Mittwoch, April 24, 2024

Betrug bei WKO-Wahlen im Burgenland – ÖVP-Wirtschaftsbund in Erklärungsnot

ÖVP-Wirtschaftsbund in Erklärungsnot

Was haben die Ergebnisse der Wirtschaftskammerwahl im Burgenland und die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen gemeinsam? Den Vorwurf des Wahlbetrugs. Der Unterschied: Im Burgenland kam es laut “Profil”-Recherchen wirklich dazu. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Wien, 16. November 2020 | Das Nachrichtenmagazin “Profil” hat bei der Wirtschaftskammerwahl im Burgenland Anfang März einen Betrug aufgedeckt. Dabei seien Kandidaten des ÖVP-Wirtschaftsbundes für Fälschungen bei Wahlkarten und Anträgen verantwortlich. Das entnehmen Ermittler dem 114-seitigen Abschlussbericht des Landeskriminalamts an die Staatsanwaltschaft.

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft in der Causa gegen sechs Beschuldigte wegen Urkundenfälschung und Fälschung bei einer Wahl, es gilt die Unschuldsvermutung. Detail am Rande: Die WKO-Wahlen fanden nur eine Woche vor dem ersten Lockdown statt.

Auskunftsbereite Mittäter und geständige Täter

Bei der Manipulation handelt es sich laut Bericht um die Stimmen von 24-Stunden-Pflegerinnen, die als Einzelunternehmerinnen wahlberechtigt waren. Deren Stimmen sollten zugunsten der Kandidaten des ÖVP-Wirtschaftsbundes ausfallen. Im Fokus steht dabei die Kandidatin Anita Szojak. Sie ist die Chefin einer Agentur für Vermittlung von 24-Stunden-Pflegerinnen, was ihr den Zugang zu den Daten der Betreuerinnen ermöglichte. Eine ehemalige Angestellte packte vor dem Landeskriminalrat aus. Sie soll drei Tage lang damit beschäftigt gewesen sein, Dokumente der 24-Stunden-Betreuerinnen inklusive ihrer Unterschriften auszudrucken und sie auf Wahlkartenanträge zu kleben. Diese seien anschließend eingescannt und der Kammer gemailt worden.

Ein weiterer Kandidat des ÖVP-Wirtschaftsbunds, Norbert Aichhorn, setze auf eine andere Methode. So gestand er in seiner Einvernahme: „Ich habe mich zumindest einmal selbst gewählt. (…) Ansonsten habe ich noch weitere zumindest 10 Vorzugsstimmen auf meinen Namen lautend angebracht“, berichtet das “Profil”. Seine Verteidigung lautete demnach, „nur ein respektables Vorzugsstimmenergebnis“ haben zu wollen.

Beschwerde der Grünen Wirtschaft ignoriert

Bei der Auszählung der Stimmen will Anja Haider-Wallner von der Grünen Wirtschaft, die als Mitglied der Hauptwahlkommission anwesend war, eine verblüffende Ähnlichkeit der Handschriften bemerkt haben – und eine auffällige Wiederholung derselben Namen. Die zuständigen Personen seien zwar darauf aufmerksam gemacht worden, jedoch vergebens. Die Wahlkommission dachte offenbar nicht daran, den Vorfall zu protokollieren. „Ich habe auf meinen Eindruck hingewiesen, man ist nicht weiter darauf eingegangen und ich wurde aus dem Raum geschickt.“ So blieb Haider-Wallner nichts anderes übrig, als sich an die Staatsanwaltschaft direkt zu wenden.

Unterdessen fordert die Grüne Wirtschaft WK-Präsidenten Harald Mahrer zur Stellungnahme zu den Vorkommnissen im Burgenland, aber auch in Kärnten und Oberösterreich (wo sich Ähnliches abgespielt haben soll) auf. „Der Ermittlungsbericht des LKA zeigt erschütterndes Laissez-Faire bzw. ein eigenwilliges Selbstverständnis der betroffenen FunktionärInnen und auch der WK-MitarbeiterInnen auf. Die Einhaltung demokratischer Mindeststandards ist offensichtlich keine Selbstverständlichkeit“, heißt es in dem offenen Brief der Grünen Wirtschaft.

Journalist Jakob Winter vom “Profil” sprach mit ZackZack über seine Recherchen:

„Die Profil-Recherchen zeigen, dass das Wahlsystem der Wirtschaftskammer offensichtlich betrugsanfällig ist. Dadurch kann das Vertrauen in die Demokratie beschädigt werden. Es wäre gut, wenn die Kammer ihr System umstellt – um Manipulationen in Zukunft zu vermeiden.”

so Winter. Und weiter:

„Durch den Wahlskandal drängen sich einige Fragen auf, die noch unbeantwortet sind: Warum wurden die Wahlkarten nicht eingeschrieben und damit persönlich an die Wählerinnen, also an die Pflegerinnen, geschickt – und wie konnten die Stimmzettel in den Händen der Wirtschaftsbund-Kandidaten landen? Warum blieben die gefälschten Unterschriften auf den Wahlkartenanträgen unentdeckt? Und wird die Wahl in der Fachgruppe wiederholt?”

(nb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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