Schon wieder!
Der Budgetdienst des Parlaments stellt den Corona-Hilfen der Regierung ein vernichtendes Zeugnis aus. Bei den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen durch das Finanzministerium seien unrealistische Annahmen getroffen worden. Das oberste Fünftel profitiere am meisten. SPÖ-Budgetsprecher Krainer meint dazu: “Dass die ÖVP das gut findet, wundert mich nicht”.
Update 10.11.2020: Der Budgetdienst nahm seine Kritik an der Wirkungsorientierten Folgeabschätzung (WFA) des Konjunkturstärkungsgesetzes zurück. Man habe „bei der Anfragebeantwortung zu den Auswirkungen des Konjunkturstärkungspakets 2020 … die Wirkungsorientierte Folgenabschätzung (WFA) des BMF zum Konjunkturstärkungsgesetz 2020 falsch interpretiert.“ Der Wertschöpfungseffekt errechne sich aus den Maßnahmen der Einkommensteuer und der Möglichkeit zur vorzeitigen Abschreibung. Die übrigen Teile der Analyse seien nicht betroffen. Das BMF teilt die Kritik des Budgetdienstes, dass Wohlhabendere mehr profitieren nicht und verweist auf eine OGM-Studie.
Wien, 09. November 2020| Von Blümels Corona-Maßnahmen profitieren vor allem Gutverdiener. Das Blümel-Ministerium hat bei der Abschätzung der Auswirkungen seiner Maßnahmen offenbar Fehler bei der Dateneingabe gemacht. Daher stimmen die optimistischen Prognosen des Finanzministeriums nicht. Zu diesem Ergebnis kam der Budgetdienst des Parlaments. Er hat die vorgezogene Senkung der Einkommensteuer, die Erhöhung der Negativsteuer, die Einmalzahlungen für Familien und Arbeitslose sowie die Investitionsprämie untersucht. Außerdem hat er die Verteilung der Effekte auf die einzelnen Einkommensgruppen überprüft.
Eingabe-Fehler in Blümel-Ministerium
“Die in der WFA (Wirkungsorientierten Folgenabschätzung) ausgewiesenen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Konjunkturstärkungsgesetzes 2020 sind deutlich zu hoch, weil unrealistische Annahmen für den Konsumimpuls getroffen wurden”, heißt es in der Stellungnahme, die der APA vorliegt. So würden die Haushalte von 2020 bis 2024 durch die Steuersenkung um 8,3 Mrd. Euro entlastet, die WFA gehe aber von einem Wertschöpfungszuwachs aus, der einem Anstieg des Privatkonsums um 11 Mrd. Euro entspreche. Ab 2021 müssten demnach die Österreicherinnen und Österreicher für jeden Euro an Entlastung mehr als einen Euro zusätzlich ausgeben. Das “legt nahe, dass dem BMF bei der Eingabe der Werte in das WFA-IT-Tool ein Fehler unterlaufen sein dürfte”, so der Budgetdienst.
Steuerentlastung kommt Wohlhabenden zu Gute
Die Entlastung bei der Einkommenssteuer belaufe sich heuer auf 1,38 Mrd. Euro, wovon fast die Hälfte (46 Prozent) auf das wohlhabendste Drittel der österreichischen Haushalte entfalle. Etwa die Hälfte des Betrages dürfte in den Konsum fließen. Durch die Einmalzahlungen für Familien dürften die verfügbaren Einkommen heuer um 665 Mio. Euro steigen. Da hier das ärmste Drittel der Haushalte einen überdurchschnittlich hohen Anteil erhalte, dürften 60 Prozent der Entlastung in den Konsum fließen. Die Einmalzahlungen für Arbeitslose erhöhen heuer die verfügbaren Einkommen um 181 Mio. Euro (bei Verlängerung um 200 Mio. Euro). Zwei Drittel davon dürften in den Privatkonsum fließen.
Für die Förderung von Investitionen schüttet die Regierung nach aktuellem Stand zwei Mrd. Euro Investitionsprämie aus. Mit den aktuell veranschlagten zwei Milliarden Euro sollten nach Einschätzung der Regierung 20 Mrd. Euro an Investitionen “ausgelöst” werden. Der Budgetdienst geht allerdings davon aus, dass lediglich zwei Milliarden Euro davon tatsächlich zusätzliche Investitionen sind, die ohne die Prämie nicht getätigt worden wären. Alles andere seien Mitnahmeeffekte, also die Förderung ohnehin geplanter Investitionen und Vorzieheffekte, dass also Veranlagungen früher als geplant über die Bühne gehen. “Eine sinnvolle Evaluierung würde untersuchen, welcher Anteil der geförderten Investitionen tatsächlich zusätzlich bewirkt wurde bzw. wegen der Prämie vorgezogen wurde”, regt der Budgetdienst an.
Die Regierung geht davon aus, dass die Maßnahmen von 2020 bis 2024 direkte Budgetkosten von rund 11,4 Mrd. Euro verursachen, diesen aber indirekte positive Wirkungen gegenüberstehen, die zu einer Selbstfinanzierung von 64 Prozent der direkten Kosten führen. “Der relativ hohe Selbstfinanzierungsgrad ist hierbei eine Folge der tendenziell überschätzten Wertschöpfungsmultiplikatoren … und stellt aus Sicht des Budgetdienstes eher eine Obergrenze dar”, heißt es in der Analyse.
Einkommensschwache Haushalte erhalten nur Bruchteil
Insgesamt geht der Budgetdienst des Parlaments davon aus, dass die wohlhabenderen Haushalte von dem Maßnahmen stärker profitieren werden als die ärmeren. Dem Fünftel der Haushalte mit dem höchsten Einkommen kommen demnach 23 Prozent der positiven Effekte zugute, vor allem weil sie am stärksten von der Tarifsenkung der Einkommenssteuer profitieren. Vom gesamten Entlastungsvolumen entfallen hingegen nur rund 16 Prozent auf das einkommensschwächste Fünftel der Haushalte, weil hier zahlreiche Personen aufgrund eines zu geringen Einkommens nur begrenzt von der Senkung des Eingangssteuersatzes profitieren und dies nur teilweise durch die Erhöhung des SV-Bonus kompensiert wird.
Krainer: “Dass die ÖVP das gut findet, wundert mich nicht”
SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer meint zum Urteil des Budgetsdienstes: “Das ist keine Überraschung, weil schon beim Beschluss klar war, dass die kleinen Einkommen wenig und die kleinsten Einkommen nichts davon haben werden. Wir haben das damals kritisiert und bleiben bei der Kritik. Die Senkung der Einkommenssteuertarife schlägt immer am stärksten bei den höchsten Einkommen durch. Dass die ÖVP das gut findet, wundert mich nicht, dass die Grünen da mitmachen, wundert mich schon. Man muss jetzt in der Krise gerade den BezieherInnen kleiner und kleinster Einkommen helfen.”
(apa/bf)
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