Dienstag, April 16, 2024

Flüchtlingslager: Kirche macht Druck auf Regierung – “Eine Katastrophe bahnt sich an”

“Eine Katastrophe bahnt sich an”

Der Druck auf Türkis-Grün, Kinder und Familien endlich aus der Hölle auf Lesbos zu holen, wird größer. Jetzt, kurz vor Weihnachten, spricht auch die Kirche von einer „sich anbahnenden Katastrophe“ und fordert die Aufnahme von Flüchtlingen. Kritik erntet die ÖVP mittlerweile auch aus den eigenen Reihen.

 

Wien, 21. Dezember 2020 | Berichte über Kinder, die im Schlamm leben müssen und von Ratten gebissen werden, haben eine große Solidaritätswelle in Österreich ausgelöst. Sowohl prominente Personen aus Medien, Politik und Kultur (wie im großen Aufruf von ZackZack) als auch einfache Bürger, so etwa beim Lichtermeer für Moria, drückten bereits ihr Mitgefühl aus und fordern die Regierung zum Handeln auf.

Das von der sozialistischen Jugend organisierte “Lichtermeer für Moria”: Am letzten Donnerstag setzten 1500 Menschen am Minoritenplatz ein Zeichen. (Bild: APA)

Erzbischof: “Humane Katastrophe bahnt sich an”

Jetzt hat sich am Sonntagabend in der ZIB 2 mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, auch die Kirche zu Wort gemeldet. Man gebe zu, dass das Thema von der Kirche „bald einmal abgehakt wurde“. Angesichts der dramatischen Bilder aus dem Moria-Ersatzlager Kara Tepe, könne man nun aber nicht weiter zuschauen: „Eine humane Katastrophe bahnt sich dort kurz vor Weihnachten an“, so Lackner im Gespräch mit ZIB-Moderator Martin Thür.

„Ich glaube, dass wir alle, alle Institutionen und Instanzen, gefordert sind, hier aktiv zu werden und zu helfen. Es ist eine erste Hilfe von Nöten, von der sich niemand dispensieren kann“,

so Lackner weiter.

„Es ist jetzt wichtig, dass das auch von Österreich getan wird“, sagte er. Hilfe sei nun „mehr als notwendig“. Zugleich würdigte der Salzburger Erzbischof die von Österreich schon erbrachten Hilfeleistungen. Die Hilfe für Flüchtlinge müsse global erfolgen, es sei aber auch die Europäische Union gefordert. Ein erster Schritt müsse sein, dass die Flüchtlinge von Lesbos auf das griechische Festland verlegt werden.

Volkshilfe: “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”

Noch schärfere Worte fand zuvor Volkshilfe-Präsident Sacher, der die Regierung zum Handeln aufforderte. Die Umstände auf den Inseln bezeichnete er als “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”. An Bundeskanzler Kurz appellierte er, “seine Haltung zu ändern, Menschlichkeit zu zeigen und den verzweifelten Menschen in Griechenland zu helfen.” Die Zustände in den Lagern seien “unerträglich”. “Welche hässlichen Bilder über die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern müssen uns denn noch erreichen, wie viele Meldungen von vergewaltigen Dreijährigen braucht es denn noch, bis die österreichische Bundesregierung endlich handelt?”, fragte er in einer Aussendung.

Kritik auch aus den eigenen Reihen

Zuletzt waren aber auch innerhalb der eigenen Partei Stimmen laut geworden, dass man die Kinder aus Lesbos nicht im Dreck verkommen lassen dürfe. So bildet sich derzeit vor allem in Tiroler ÖVP-Kreisen erheblicher Widerstand gegen die Linie der Bundespartei. Die VP-Landesrätin Beate Palfrader etwa erinnert an die „christlich soziale Verpflichtung“, hier jetzt sofort zu helfen. Unterstützung erfährt sie dabei von mehreren ÖVP-Bürgermeistern, auch die Tiroler Grünen fordern einen „Akt der Menschlichkeit“.

Nächste PR-Aktion?

Österreich beteiligt sich wie 14 weitere EU-Staaten aber weiterhin nicht an der Aktion. Während auch immer mehr Grüne auf Bundesebene für eine Aufnahme Geflüchteter plädieren, lehnt das die ÖVP weiter strikt ab.

Am Samstag kündigten Innenminister Karl Nehammer und ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg an, gemeinsam mit SOS Kinderdorf eine Tagesbetreuungsstätte für rund 500 Kinder auf der griechischen Insel Lesbos errichten zu wollen. Man will also weiter auf Hilfe vor Ort setzen. Nachdem sich die erste große Hilfsaktion vor Ort aber angesichts der jetzigen Zustände im Lager als Inszenierung entpuppt hat, scheint mit dieser Ankündigung die nächste PR-Aktion der Türkisen zu erfolgen.

(mst/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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