Dienstag, April 23, 2024

Pilz am Sonntag – Kurz, der neue Grasser? Von BUWOG zu CASAG

Pilz am Sonntag

Er ist supersauber. Er hat von nichts gewusst. Alles sind bösartige Unterstellungen. Schon während seiner Ministerschaft ist Karl-Heinz Grasser in Verdacht geraten. Aber auch nach seiner Verurteilung beteuert er seine Unschuld. Eines bleibt unbestritten: Grasser war der letzte ÖVP-Wundermann vor Sebastian Kurz. Aber auch Kurz steht bereits von CASAG und ÖBAG bis zu illegaler Parteienfinanzierung im Zwielicht. Ist Kurz der nächste Grasser? Ein ZackZack-Blick in die Chronik zweier ÖVP-Talente.

 

Wien, 06. Dezember 2020 | Die Geschichte der ÖVP-Supertalente beginnt im Wendejahr 2000.

September 2000: Karl-Heinz Grasser kündigt als Finanzminister den Verkauf von 62.000 Bundeswohnungen an.

September 2002: Lehman Brothers kassiert 10,6 Millionen Euro für die Durchführung der Privatisierung der BUWOG.

15. Juni 2004: Die Republik Österreich verkauft die Bundeswohnbaugesellschaften an ein „Austro-Konsortium“ um 961 Millionen Euro. Bald wird der Verdacht, dass es hier verbotene Informationen aus dem Finanzministerium gegeben hat, laut.

März 2007: Der Rechnungshof kritisiert die Privatisierung der Bundeswohnungen, sie seien zu billig verkauft worden.

September 2009: Bei Hausdurchsuchungen bei der Immofinanz werden Zahlungen von 9,6 Millionen Euro an den Lobbyisten Peter Hochegger gefunden. Walter Meischberger und Peter Hochegger erstatten Selbstanzeige.

Oktober 2009: Die grüne Abgeordnete Gabriela Moser zeigt Grasser, Hochegger, Meischberger, und Plech bei der Staatsanwaltschaft an.

Jänner 2010: Die Affäre „Linzer Terminal Tower“ platzt. 200.000 Euro sollen an Meischberger und Hochegger geflossen sein.

September 2010: Grasser wird erstmals von der Staatsanwaltschaft zum Thema BUWOG einvernommen. Sebastian Kurz fährt im Geilomobil durch den Wien-Wahlkampf.

Grasser und der junge Kurz. Foto: Twitter.

Mai 2011: Bei Grasser finden Hausdurchsuchungen an mehreren Wohnorten statt.

April/Mai 2012: Grasser weist im Anti-Korruptions-U-Ausschuss des Parlaments alle Vorwürfe zur BUWOG-Privatisierung zurück.

Jänner 2013: Nach über eineinhalbjährigem Rechtsstreit werden die in Liechtenstein bei einem Treuhänder Grassers beschlagnahmten Akten an die Wiener Staatsanwaltschaft übergeben.

Jänner 2014: Nach über zweijähriger Wartezeit werden Hunderte Kontoauszüge aus der Schweiz an die Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft geliefert.

Juli 2016: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Grasser, Meischberger, Hochegger und Plech.

Jänner bis Oktober 2017: Kurz und die ÖVP nehmen illegale Großspenden für den Nationalratswahlkampf an.

Oktober 2017: Sebastian Kurz gewinnt mit der ÖVP die Nationalratswahl und beginnt Regierungsverhandlungen mit der FPÖ.

November 2017: Kurz und Strache vereinbaren in einem Sideletter zum Regierungsprogramm die Aufteilung der Posten: 2:1 für die ÖVP im Einflussbereich des Finanzministeriums (Post, Telekom, OMV, Verbund, CASAG…) , 2:1 für die FPÖ im Bereich des Infrastrukturministeriums (ÖBB, ASFINAG, Austro Control…).

