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Wien: Das steht im Koalitionsübereinkommen

Wien:

Die neue Wiener Stadtregierung ist fix. Was kommt auf die Bundeshauptstadt zu? ZackZack fasst die wichtigsten Punkte des Koalitionsübereinkommens zusammen.

 

Wien, 17. November 2020 | Ganze 212 Seiten stark ist das Regierungsprogramm der „Fortschrittskoalition“, wie Rot-Pink sich nennt. In neun Kapiteln gibt es zu lesen, was die Stadtregierung vorhat. Ein großer Teil davon ist sozialdemokratische Agenda, wie sie schon im Wahlprogramm der Wiener SPÖ zu lesen war. Der kleinere Koalitionspartner NEOS hat seine Handschrift vor allem in den Kapiteln Bildung und Transparenz hinterlassen. ZackZack hat die wichtigsten Vorhaben gefunden und nachgefragt.

Arbeit

Die „Joboffensive 50plus“ wird weitergeführt. Verschiedene Maßnahmen sollen helfen, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dazu gehört „die Schaffung neuer Lehrstellen“ durch die Stadt. Eine Idee, die NEOS auch auf Bundesebene unterstützen, findet sich ebenfalls im Kapitel zu Arbeit: Über sogenannte „Social Impact Bonds“ sollen Sozialprojekte finanziert werden. Dabei strecken private Investoren das benötigte Geld vor. Werden vorher vereinbarte Ziele erfüllt, zahlt die Stadt die Investition samt Rendite zurück.

Wirtschaft

Nicht weniger als 600 Millionen Euro will die Stadtregierung in ein Konjunkturpaket stecken, um der strauchelnden Wirtschaft auf die Beine zu helfen. 124,15 Millionen davon sind frisches Geld, der Rest bereits geplante Investitionen, die vorgezogen werden. Das ist auf Nachfrage aus dem Büro von Stadtrat Peter Hanke zu erfahren. Das Geld soll bis 2023 in Bildung, Sportstätten, Öffis und Infrastruktur fließen. Ein Teil des Pakets – 239,5 Millionen – kommt aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds des Bundes.

Unauffälliger Schlüsselspieler: Unter der Ägide von Finanzstadtrat Peter Hanke schnürt die Stadt ein Konjunkturpaket.

Interessant: Rot-Pink will in der Bundeshauptstadt wieder mehr Industriearbeitsplätze schaffen. Dazu sollen in der Seestadt Aspern „Technologiezentren“ errichtet werden.

Ihre Einnahmen und Ausgaben will die Stadt künftig in Doppelbudgets planen. Dadurch soll es leichter werden, budgetäre Lenkungseffekte zu steuern.

Bildung

Der SPÖ-Plan, verschränkte Ganztagsschulen auszubauen, soll auch mit dem neuen Partner umgesetzt werden. NEOS hatten sich im Wahlkampf für Reformen in den Kindergärten eingesetzt. Wie das konkret aussehen könnte, steht nicht im Koalitionsabkommen, laut dem erst einmal wissenschaftlich überprüft werden soll, wo Verbesserungspotenzial liegt. Bei der Sprachförderung gibt es schon konkrete Ziele: Die Zahl der Förderkräfte soll von 300 auf 500 erhöht werden. Der Versorgungsgrad mit Kindergartenplätzen für unter dreijährige Kinder soll leicht erhöht werden.

Bei der Einführung des Ethikunterrichts, einer langjährigen Forderung der NEOS, sind der Stadt durch Bundesgesetze die Hände gebunden. Über Umwege, etwa im Rahmen der politischen Bildung, soll er dennoch Einzug in Wiens Schulen halten. Ein „besonderer Fokus“ liegt dabei laut Abkommen auf den Polytechnischen Schulen und den Berufsschulen.

Christoph Wiederkehr wird Vizebürgermeister und bekommt mit der Bildung sein Wunschressort. Er wird aber auch für Integration und die Magistratsabteilung 44  – sozusagen als oberster Bademeister Wiens – zuständig sein.

Ein langgehegtes Projekt der Pinken wird ebenfalls umgesetzt: Nach dem Vorbild der „London Challenge“ sollen Brennpunktschulen gefördert werden. Jede Schule erhält außerdem ein eigenes Budget, aus dem sie Sozialarbeiter, Schulpsychologen oder Sprachlehrer autonom bezahlen kann. Per „Chancen-Index“ soll festgelegt werden, welche Schulen zusätzlich Unterstützung benötigen.

