seiner Wahl zum Präsidenten einmal geprahlt hatte (“I could stand in the middle of Fifth Avenue and shoot somebody and I wouldn’t lose any voters,”) kann er jetzt noch schnell in die Tat umsetzen: wird er – wie erwartet – für alles, was rechtlich fragwürdig ist, pardoniert oder er setzt diesen Schritt selbst und spricht sich juridisch von jeder Schuld frei? Dann kann er nicht nur keine Wähler mehr verlieren, sondern auch nicht im Gefängnis landen.

Pardon, Mr. President

Denn er hat Schulden in Millionenhöhe, wird mit unzähligen Anklagen konfrontiert, in New York gibt es sogar einen strafrechtliche Untersuchung wegen Betrugs im Zusammenhang mit seiner Steuererklärung. Das wird tatsächlich seine größte Sorge sein, denn er verliert spätestens am 20. Jänner 2020 seine Immunität, dann ist Schluss mit lustig. Auch wenn seine Anwälte mit allen Mitteln versuchen, das Wahlergebnis umzudrehen, die Chancen dafür sind gering. Bei früheren Wahlen gab es auch immer wieder Überprüfungen, doch mehr als einige hundert Stimmen wurden nie als ungültig erklärt, von der Möglichkeit, dass ein Wahlergebnis gedreht wird, ganz zu schweigen. Also wird Trump nichts anderes übrig bleiben, als auf ein Pardon zu drängen. Immerhin: in diesem Fall hat der Präsident die Geschichte auf seiner Seite.

Tricky Dick als Vorbild

Es war im Jahr 1974. Richard Nixon, 37. Präsident der Vereinigten Staaten, sah sich im Sommer einem Amtsenthebungsverfahren gegenüber. Zuvor waren, auf sein Zutun hin, ein paar Kleinganoven in das damalige Wahl-Hauptquartier der Demokraten im Washingtoner Watergate Hotel eingebrochen, um dort wichtige Unterlagen zu stehlen. Nixon wurde von seinen engsten Mitarbeitern überredet, statt aus dem Amt geworfen zu werden, lieber freiwillig zu gehen. Das tat er auch – mit der unausgesprochenen Zusage, sein Nachfolger, Gerald Ford, werde ihn pardonieren. Genau das tat Ford auch einen Monat nach dem Rücktritt Nixons. Für Donald Trump ist die Sache nicht so einfach: sein Nachfolger kommt ja nicht aus seiner eigenen Partei, daher kann er nicht so lange zuwarten. Eine Möglichkeit besteht also darin, noch vor seinem Ausscheiden zurück zu treten und seinem Vize, Mike Pence, ein paar Tage das Amt zu überlassen. Dabei könnte (müsste, sollte) Pence das Schriftstück unterschreiben, das Trump von allen möglichen Anklagen freisprechen würde. Das würde zwar auch einen Aufschrei auslösen, doch der wäre noch viel größer, würde Trump diesen Schritt selbst setzen, was rechtlich durchaus möglich ist.

Pardon für Nixon – Vorbild für Trump?

Trump setzt sich auch unmittelbar nach der Wahl über alle Normen hinweg. Dass er sich kultiviert aus dem Amt verabschiedet, wäre ohnehin viel verlangt. Rechtlich betrachtet kann er mit seiner „Concession-Speech“ – also der Rede, in der er die Niederlage einbekennt – warten, bis alle Resultate zertifiziert sind – das wäre zwar immer noch einigermaßen ungewöhnlich, aber jedenfalls verfassungskonform. Wie sehr er Joe Biden in den nächsten rund 70 Tagen noch das Leben versauern wird, ist schwer voraus zu sagen. An seiner Unberechenbarkeit wird sich kaum etwas ändern.

Bidens Herkules-Aufgaben

Biden kündigte jedenfalls schon an, zwei Dinge unmittelbar nach seiner Angelobung in die Hand zu nehmen: er will den Kampf gegen das Covid-19 Virus mit Hilfe der besten Wissenschaftler aufnahmen und er will dem Pariser Klima-Abkommen wieder beitreten. Wenn sich der Staub einmal gelegt hat, wird es außenpolitisch auch zu Änderungen kommen. Im Unterschied zu Trump wird er sich von Israel nicht mehr zu einer totalen Konfrontations-Politik gegenüber dem Iran überreden lassen, und er wird – ebenfalls anders als Trump – die Palästinenser nicht völlig aus dem Friedensprozess ausklammern. Die Europäer werden sich darauf verlassen können, dass er die Spitzen in Brüssel auf Augenhöhe behandelt und die EU nicht zu spalten versuchen wird. Darüber hinaus dürfte sich seine Politik gegenüber Putins Machtdemonstration nicht wesentlich von der seines Vorgängers unterschieden. China wird die eigentliche Herausforderung darstellen – sowohl im Bereich des Handels als auch, was die instabile Lage in Hongkong betrifft. Von den Territorialkonflikten im Chinesischen Meer ganz abgesehen. Die rund zehn Jahre, die er im außenpolitischen Ausschuss des US-Senats verbrachte, plus weitere acht Jahre als Vizepräsident unter Barack Obama – so gut vorbereitet war noch kaum ein Präsident auf sein Amt.

Die Spaltung ohne Ende

Dass das Land politisch so gespalten ist, wie nun ständig getrommelt wird, ist sicher richtig. Doch das war es auch unter Obama, das war es auch unter Bush jr., das war es auch unter Clinton. Ich erinnere mich noch an die Zeit als der Republikaner Ronald Reagan in den 1980er Jahren mit dem demokratischen Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Tip O’Neill, beinahe freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Ab damals ging’s bergab. Vor allem Clinton, der Reagans Nachfolger G.H.W. Bush aus dem Amt warf, wurde gehasst wie kaum ein zweiter. Newt Gingrich war sein Gegenspieler im Kongress und der unternahm alles, um Clinton das Leben so schwer wie möglich zu machen – bis hin zum probaten Mittel, ihm das Geld zu verweigern, wodurch eine wochenlange Regierungssperre  ausgelöst wurde.  George W. Bush wurde verachtet, weil er Al Gore mit Hilfe des Obersten Gerichtshofs die Präsidentschaft unter den Füssen weggezogen hatte.

Dann kam Barack Obama. Der schwarze Intellektuelle mit kenianischem Vater war  ein absolut rotes Tuch für die Republikaner: der latente Rassenhass wurde durch Mitch McConnell, dem republikanischen Mehrheitsführer im Senat mit dem Ausspruch auf die Spitze getrieben: „Unsere einzige Aufgabe besteht darin, eine zweite Amtszeit von Obama zu verhindern!“ Donald Trump, der Geschäftsmann, streute von Anfang an Zweifel daran, dass Obama überhaupt legitimiert war, Präsident zu werden. „Zeigen Sie mir Ihre Geburtsurkunde!“ rief er aus seinem Tower an der Fifth Avenue und die Medien griffen den Knochen begierig auf. Dass Obama die schiesswütigen Rechtsradikalen überlebte, kann er sich nur seinen loyalen Secret-Service Bewachern und den aufmerksamen FBI-Beamten zuschreiben. Besser ist die Stimmung seit damals freilich nicht geworden, im Gegenteil, und das verdanken die Amerikaner nicht zuletzt Donald Trump.

Bilder: APA Picturedesk

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