12. Dezember 2017: Der Grasser-Korruptionsprozess startet.

18. Dezember 2017: Die Regierung Kurz/Strache wird angelobt.

2. April 2018: Kurz hat die Postenbesetzungen bisher von Schmid und Löger erledigen lassen. Aber jetzt mischt er sich selbst ein. Strache ist empört, weil sich Kurz nicht an den Sideletter hält.

Irre! Strache-Chats, Faksimile.

28. September 2018: Die 6er-Runde der Koalition trifft sich in der Privatwohnung von Kurz. Die Aufteilung von Aufsichtsräten und Vorständen wird vorbereitet. Die Aktionen „CASAG“ und ÖBAG“ laufen. Kurz wird von CASAG-AR Josef Pröll informiert.

23. Dezember 2018: Thomas Schmid weiht Kurz in die Pläne zum türkisen Umbau der ÖBAG ein und notiert: „Kurz scheißt sich an“.

März 2019: Am 81. Verhandlungstag des Grasser-Prozesses erinnert sich Michael Ramprecht als Zeuge: Er habe damals auf Grasser gesetzt und gedacht, Grasser werde künftig die Rolle spielen, “die der Herr (Bundeskanzler Sebastian) Kurz heute spielt”, berichtet “News”.

23. Mai 2019: Das Ibiza-Video ist gerade veröffentlicht worden, da lässt der Kurz-Mitarbeiter Arno M. unter falschem Namen fünf Festplatten aus dem Bundeskanzleramt bei der Firma Reisswolf vernichten. Die Auswertung des Handys von M. wird verhindert, der Fall wird der WKStA abgenommen.

24. Juni 2019: Kurz weist im Ibiza-U-Ausschuss des Parlaments alle Vorwürfe zu CASAG und zu Postenvergaben zurück.

November 2019: Die WKStA trägt erstmals Beschuldigte aus dem Umfeld von Kurz ins Tagebuch ein: Raiffeisen-Generalanwalt und Casino-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner, seinen Kollegen und Ex-Minister Josef Pröll und Kurz-Finanzminister Hartwig Löger.

20. Jänner 2020: Die WKStA verfolgt immer mehr Ibiza- und CASAG-Spuren in die ÖVP. Kurz greift die WKStA als Teil eines „roten Netzwerkes“ frontal an.

4. Dezember 2020: Grasser wird zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Am 20. Juni 2018 wagte Daniela Kittner im “Kurier” einen Blick in die Vergangenheit von Karl-Heinz Grasser:

„Er ist der Sebastian Kurz von vor zwanzig Jahren.“

Sie hat recht. Beide vertreten eine Politik, die nur ein Ziel hat: sie selbst. Beide galten in ihrer besten Zeit als Teflon-Politiker, an denen nichts haften blieb.

Aber Kurz hat drei Vorteile: Zum ersten interessieren ihn weder Yachten noch Jacuzzis. Im Gegensatz zum vielseitigen Grasser ist Kurz einseitig: Kanzler und die Macht, sonst nichts. Dafür ist er bereit alles zu tun.

Zweitens hat Kurz von Putin und Orban gelernt, wie es geht: zuerst Polizei und Geheimdienste, dann Medien und Justiz. Im Gegensatz zu Grasser ist Kurz ein Kontrollfreak. Alles muss unter seine Kontrolle und niemand darf ihn kontrollieren. Seine Verachtung des Parlaments kommt genau daher.

Drittens ist Kurz auf diesem Weg schon sehr weit vorangekommen. Wenn es ihm gelingt, die WKStA und die parlamentarische Kontrolle aus- und den ORF gleichzuschalten, hat er gewonnen. Im Gegensatz zu vielen in Medien und Parlament weiß er das genau. Aber noch ist alles offen.

Wenn die Verfahren der WKStA unbeeinflusst weitergeführt werden können und wenn die parlamentarische Kontrolle nicht von ÖVP und Grünen abgewürgt wird, kann der “Kurier” vielleicht schon bald über einen Beschuldigten Kurz schreiben: „Er ist der neue Karl Heinz Grasser.“ Wenn sich Gernot Blümel dann als sein Meischi entpuppt, wissen alle, was seine Leistung war.

Titelbild: APA Picturedesk

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