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“Unliebsame Botschafter loswerden” – Schallenbergs türkise Eigenkontrolle

“Unliebsame Botschafter loswerden”

Das Generalinspektorat im Außenministerium ist die hauseigene Kontrollinstanz. Eigentlich, denn seit der letzten Neubesetzung fürchten sich Teile des diplomatischen Dienstes vor einem rigorosen Aussieben nach den Kriterien ÖVP- und Kanzlernähe.

 

Wien, 23. November 2020 | Im Außenministerium brodelt es: Fraktionsübergreifend herrscht Unmut über Postenschacher, das Klima ist angespannt, in den vergangenen Jahren kam es sogar zu mehreren Suiziden. Kennt man aber den Kanzler oder gehört der ÖVP-nahen Fraktion innerhalb des Hauses an, kann man mit „Blitzkarrieren“ rechnen – ZackZack berichtete.

Das trifft nun auch auf das ressortinterne Kontrollinstrument zu. Gemeint ist das sogenannte Generalinspektorat. Wie ZackZack aus Diplomatenkreisen erfuhr, gab es neun Personen – drei Frauen und sechs Männer –, die sich auf die Position der Leitung beworben hatten. Doch nur eine wurde als „im höchsten Maße geeignet“ eingestuft: Helene Steinhäusl.

Loyalität statt Kontrolle

Mit 1. November ist Steinhäusl mit der neuen Aufgabe als Inspektoratsleitung betraut. Sie war zuvor österreichische Botschafterin in Indonesien und gilt als erfahrene, klar ÖVP-nahe Diplomatin. Jetzt überprüft sie in ihrer neuen Funktion das Gebahren des Schallenberg-Ministeriums, inklusive der Botschaften, Konsulate und Kulturinstitute Österreichs in der Welt.

Das Problem: Bis Sebastian Kurz galt die Tradition, dass die Leitung der wichtigen internen Kontrolle parteipolitisch unabhängig sein muss. Schließlich gehört es auch zu den Aufgaben, führende Köpfe wenn nötig zu kritisieren. Das scheint nun nicht mehr erwünscht. Die Spitze des Hauses setzt strikt auf parteipolitische und persönliche Loyalität. Innerhalb der Führungsebene kennt man sich gut – und „kontrolliert“ sich selbst, so der Vorwurf von höchster diplomatischer Ebene.

Das prestigeträchtige Außenministerium am Minoritenplatz. Beste Qualifikation und parteipolitische Neutralität: Erfolgsfaktoren, die intern unter Beschuss stehen sollen. Bild: APA Picturedesk.

Angst, „entsorgt“ zu werden

Im diplomatischen Dienst ist die Angst, entsorgt zu werden, groß:

„Wollen sie einem nichts mehr geben, ist das Inspektorat natürlich ein guter Hebel“.

Hierfür gebe es schon seit längerer Zeit eine „gewisse Tendenz“ zur parteipolitischen Instrumentalisierung des Generalinspektorats. „Unliebsame Botschafter“ könne man so leichter loswerden.

Das für auswärtige Dienste übliche Senioritätsprinzip, wonach mit fortgeschrittener Karriere höhere Posten winken oder zumindest der derzeitige gehalten werden kann, ist immer mehr außer Kraft gesetzt. Denn: Eigentlich muss man sich etwa alle vier Jahre aufs Neue bewerben. Das gilt auch für etablierte Botschafter. Was der Qualitätskontrolle und Motivation dienen soll, verkehrt sich durch Postenschacher aber ins Gegenteil. Dass ein Nicht-Türkiser zum Botschafter in einem halbwegs wichtigen Land bestellt wird, ist derzeit nahezu ausgeschlossen.

Auf ZackZack-Nachfrage stellt das Schallenberg-Ministerium klar, Botschafterin Steinhäusl habe aufgrund ihrer langjährigen Laufbahnerfahrung zweifellos die “notwendige breite Erfahrung und Eignung”. Wie schon bei früheren Anfragen verweist man bei der Besetzung wichtiger Stellen auf die „unabhängige Begutachtungskommission“, deren Mitglieder “in Ausübung ihres Amtes selbständig und unabhängig” agieren würden. Nur ist diese Kommission zur Gänze parteipolitisch besetzt: von vier Leuten sind zwei von Minister Schallenberg selbst ernannt, davon seit Kurzem auch ein bislang für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka tätiger Mann. Zudem gehört der Kommission ein Mitglied der ÖVP-dominierten „Gewerkschaft öffentlicher Dienst“ an, der Personalvertreter ist selbstverständlich ein Türkiser. Unabhängige Postenbesetzung nach Qualifikation ist so faktisch unmöglich.

Türkises „Powercouple“

Im engsten Umfeld von Helene Steinhäusl soll übrigens mit einem weiteren Grundsatz der Diplomatie gebrochen worden sein. Ist ein Ehepartner Botschafter, wird der oder die andere in dieser Zeit karenziert. Nicht so bei Steinhäusls Mann Hubert Heiss. Der war Botschafter in Tokio, als seine Frau Österreich zur gleichen Zeit in Indonesien vertrat.

Heiss, ehemals außenpolitischer Berater unter Wolfgang Schüssel im Kanzleramt, ist Kurz-loyal seit der ersten Stunde. Für Sebastian Kurz leitete er die wichtige EU-Sektion. Die klare Positionierung hatte für das türkise Botschafterpärchen auch finanzielle Vorteile: Zusammen verdienten Steinhäusl und Heiss monatlich mindestens 25.000 Euro netto, während andere Hochqualifizierte mit „falscher“ Parteifarbe oder mangelnder Kanzler-Nähe immer öfter um ihren Job zittern müssen.

Der Wind dreht sich

Dass man sich immer wieder neu bewerben muss, schaffe eine Generation „braver Diplomaten“, oft aus dem Kreise der Jungen Volkspartei. An sich kein Problem, heißt es aus Diplomatenkreisen, Fraktionen und Farb-Besetzungen habe es im ehrwürdigen Haus am Minoritenplatz immer gegeben. Doch die derzeitige Situation stoße sogar altgedienten ÖVP-nahen Diplomaten sauer auf. Gerade pensionsnahe Mitarbeiter, die weniger zu befürchten hätten, würden sich deshalb zunehmend kritisch zu Wort melden.

Das ist riskant. In der sogenannten Gleichbehandlungskommission werden Fälle von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder etwa der politischen Weltanschauung behandelt. Das Haus zieht zwar immer öfter den Kürzeren gegen Beschwerdeführer, wenn es um Benachteiligungen aufgrund der „falschen“ Parteifarbe geht. Für kritische ÖVP-nahe Diplomaten fällt dieser letzte Schutzmechanismus aber weg: ein ÖVP-naher, männlicher Diplomat hat schlechte Chancen, Diskriminierung nachweisen zu können, da mit Alexander Schallenberg ein ÖVP-Mann die Geschicke des Hauses lenkt. Seit Kurzem steht ihm nun eine mächtige Frau zur Seite. Kontrolle hat Schallenberg von ihr laut Insidern eher nicht zu befürchten.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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