Donnerstag, März 28, 2024

Konzerngewinne statt Gesundheit – “Ableser”-Heer läuft im Lockdown durch Tausende Wohnungen

“Ableser”-Heer läuft im Lockdown durch Tausende Wohnungen

Während die Corona-Verordnung mittlerweile sogar den Privatbereich regeln soll, müssen „Heizkostenableser“ aktuell durch Tausende Wohnungen laufen. Dabei wird ein völlig vermeidbares Infektionsrisiko eingegangen, um Konzerne zu schützen, sagt die SPÖ. Das Gesundheitsministerium schweigt.

 

Wien, 07. Dezember 2020 | Eigentlich hat Österreich Hausarrest verordnet. Trotzdem erlaubt die Regierung, dass „Heizkostenableser“ aktuell durch Tausende Wohnungen laufen – und dadurch die Infektionsgefahr erhöhen.

Im Frühjahr, als das Virus weit weniger im Land kursierte, ließ man die Ablesung ausfallen. Doch jetzt, im Winter, während eines weitaus höheren Infektionsgeschehens werden alleine von der Firma Techem 40.000 Wohnungen abgelesen. Auch die Firma ISTA führt in 10.000 Wohnungen eine “manuelle Ablesung” durch. Jeder Ableser betritt in den nächsten Wochen Hunderte, vielleicht Tausende Wohnungen – trotz Corona.

Ableser-Sorgen

“Es ist jetzt auch schon mehrmals vorgekommen, dass Kollegen in Quarantänewohnungen waren und darüber von den Kunden erst nach oder während der Erledigung der Arbeit informiert wurden! Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass ich um mich, meine Kollegen und die Kunden sehr besorgt bin”, schilderte ein Ableser der „Heute“.

Ein anderer Ableser wandte sich an ZackZack. Er schildert uns die prekäre Lage innerhalb der Belegschaft: Viele der Arbeiter würden das Geld dringend brauchen, nehmen dadurch auch das erhöhte Infektionsrisiko in Kauf.

„Viele haben das zusätzliche Geld dringend nötig. Auch das AMS ist dann einmal kurz ruhiggestellt. Und die Firma sagt: Keiner muss ablesen gehen“,

empört sich der Ableser,

„Hauptsache der Chef bekommt seine Kohle. Um Gesundheit geht es da nicht.“

Die Firma Techem versucht indes zu beschwichtigen, die „Sicherheit“ von Kunden und Ablesern liege ihr „sehr am Herzen“, sagt der deutsche Konzern gegenüber ZackZack und verweist auf „ein klares und sehr umfangreiches Sicherheitskonzept“: Masken, Sicherheitsabstand, Handschuhe. Zudem sei es dem Ableser absolut “freigestellt“, die Wohnung nicht zu betreten, „wenn er sich in einer Situation nicht sicher fühlt – und es ist auch dem Bewohner absolut freigestellt, einen Ableser nicht hereinzulassen, wenn er sich nicht sicher fühlt, und dafür die Selbstablesung zu nutzen.“ Zu Beginn der Saison sei in „rund 100 Häusern in Wien“ ausgehängt worden, dass Selbstablesungen nicht möglich seien – das zog der Konzern zurück. Dafür entschuldige man sich.

Die Firma Ista verweist ebenfalls auf mögliche Selbstablesungen, Vor-Ort-Ablesungen würden unter den “von der Bundesregierung vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen” durchgeführt werden.

„Der Chef soll mir zeigen, wie man den Sicherheitsabstand in jeder Wohnung einhalten soll“, kommentiert der Ableser das „umfassende Sicherheitskonzept“ und verweist auf oftmals nicht besonders hygienische und schlecht gelüftete Wohnungen.

„Kaltschnäuzig verantwortungslos“

SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher kritisierte schon im Frühjahr die gesetzliche Neuregelung der Heizkosten. Die Regierung regelte per Gesetz eine Selbstablesung durch die KundInnen, ohne auf die Machbarkeit dieser Idee näher einzugehen. Die SPÖ verlangte per Abänderungsantrag damals, den Durchschnittsverbrauch der letzten drei Jahre heranzuziehen, bei gleichzeitigem Entfallen der Ablesegebühr. „Dieses Gesetz ist symptomatisch”, schrieb Becher damals in einer Aussendung, damit „werden die Großen durch die ÖVP und ihr grünes Beiwagerl bedient.“

Diesmal wird die Ablesesaison aber sogar ganz durchgezogen. Für „kaltschnäuzig verantwortungslos“ halte man den Umstand, dass nun das Heer von Heizkostenablesern durch Tausende Wohnungen laufen müsse, heißt es aus dem Büro von Ruth Becher.

„Hier wird wieder einmal den Interessen von Konzernen der Vorrang gegeben. Der Schutz der Konsumenten und darunter besonders gefährdeter Personengruppen bleibt auf der Strecke“,

diese müssten sich jetzt einem völlig unverhältnismäßigen, weil leicht zu vermeidenden Infektionsrisiko stellen.

Anschober schweigt

Auf eine ZackZack-Anfrage an Corona-Minister Rudolf Anschober, inwiefern man dieses Risiko epidemiologisch begründen könne, und ob man plane, gesetzlich nachzuschärfen, reagierte das Ministerium nicht.

Von den aktuellen Ablesungen unter türkis-grünem Schutz profitieren die Firmen ISTA und Techem, die im Eigentum eines Multimilliardärs bzw. eines Schweizer Investmentfonds stehen. Man kann nur hoffen, dass auf die privaten Profite keine neuen Infektionsketten folgen.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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