Freitag, März 29, 2024

Der Auslieferungsprozess von Julian Assange – Die Schlammschlacht geht weiter

Der Auslieferungsprozess von Julian Assange

Die USA wollen, dass Julian Assange ausgeliefert wird. Der Vorwurf lautet unter anderem: Beihilfe zur Spionage und Anstiftung zum Geheimnisverrat. Assange drohen 175 Jahre Haft – oder gar die Todesstrafe. Der Prozess in London hat begonnen, ZackZack rekonstruiert Akt 4 eines Theaterstücks.

 

Wien, 21. November 2020 |An diesem Tag ist der erste Zeuge John Goetz, der früher für den Spiegel gearbeitet hat und jetzt beim NDR tätig ist. Während seiner Zeit beim Spiegel hat er über den Irak und Afghanistan berichtet und mit Wikileaks zusammengearbeitet.

Zeuge bestätigt journalistische Vorsicht

Goetz betont, dass Wikileaks einen sehr rigorosen Prozess aufgesetzt habe, um Namen aus den unzähligen Dateien zu entfernen, die ihnen zugespielt worden seien. Er sagt auch aus, dass Julian Assange immer seine Medienpartner darauf hingewiesen habe, sichere Kommunikationsverbindungen zu verwenden. Zur damaligen Zeit beinahe paranoid, ist das mittlerweile journalistischer Standard. Die Vorsicht sei so weit gegangen, dass Wikileaks in manchen Dokumenten Namen, die das Verteidigungsministerium bei Anfragen aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes selbst nicht herausgelöscht, trotzdem nicht veröffentlicht habe.

Er berichtet von einer Konferenz mit Assange, anderen Medienvertretern und dem Außenministerium der USA. Letzteres habe zu verhindern versucht, dass gewisse Informationen veröffentlicht werden. Da aber keine spezifischen Namen bekannt gegeben worden sein, sondern auf politisch sensible Themen hingewiesen worden sei, sei das Gespräch bald abgebrochen worden. Problem für das Ministerium: auf diese Weise hätte man die Journalisten nur für weitere interessante Recherchen hellhörig gemacht.

Wikileaks half Journalisten bei CIA-Folter-Recherche

Danach berichtet Goetz noch von dem Fall des deutschen Staatsbürgers Khalid El-Masri, der von der CIA in Mazedonien entführt, und in Afghanistan in einem Geheimgefängnis gefangen gehalten und dort gefoltert worden sei. Goetz konnte dabei nur aufgrund der Dokumente, die er von Wikileaks erhalten habe, die Verantwortlichen ausfindig machen. Danach habe ein Münchner Staatsanwalt Haftbefehle gegen die 13 involvierten CIA-Agenten ausgestellt. Später habe Goetz herausgefunden, dass auf Druck der USA der Haftbefehl nie zugestellt worden sei.

Der Ankläger James Lewis, dem das nicht gefällt, legt Einspruch ein. Sein Ziel: Teile von El-Masris Aussage sollen nicht zu den Akten kommen, um zu verhindern, dass damit der Vorwurf, dass er indirekt von der US-Regierung gefoltert worden sei, protokolliert wird.

Magistrate Vanessa Baraitser (Richterin)

Julian Paul Assange (Angeklagter)

William Barr (Justizminister USA)

Gordon Kromberg (Staatsanwalt)

Clair Dobbin (Anklägerin)

James Lewis (Ankläger)

Edward Fitzgerald (Verteidiger)

Mark Summers (Verteidiger)

Buchzitat als Beweismittel, Autoren nicht als Zeugen geladen

Spannend wird es, als James Lewis aus einem Buch von David Leigh und Luke Harding zitiert, in dem diese von einem gemeinsamen Essen mit Julian Assange berichten. Dabei soll Assange gesagt haben, dass ihm die Sicherheit und die Leben von Informanten der US-Regierung egal seien. Goetz sei bei dem Essen dabei gewesen. Ankläger Lewis verwendet zwar das entsprechende Zitat aus dem Buch, stellt aber dem Zeugen bewusst keine Frage dazu, wohl um zu verhindern, dass Goetz dies als Lüge klarstellen kann. Auch soll verhindert werden, dass die Verteidigung später noch einmal zu dem Thema zurückkehrt und Goetz danach zu dem Essen befragt wird. Skurril: das Zitat aus dem Buch nutzt Lewis wie einen Beweis, die Autoren sind aber selbst nicht als Zeugen geladen.

Goetz führt an, dass Assange nach der Veröffentlichung von Dokumenten mit Namen von verschiedenen Medien deshalb verurteilt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei aber der tatsächliche Ablauf noch nicht bekannt gewesen. Diese Dokumente seien bereits über ein recht unbekanntes Portal namens Cryptome veröffentlicht worden. Leigh und Harding hätten in ihrem Buch ein Passwort angegeben, mit dem jeder, der das Buch gelesen hat, die Datei auf dem Portal entschlüsseln konnte. Erst danach sei Wikileaks mit der Veröffentlichung der Dokumente rausgegangen. Assange habe damals sogar eine Notfallnummer des Außenministeriums angerufen, um bekanntzugeben, dass die Dokumente veröffentlicht wurden – dies sei aber ignoriert worden.

Dokumente des Kriegsverbrechens

Zeuge Daniel Ellsberg, selbst ein bekannter Whistleblower rund um die sogenannten Pentagon Papers in den 70er Jahren, bezeugt, dass Assange politisch gehandelt habe. Assange fühle sich der Transparenz, Gerechtigkeit und dem Frieden verpflichtet. Wie Assange sieht Ellsberg die Kriege in Afghanistan und Irak als falsch an und beruft sich dabei auf die UNO.

Der Unterschied zum Krieg in Vietnam sei dabei, dass in Afghanistan und im Irak Misshandlungen, illegale Tötungen und Kriegsverbrechen schon so „normal“ gewesen sein, dass sie in täglichen Berichten der Soldaten standen. In Vietnam wären diese alle der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlegen. Die Details zu Kriegsverbrechen seien in den Dokumenten von Wikileaks massenhaft vorgekommen.

Fragen, ob durch die Veröffentlichung der Dokumente Menschen in Gefahr gekommen seien, beantwortet Zeuge Ellsberg mit der Gegenfrage, ob Lewis auch nur eine Person nennen könne, die tatsächlich in Gefahr gekommen sei. Dies war bereits ein Thema im Prozess gegen Chelsea Manning. Die US-Regierung habe bis heute keine Beweise, dass tatsächlich jemand konkret durch diese Veröffentlichungen in Gefahr gebracht worden sei, vorbringen können. Dennoch insistiert der Ankläger auf diesen Punkt und beruft sich dabei auf die Anklageschrift.

(red)

Die Quellen für diesen Bericht sind Live-Tweets verschiedener Personen auf Twitter und die Blog-Einträge des früheren Diplomaten und Menschenrechtsaktivisten Craig Murray.

Titelbild: APA Picturedesk

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