Ganz neu sind die geplanten „Gemeinschaftsschulen“. Das sind Schulen, in denen von der ersten bis zur neunten Schulstufe unterrichtet wird. Der traditionelle Selektionsprozess am Ende der Volksschule fällt also aus. Zehn dieser Schulen sollen bis 2030 ihre Pforten öffnen.

Zum designierten Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr wandert auch die Verantwortung für die Wiener Bäder. Ihr neuer Chef überlegt nun, die Öffnungszeiten auszuweiten. Die bekannte Durchsage „Badeschluss“ könnte künftig später erfolgen.

Klima

Bis 2040 soll Wien klimaneutral werden. Die unterschiedlichen Bemühungen darum sollen in einem eigenen Wiener Klimaschutzgesetz gebündelt werden. Alle Vorhaben der Stadt sollen einen „Klimacheck“ durchlaufen, als Steuerungsinstrument werden Treibhausgas-Budgets eingeführt. Die neue Stadtregierung will die Nutzung von Solarenergie ausbauen, schrittweise Öl- und Gasheizungen ersetzen und den Umstieg auf klimafreundlichen Verkehr forcieren.

Kultur

Die Stadt plant, verbindliche Honoraruntergrenzen für Künstler einzuführen und bei stadtnahen Auftraggebern kollektivvertragliche Vereinbarungen auszubauen. Förderungen sollen für längere Zeiträume vergeben werden. Insgesamt sollen freischaffende Künstler „vor Altersarmut geschützt“ werden. Das Theater in der Josefstadt, das Volkstheater und das Theater der Jugend sollen saniert und modernisiert werden.

Veronica Kaup-Hasler ist Wiens alte neue Kulturstadträtin. Sie muss vor allem freischaffenden Künstlern helfen, die Folgen der Corona-Epidemie zu überstehen.

Wer zu Fuß, mit dem Rad oder Öffis unterwegs ist, könnte künftig über eine App Gutpunkte, sogenannte „Kulturtokens“ sammeln. Die lassen sich bei Wiener Kulturinstitutionen gegen Eintrittskarten tauschen.

Gesundheit

Im kommenden Jahr will die neue Stadtregierung ein Sanierungsprogramm für die Wiener Spitäler vorstellen. Grobe Züge sind schon jetzt bekannt: Fünf Milliarden Euro werden bis 2040 in die Spitalsinfrastruktur gesteckt. Die Sanierung des AKH hat bereits begonnen.

Die Errichtung von 36 Primärversorgungszentren bis 2025 steht weiter auf dem Plan, obwohl der Ausbau im vergangenen Jahr ins Stocken geraten war. 16 spezialisierte Zentren, etwa für Diabetes oder Schmerzen, sollen zusätzlich kommen. In den Spitälern sollen Patienten durch „Erstversorgungsambulanzen“ (EVA) geleitet werden. Von dort aus könnten wohl auch Menschen wieder heimgeschickt werden: Die EVA sollen Patienten fallweise auch an den „niedergelassenen Bereich“ weiterleiten, wie es im Koalitionsabkommen heißt. Die Öffnungszeiten der Ambulanzen sollen verlängert und verstärkt auf Terminvergabe umgestellt werden, um Wartezeiten zu verkürzen.

Peter Hacker bleibt Gesundheitsstadtrat. In seinem Ressort fallen größere Umbauarbeiten an.

Unter dem Eindruck der Covid-Pandemie will Wien flächendeckende Impfangebote ausbauen. Dazu gehört auch ein digitaler Impfpass. Die Ausbildungsplätze für Pflegeberufe und Hebammen sollen von derzeit 6.200 auf 8.700 erhöht werden.

Transparenz

Dem berüchtigten Filz wollen vor allem die NEOS den Kampf ansagen. Dazu soll eine Antikorruptions-Ombudsstelle geschaffen werden. Dem Gemeinderat wir ein jährlicher Bericht zur Korruptionsbekämpfung vorgelegt und eine Whistleblower-Plattform eingerichtet.

Die Untersuchungskommission – das Wiener Gegenstück zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss – soll reformiert werden. Wichtigste Punkte: Eine Kommission kann künftig von einem Viertel der Gemeinderäte eingesetzt und ohne deren Zustimmung nicht beendet werden. Dafür ist eine einmalige Verlängerung um drei Monate möglich. Dem Wiener Gemeinderat dürften also regelmäßige Untersuchungskommissionen ins Haus stehen.

(tw)

Bilder: APA Picturedesk

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