Mittwoch, April 24, 2024

Sudan & Südsudan: Wenn Corona nur eine unter vielen Katastrophen ist

Sudan & Südsudan

Heuschreckenplage, Corona-Pandemie, Jahrhundertüberschwemmungen, Malaria mit epidemischen Ausmaßen und eine Flüchtlingswelle aus dem benachbarten Äthiopien: 2020 ist nicht nur wegen Corona ein Schreckensjahr für den Sudan und den Südsudan.

Wien, 09. Dezember 2020 | Das Jahr 2020 dürfte weltweit als Schreckensjahr in die Geschichte eingehen. Während Regionen weltweit mit einer Pandemie zu kämpfen haben, die ganze Wirtschaften zum Erliegen bringt, ist sie für andere Länder nur ein Problem unter vielen. Der Sudan ist seit Juli 2020 von Jahrhundertfluten geplagt: Die Wirtschaft kam zum Erliegen, massive Ernteausfälle und wachsende Armut plagen die Bevölkerung, sowie eine Flüchtlingswelle aus dem benachbarten Äthiopien. Auch der seit 2011 unabhängige Südsudan ist betroffen.

Jahrhundertfluten: weite Teile des Landes überschwemmt

Die sudanesische Regierung hat wegen der schweren Überschwemmungen einen dreimonatigen Notstand ausgerufen: Das gesamte nordostafrikanische Land wurde zum Naturkatastrophengebiet erklärt. Auch der Südsudan wurde hart von den Fluten getroffen.

Menschen der südsudanesischen Stadt Aweil versammeln sich, und fordern von der Regierung und dem World Food Programme Unterstützung.

Die Überschwemmungen im Südsudan ließen keinen Fleck Erde trocken. Fotos: Peter Lau Madhieu

Starke Regenfälle, die länger als ein Monat andauerten, führten zu Schäden gigantischen Ausmaßes: Über 100 Menschen sind in den Fluten ums Leben gekommen, mehr als eine halbe Million hat ihr zu Hause verloren, die Ernte von über einer Million Tonnen Weizen und Sorghum, eine Getreideart, wurde durch die Überschwemmungen vernichtet. Der Südsudan war in der ersten Jahreshälfte auch schwer von der Heuschreckenplage getroffen worden.

 Nahrungsmittelpreise stark gestiegen

ZackZack hat mit Peter Lau Madhieu gesprochen. Er lebt im Südsudan und ist politisch bei der regierenden libanesischen Volksbefreiungsfront (Sudan People Liberation Movement, SPLM) aktiv. Die Bevölkerung würde auf der Straße sitzen, es gäbe „kaum noch trockene Plätze, insbesondere in den sieben hauptbetroffenen Regionen des Südsudans.“ Die Nahrungsmittelpreise hätten sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht, die Menschen im Land sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Neben der Pandemie eine Epidemie: Eine Million Malaria-Fälle monatlich

Die Corona-Pandemie beschäftigt den Sudan aber nur nebensächlich: Die täglich neuen Fälle steigen derzeit, während im Sudan aber fünf Mal mehr Menschen als in Österreich leben, verzeichnet das Land nur ein Viertel so viele Corona-Todesfälle wie Österreich. Auch die täglichen Neuinfektionen sind im vergleichsweise kleinen Österreich um ein Vielfaches höher.

Die Überschwemmungen verstärken allerdings die Malaria-Epidemie im Sudan: Weit über eine Million Fälle des Sumpffiebers werden monatlich gemeldet, auch Darmerkrankungen plagen die Bevölkerung im Zuge der Überschwemmungen. Das Gesundheitssystem kommt nicht mehr nach: Entbindungsstationen sollen geschlossen worden sein, mehr als 100.000 Kinder nicht mehr mit notwendigen Impfungen versorgt werden können.

Flüchtlingswelle aus Äthiopien

Im Osten des Landes braut sich gleichzeitig eine weitere Katastrophe zusammen: Tausende äthiopische Flüchtlinge queren täglich die Grenze zum Sudan und brauchen dringend Hilfe. Rund 50.000 Menschen sind in den vergangenen Wochen vor Massakern, Plünderungen und Vergewaltigungen aus der Provinz Tigray in den Sudan geflüchtet: Die humanitäre Lage in den Flüchtlingslagern spitzt sich zu. Auch in den Südsudan sind Menschen geflüchtet.

https://twitter.com/Brian_Higgz/status/1336129530336079874

Sudan: Interesse von Russland & USA

Der Sudan liegt auch im Fokus der Großmächte und ist vor allem geopolitisch ein interessantes Pflaster. So soll Russland seinen ersten Marinestützpunkt seit Zusammenbruch der Sowjetunion ausgerechnet im Sudan aufbauen – diesbezügliche Vereinbarungen zwischen Sudan und Russland wurden Anfang November veröffentlicht. Auch die USA mischen im Land mit: 80 Millionen Dollar Hilfspaket gab’s nur für ein Gegengeschäft: der Sudan musste sich zu einer Zahlung von 335 Millionen Dollar Entschädigung für die Terroranschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Dar-es-Salam im Jahr 1995 bereiterklären und mit Israel Frieden schließen, um von der Terrorliste der USA gestrichen zu werden.

Während russische Firmen im Sudan Gold fördern sollen, konnte das UN-Hilfswerk Ocha von den für die Unterstützung des Sudan notwendigen 1,6 Milliarden Dollar bisher nicht einmal die Hälfte aufstellen.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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