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“So macht’s keinen Spass” – Kaufrausch bleibt aus

Ein ZackZack-Lokalaugenschein

Einkaufen war schon mal angenehmer. Wer am Dienstag in der Shopping City Süd (SCS) war, hätte auf den ersten Blick durchaus den Eindruck bekommen, dass die Menschen die Einkaufshallen stürmen. Tatsächlich zeichnet sich für die Branche ein eher betrübtes Bild der ersten zwei Einkaufstage nach dem Lockdown ab. Droht der große Run kurz vor Weihnachten? ZackZack mit einem Lokalaugenschein.

Wien, 9. Dezember 2020 | Die Branche nennt ihn auch den “fünften Einkaufsamstag vor Weihnachten” – der 8. Dezember ist durch die in Kraft getretenen Lockerungen am Vortag diesmal besonders in den Fokus gerückt. Rechnete man doch mit einem Ansturm an kaufhungrigen Menschen. Besonders Kurz-Spezi und WKO-Chef Harald Mahrer trommelt seit Wochen für Konsum. Aber auch die viel kritisierten Rabattschlachten einiger Geschäfte konnten den Betrieb in Vösendorf nicht in Schwung bringen.

Shopping-Vergnügen sieht anders aus

“Es ist nichts im Vergleich zu dem, was letztes Jahr um diese Zeit los war”, so eine Security-Mitarbeiterin. Sie ist auf den Gängen unterwegs und weist die Menschen auf die Abstandsregeln hin und beantwortet Fragen. Auch die eine oder andere Polizeipatrouille bahnt sich den Weg durch die Menge.

Kommt man in die riesige Mall am südlichen Rand Wiens hinein, fällt einem erstmal auf, dass es stickig ist. War die Luft in Österreichs größter Indoor-Shoppingmeile schon vor Corona nicht die beste, kommt jetzt auch noch das Tragen der Maske hinzu. Die Leute wirken gestresst, viele schwitzen unter ihren dicken Mänteln, die oft gar nicht ausgezogen werden. Die Unsicherheit der Kunden führt dazu, dass viele schon vorher wussten, was sie besorgen werden. So auch ein Jugendlicher zu ZackZack: “Ich habe mir nur schnell neue Schuhe gekauft. Früher war es lustiger hier, als man auch viel mit Freunden abhängen konnte. So macht das nicht wirklich Spaß.” Das viel zum Geschäft beitragende “Flanieren” fällt weg, klagt auch Handelsverband-Chef Rainer Will:

“Die Gastronomie fehlt dem Handel sehr, da jetzt eher gezielte Käufe getätigt werden und Gelegenheitskäufe durch verkürzte Aufenthaltsdauern wegfallen – das zeigen die ersten beiden Einkaufstage seit Ende des harten Lockdowns ganz deutlich. Damit bleibt auch die wirtschaftliche Lage der heimischen Händler weiterhin angespannt”, so Will in einer APA-Aussendung.

Dieses Bild zeichnet sich auch in der SCS ab. Die “Fressmeile”, wie der Abschnitt im oberen Stockwerk gerne genannt wird, gleicht einem Chaos. Verwirrte Menschen suchen vergeblich nach Plätzen, wo sie ihren mitgenommenen Burger oder ihre Nudelbox verspeisen können. Gestresste Securitys weisen Menschen darauf hin, ihr Essen draußen zu konsumieren. Die beliebte Gastro-Meile, die schon so manches, schreiendes Kind wieder beruhigt und zum Verbleib in der Mall angeregt hat, scheint hier enorm zu fehlen.

Kein Ansturm trotz Rabattschlacht

Am Eingang vor einem Schuhgeschäft, das am letzten Tag vor dem Lockdwon mit Mega-Rabatten für einen Shitstorm im Netz gesorgt hat, steht eine Mitarbeiterin mit ihrem Smartphone. Sie zählt mit Hilfe einer App die Personen, die das Geschäft betreten oder verlassen: “Maximal 297 Personen dürfen gleichzeitig im Geschäft sein.” Von dieser Zahl ist man an diesem Tag jedoch weit entfernt. Nur vor kleineren Geschäften mit niedriger Einlass-Kapazität und vor einer Filiale einer großen Textil-Kette bildeten sich Schlangen.

Die ständig wechselnden Verkaufsstände in der Mitte der Gänge haben sich mittlerweile (wenig überraschend) auf den Verkauf von Schutzmasken konzentriert. Dort kann man die, für viele zum neuen Accessoire gewordenen, Masken aus Stoff in vielen lustigen Motiven erwerben. Wenigstens ein Verkaufshit.

Weit entfernt von “normal”

Von Seiten der SCS sei man einerseits froh darüber, dass nicht alle gleich am ersten Tag shoppen gingen. Andererseits sei es für den Handel allgemein eine schwere Zeit. Auch das größte Einkaufscenter Österreichs klagt über die fehlende Gastronomie, machen “Lustkäufe” laut eigenen Angaben doch 10 bis 15 Prozent aller Einkäufe aus. Auf leerem Magen scheint den Leuten dann wohl doch der Spaß am Shoppen zu vergehen. Auch die in den Malls sehr beliebten Bekleidungsgeschäfte kämpfen mit der Situation. Der Kollaps des sozialen Lebens und das Arbeiten im Home Office führen dazu, dass das äußerliche Auftreten in den Hintergrund rückt.

Die SCS war recht gut besucht, mit einem normalen Weihnachtsgeschäft hätte die Anzahl an Menschen am Dienstag jedoch nichts zu tun.  (alle Bilder: mst, ZackZack)

Von einem normalen Weihnachtsgeschäft, dass für viele Händler überlebenswichtig sei, sei man 2020 jedenfalls meilenweit entfernt. Zum Vergleich: An einem Einkaufssamstag vor Weihnachten fanden sich die letzten Jahre im Schnitt 90.000 bis 110.000 Menschen (auf den Tag verteilt) in der SCS ein. Am Dienstag waren es weniger als die Hälfte dieses Schnitts. Bei einer Verkaufsfläche von 200.000 m2 dürften laut Covid-Verordnung 20.000 Menschen gleichzeitig in der SCS shoppen, keine Chance daher, dass man dieses Jahr noch auf ein herkömmliches Verkaufsniveau kommt. An den kommenden Wochenenden wird schon mit mehr Andrang gerechnet, trotzdem scheint es für den Handel ein verlorenes Jahr zu werden.

Es sei denn, die Befürchtung einiger Experten tritt ein, und die Menschen stürmen die Geschäfte in den Tagen kurz vor Weihnachten. Auf einmal. Dann hilft auch eine beschränkte Verkaufsfläche nichts.

(mst)

Titelbild: ZackZack

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