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Genialität im Doppelpack: Kanzler Kurz und Finanzminister Blümel ordnen die Medienwelt – Gastkommentar von Rubina Möhring

“Reporter ohne Grenzen – Österreich” kritisiert die Regierung u.a. aufgrund der verschwiegenen Verschlechterung der Pressefreiheit scharf. Präsidentin Dr. Rubina Möhring kommentiert die neuen Entwicklungen rund um die Medienpolitik des Bundeskanzlers und seines Finanzministers.

Rubina Möhring

Wien, 28. November 2020 |

Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel sind und bleiben ein geniales Duo. 180 Millionen Euro machen sie jetzt locker für eine bessere mediale Vermarktung der türkis-grünen Regierungsgilde bis zu den für 2024 geplanten Nationalratswahlen. Auf drei ganze Jahre verteilt, bedeutete dies jeweils pro Jahr 60 Millionen Euro für Inserate und Werbeschaltungen jedweder Art. Da lässt sich schon manches in Sachen „unabhängige Meinungsbildung“ in Gang setzen. Böse Zungen sprechen von Wahlwerbung auf Kosten braver Steuerzahler und Steuerzahlerinnen. Insgesamt, wie gesagt, 180 Millionen Euro, die so weder in privaten Häppchen gespendet werden oder gar aus den Parteikassen gezahlt werden müssten. Chapeau!

„Hut ab“

„Hut ab“ auch für den wohlmeinenden Umgang mit den Medien. Inserate und Werbeschaltungen bringen Geld, viel Geld. Wer beißt da schon gern die fütternde Hand? Es müssen ja nicht andauernd doppelseitige Interviews mit dem Kanzler oder den diversen Ministern, Ministerinnen oder Staatssekretärinnen sein. Schlagzeilen sowie kleinere, aber regelmäßige Dosen erfüllen auch ihren Zweck, ebenso berührende Home Stories. Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein.

Natürlich wird dies alles demokratiepolitisch total korrekt ablaufen. Alles soll auf Freiwilligkeit beruhen. Beim Regierungsteam wie bei den Medien selbst. Jene der türkis-grünen Amtsträger und Amtsträgerinnen, die sich lieber zurückhaltender in der Öffentlichkeit produzieren wollen, werden ausdrücklich nicht gezwungen. Auch die Medien haben jede Freiheit, großzügig gestaltete und von der jetzigen Regierung berappte Inserate oder Werbeeinschaltung aus Gründen eines professionellen Purismus abzulehnen.

Geniale Medienstrategie

Dies nach dem Motto: „Sollen sich doch die Anderen korrumpieren lassen“. Bei diesen Anderen füllen sich dann die Kassen, die der Puristen bleiben umso leerer. Könnte das nicht eine geniale Medien-Strategie im Rahmen der Vorbereitung der kommenden Nationalratswahlen sein? Kann eine solche Strategie auch demokratiefördernd sein oder einfach nur denkmüde machen?

Könnte sein, muss aber nicht sein. Allerdings knirscht es schon jetzt in der medialen Berichterstattung über die überhastete und entsprechend chaotische wirkende Corona-Massentest-Initiative des Bundeskanzlers. Auch bisher der Regierung wohlwollende Medien beginnen, die Kurz´sche Politik mit kritischen Augen zu sehen und entsprechend unverblüm(el)t zu kommentieren.

500 Millionen Euro waren für die Corona-Tests zunächst vorgesehen. Natürlich ebenso aus Steuergeldern. Des Kanzlers seit Jahren enger Freund, Finanzminister Blümel, war und ist dabei. Politischen Corona-Rat holte sich BK Kurz bei seinem in Sachen Demokratie seit relativ kurzer Zeit erfahrenen slowakischen Amtskollegen, der heuer als erster in der EU mit Massentests experimentierte. Nicht alles entsprach den Erwartungen. Der ursprünglich zweite Massentest ist abgeblasen. Ein Flop, der in seinen Anfängen dem Bundeskanzler für sein kurzfristig initiiertes Corona-Programm als Vorbild diente.

Indessen kämpft sich Österreich weiter durch die diversen, leicht chaotisch wirkenden Vorbereitungen eines landesweiten Dezember-Massentests. Im Jänner 2021 soll die zweite Test-Tranche folgen. Ist diese in den 500 Millionen Euro inbegriffen?

Aus heiterem Himmel erklärte BK Kurz nun am 26. November, die Anti-Corona-Impfung werde ab Jänner 2021 zur Verfügung stehen. Allgemeine Irritation. Bedeutet dies, dass die von der Regierung angeordneten und extrem kurzfristig vorbereiteten Massentests bereits jetzt schon überholt sind? Warten wir die Endergebnisse ab. Die der Massentests, die der Impfungen, die der medialen Propaganda-Offensive.

Aschenputtel-Medienförderung

Wie beschrieben, stellt die türkis-grüne Regierung mit leichter Hand hunderte von Millionen Euro (Steuergelder) für politische ad hoc-Entscheidungen frei.

Ein demokratiepolitischer Vorschlag zur Güte: Die Umwidmung zumindest der derzeit 180 Millionen Euro für Propaganda-Zwecke und Wahlwerbung der Regierungsparteien für eine sinnvolle und demokratiepolitisch notwendige Neuordnung der Medienförderung. Nicht mehr die wohlhabenden Medienhäuser sollten künftig primär gefördert werden, sondern jene Medien, die seriösen Journalismus liefern. Schlag nach beim Märchen Aschenputtel. Die Entscheidung liegt beim bewährt genialen Regierungs-Duo Kurz/Blümel.

Dr. Rubina Möhring ist eine österreichische Journalistin, Publizistin und Präsidentin von „Reporter ohne Grenzen – Österreich“. Sie ist eine der wichtigsten und arriviertesten Stimmen im Kampf um Pressefreiheit.

Bis März 2010 war sie als Redaktionsleiterin bei ORF 3Sat verantwortlich für die Bereiche Kultur und Wissenschaft sowie für die 3Sat-Magazine „nano“ und „kulturzeit“. Seit 2010 ist sie freie Autorin und Publizistin.

Ihr neues Buch „Mundtot – Der gefährliche Kampf um die Pressefreiheit“ wird im kommenden Jahr im Czernin Verlag erscheinen.

Dr. Möhring erhielt mehrere Auszeichnungen für ihr Wirken, u.a. den Karl-Renner-Preis der Stadt Wien, den prestigeträchtigen Concordia-Preis des Presseclubs Concordia sowie das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich.

Titelbild: APA Picturedesk

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