Donnerstag, April 18, 2024

Massiver Mangel an Lehrstellen – “Folgenreichste Katastrophe”

“Folgenreichste Katastrophe”

Wollte man Anfang des Jahres mit einer großen Kampagne noch das Image der Lehre aufpolieren, lassen Regierung und Wirtschaftskammer junge Menschen nun im Stich. Viel zu viele Suchende kommen auf viel zu wenige freie Lehrstellen, so die alarmierenden Zahlen des Arbeitsmarktservice (AMS). Die Gefahr einer “verlorenen Generation Corona” verschärft sich.

Wien, 14. Dezember | „Die Lehre ist ein wichtiges Fundament für den österreichischen Wirtschaftsstandort“, predigte WKO-Präsident Harald Mahrer noch im Februar. Vor der Krise hatte man mit einem massiven Fachkräftemangel zu kämpfen, das Ziel der groß angelegten Kampagne war es, die Lehre als Ausbildung aufzuwerten. Jetzt, neun Monate nach Ausbruch der Pandemie in Österreich, drohen die “Fachkräfte von morgen” aber wohl eher zu den Verlierern von morgen zu werden. Aktuelle Zahlen des Arbeitsmarktservice (AMS) zeigen, wie schlecht es um den Stellenmarkt für junge Arbeitssuchende steht.

Lage vor allem in Wien dramatisch

Eines war in diesem Jahr klar zu erkennen: Lehrlinge arbeiten zum großen Teil in systemrelevanten Branchen und tragen vor allem in Krisenzeiten unter schwersten Arbeitsbedingungen einen erheblichen Beitrag zur Gesellschaft bei. Für die Jugend ist es aktuell aber alles andere als leicht, eine passende Stelle zu finden. So gab es Ende November 5.735 freie Lehrstellen bei gleichzeitig 7.264 Personen, die derzeit eine Stelle suchen. Die Nachfrage an Lehrstellen übersteigt also mittlerweile das Angebot um 1.529 Personen, im September gab es noch ein um knapp 333 höheres Angebot.

(Bild: AMS-Bericht über den Arbeitsmarkt November 2020)

Besonders schwer hätten es derzeit Lehrstellensuchende aus Wien. Hier kommen etwa 4.000 Suchende auf nur 400 Stellen. Schuld daran ist vor allem das starke Ost-West-Gefälle. Während vor allem westlich angesiedelte Tourismus- und Gastronomiebetriebe nach Lehrlingen suchen, hält sich der Andrang dort aber in Grenzen. Zu schlecht seien laut Aussagen von Lehrlingen die Arbeitsbedingungen in der Branche, ein Umzug für die Ausbildung, wie es vor allem jungen Menschen in Wien angeraten wird, kommt für die meisten nicht in Frage. Insgesamt sind es derzeit 1.327 offene Lehrstellen im Tourismus.

“Jugendarbeitslosigkeit ist folgenreichste Katastrophe”

Gewerkschaften schlagen aufgrund des steigenden Lehrstellenmangels bereits Alarm.

„Jugendarbeitslosigkeit ist eine der folgenreichsten Katastrophen, die eine Gesellschaft treffen kann. Die Konsequenzen sind Perspektivenlosigkeit, oft auch Krankheit und zum Teil auch Kriminalität. Es braucht Sofortmaßnahmen, die gegensteuern. Einen Lehrlingsbonus mit der Gießkanne zu verteilen, wie das die Regierung macht, ist ein nettes Goodie, löst aber das Problem nicht“,

so Susanne Hofer, Jugendvorsitzende der Gewerkschaft GPA.

Gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) präsentierte Mahrer im Juli den Lehrlingsbonus, um Unternehmern auch in Krisenzeiten das Einstellen von Lehrlingen schmackhaft zu machen und den Folgen der Corona-Krise entgegenzuwirken. Für jeden eingestellten Lehrling gab es 3.000 Euro. Die Krise hat jedoch ganze Wirtschaftszweige stillgelegt, die Einstellung von Lehrlingen kommt vor allem für kleinere Betriebe zur Zeit nicht in Frage. So wurden von den budgetierten 60 Millionen Euro für den Lehrlingsbonus gerade mal 19,5 Millionen abgeholt.

Verheerende Folgen

Vertreter der Jugendlichen in der Gewerkschaft sprechen von einer hohen Belastung der Jugend. Die Folgen einer lang anhaltenden, hohen Jugendarbeitslosigkeit können verheerend sein. Ein zukünftiger Fachkräftemangel ist dabei genau so ein Problem wie der instabile Einstieg ins Erwerbsleben. Der Lehrlingsbonus allein funktioniere nicht – die GPA fordert daher weitere Maßnahmen, um der Situation entgegenzuwirken:

„Es braucht einen Corona-Notausbildungsfonds, aus dem Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden wollen, aber aufgrund von Corona nicht können, unterstützt werden. Darüber hinaus muss die überbetriebliche Lehre ausgebaut werden und Lehrplätze im staatlichen und staatsnahen Bereich geschaffen werden“,

so Hofer.

Junge Menschen würden in der politischen Debatte immer mehr untergehen und links liegen gelassen werden. Wenn nicht bald gegengesteuert werde, sehe es düster aus. Die langfristigen Lehrstellenangebote sind während der Krise bereits um 20 Prozent abgesunken – ein Anzeichen dafür, dass die Anzahl der Lehrbetriebe weiter sinken werde.

(mst)

Titelbild: APA Picturedesk

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